„Für hunderte Biogasanlagen und Holzheizkraftwerke schafft die Verlängerung der Übergangsfrist für die Auditierungen endlich die Möglichkeit, sich fristgerecht zertifizieren zu lassen, ohne die EEG-Vergütung zu verlieren“, sagt HBB-Leiterin Sandra Rostek. Angesichts des Engpasses an verfügbaren Auditoren sei die Verlängerung eine lange überfällige Entscheidung. Gleichwohl sei dringend angesagt, die Einführung der Nachhaltigkeitszertifizierung – wie im europäischen Emissionshandel auch – komplett um ein Jahr zu verschieben, um die erforderlichen Umstellungen der Biomasselieferungen und die Zertifizierung entlang der gesamten Lieferkette durchführen zu können. Unabhängig von dem nun später möglichen Termin für die Auditierung müssten weitreichende Vorgaben der BioSt-NachV bereits seit Beginn des Jahres eingehalten werden.
Die insgesamt zu kurze Einführungsfrist von drei Wochen Ende letzten Jahres führe zu ungeklärten Fragen in der praktischen Umsetzung der Verordnung. Viele Fragen seien auch deswegen offen, da die Umsetzungsverordnung zu den freiwilligen Zertifizierungssystemen von der EU erst in der vergangenen Woche veröffentlicht wurde und zu den Nachhaltigkeitsanforderungen im Forstbereich aber noch immer ausstehe.
Besonders im Abfallbereich bestehe noch Informations- und Klärungsbedarf seitens der Bundesregierung, welche zusätzlichen Anforderungen aus Nachhaltigkeitssicht zu den bestehenden umfassenden Dokumentations- und Kontrollpflichten des Abfallrechts einzuhalten sind, betont das HBB. „Dies führt dazu, dass die Vorkette nicht bereit war und teilweise nach wie vor nicht bereit ist, sich zertifizieren zu lassen.“
Ebenso problematisch seien die nicht kompatiblen Bilanzzeiträume des Gashandels (EEG, KWKG) mit den Vorgaben der BioSt-NachV. Aufgrund bestehender Lieferverträge, die nicht innerhalb von drei Wochen verändert werden konnten, sei ein Ausgleich der Massenbilanz im ersten Quartal nicht möglich, was der Nachhaltigkeitszertifizierung widerspreche. Üblicherweise erfolgt der Ausgleich im Gashandel über ein Kalenderjahr. Insbesondere betroffen sind hier laut HBB auch Kommunen, die Biomethan zur Energieversorgung einsetzen.
Umgang mit eingelagerter Biomasse bleibt ungeklärt
Weiterhin nicht geklärt ist der Umgang mit eingelagerter Biomasse, für die rückwirkend keine Nachhaltigkeitsnachweise mehr erstellt werden können. „Deshalb fordern wir, dass der Starttermin der BioSt-NachV auf den 1. Januar 2023 verschoben wird, um diese Biomasse rechtssicher in diesem Jahr einsetzen zu können. Angesichts der Energie- und Gasknappheit kann es nicht sein, dass ein bürokratisches Monster die Produktion erneuerbarer Energie durch Rechtsunsicherheit behindert.“ Das HBB hat in seiner Stellungnahme zur Änderung der BioSt-NachV kritisiert, dass die Zertifizierung für die vorgelagerte Biomassekette nur mit zusätzlichen Kosten verbunden sei, ohne eigene wirtschaftliche Anreize zur Zertifizierung. Dementsprechend und aufgrund der umfangreichen Dokumentations- und Kontrollpflichten des Abfallrechtes hat das HBB eine eigenständige und vereinfachte Regelung für Abfälle eingefordert.
Weiteren Nachbesserungsbedarf sieht Rostek bezüglich des Kontrollaudits nach einem halben Jahr: „Wir verstehen nicht, weshalb die Bundesregierung in Anbetracht des Auditorenmangels weiter an dem EU-rechtlich nicht erforderlichen Kontrollaudit ein halbes Jahr nach Erstzertifizierung festhält.“ Die Aussetzung des Kontrollaudits würde schnell und wirkungsvoll Auditoren für Erstzertifizierungen freistellen, ohne Nachhaltigkeitsrisiko der bereits zertifizierten Unternehmen, argumentiert das HBB. Auch wenn mit der jetzigen Fristverlängerung etwas Zeit verschafft wurde, bedeute die Umsetzung der BioSt-NachV für die Bioenergiebranche immer noch einen Kraftakt und es sei „längst nicht sicher“, dass in den nächsten sechs Monaten alle von der BioSt-NachV betroffenen Bioenergieanlagen sowie deren Vorketten einen Audittermin bekommen, „geschweige denn die neu betroffenen Nachweisverpflichteten im EU-Emissionshandel“, warnt die Leiterin des HBB.
Biogasanlagen über 2 MW Gesamtfeuerungswärmeleistung und Holzheizkraftwerke über 20 MW betroffen
Die von der Bundesregierung geänderte BioSt-Nachv sieht vor, dass die betroffenen Biogasanlagen über 2 MW Gesamtfeuerungswärmeleistung und Holzheizkraftwerke über 20 MW Gesamtfeuerungswärmeleistung sowie deren Lieferanten und Verarbeiter von Biomassen bei einem nachweislichen Mangel an Auditoren gegenüber der Bundesanstalt für Landwirtschaft (BLE) mittels Eigenerklärung eine Verlängerung der Frist für die Nachhaltigkeitszertifizierung beantragen können.