Umsatzsteuer für Wasserhausanschlüsse
Ende der 2000er Jahre hatte der BFH (nach langem Hin und Her) entschieden, dass das Verlegen von Wasserhausanschlüssen umsatzsteuerrechtlich zur Lieferung von Wasser gehört und damit der ermäßigte Steuersatz anzuwenden ist. 2018 hatte der BFH ergänzend entschieden, dass dies auch dann gilt, wenn diese Leistung nicht vom Wasserversorger direkt gegenüber dem Kunden bzw Anschussnehmer erbracht wird. Hierzu liegt nun ein BMF-Schreiben vor, das umfassend die Einzelheiten der umsatzsteuerlichen Umsetzung behandelt. Ergänzend dazu hat das BMF gegenüber dem VKU weitere Klarstellungen vorgenommen. Es verbleiben aber immer noch Widersprüche zwischen der BFH-Entscheidung und der Verwaltungsauffassung.
Aktuelles
- Verfügung des Landesamtes für Steuern Rh-Pf. (Sept 2021, noch nicht veröffentlicht)
- Ergänzendes Schreiben des BMF vom 11. Mai 2021 (pdf)
mit Klarstellungen zu den sog. Eingangsleistungen und Mehrspartenanschlüssen - BMF-Schreiben "Umsatzsteuerrechtliche Behandlung des Legens von Hauswasseranschlüssen" vom 04. Februar 2021 (pdf). Dieses Schreiben ersetzt die Regelungen des BMF-Schreibens vom 7. April 2009. Anlass war die BFH-Entscheidung vom 7. Februar 2018, XI R 17/17 (BStBl 2021 II, Seite 241).
Weitere allgemeine Hinweise:
Diese allgemeinen Hinweise ersetzen nicht die steuerliche Beurteilung im Einzelfall durch eine fachkundige Person (Steuerberater).
Zwischenzeitlich konnten im Hinblick auf die Eingangsleistungen an das WVU einige der nach den beiden BMF-Schreiben verbliebenenen Widersprüchlichkeiten geklärt werden. Der aktuelle Stand der Dinge (Februar 2022) stellt sich wie folgt dar:
- Es sind drei Leistungsbeziehungen zu unterscheiden:
A. WVU - Kunde / Anschlussnehmer / Grundstückseigentümer
B. WVU - beauftragter Unternehmer
C. Beauftragter Unternehmer direkt zum Kunden / Anschlussnehmer. - Generell gilt, dass der ermäßigte Steuersatz nur für die Leistung am Ende der Leistungskette gilt, das sind hier die Fälle A. und C.; nicht begünstigt sind dagegen Eingangsleistungen gegenüber dem Unternehmer, der die Leistung „Legen eines Hauswasseranschlusses“ erbringt (siehe BMF-Schreiben vom 04.02.2021).
- Die Leistungsbeziehung B. stellt sich aus Sicht des WVU als sog. Eingangsleistung dar. Hierzu vertritt das BMF die Auffassung, dass auf diese der Regelsteuersatz 19% anzuwenden ist - wie auf jede andere Eingangsleistung auch (Lieferungen und Leistungen Dritter an das WVU).
- In dem 2018 entschiedenen Fall hatte der BFH allerdings festgestellt, dass es sich tatsächlich um ein Leistungsverhältnis nach B. handelt - auch wenn dort der beauftragte Unternehmer (zumindest teilweise) direkt mit dem Kunden abgerechnet hatte. Hierzu hatte der BFH festgestellt, dass es sich dabei um den Tatbestand "Legen eines Hauswasseranschlusses" handelt, auf den insoweit der ermäßigte Steuersatz anzuwenden ist (XI R 17/17 - juris -, dort unter Rn. 14).
- Es ist der Praxis zu empfehlen, nach der Verwaltungsauffassung des BMF zu verfahren. Hinsichtlich des Vorsteuerabzugs halten wir dieses Vorgehen auch für risikoarm, da das Finanzamt dem WVU den Vorsteuerabzug von 19% angesichts der o.g. Verlautbarungen des BMF u.E. nicht versagen darf.
- Für Tiefbauarbeiten für Mehrspartenanschlüsse gilt einheitlich der Regelsatz von 19%, unabhängig davon, ob es sich um ein Leistungsverhältnis nach B. oder C. handelt.
- Das vorgenannte gilt unabhängig davon, wer im Einzelfall die Leistung ggü. dem Wasserwerk (also B.) bzw. dem Kunden / Anschlussnehmer (also C.) erbringt (z.B. Bauunternehmen, AöR namens eines Mitglieds, Bauhof einer Gemeinde o.ä.). Es kommt nur darauf an, ob der Tatbestand "Legen eines Wasserhausanschlusses" erfüllt ist.
- Der Fall C. kommt insbesondere bei der Herstellung der Wasserversorgungsanlagen durch einen Erschließungsträger vor; in solchen Fällen ist im Einzelfall sehr gut danach zu differenzieren, wer genau gegenüber wem welche Leistung/en erbringt.
- Im Leistungsverhältnis nach A. gilt für alle Leistungen, die zum Tatbestand "Lieferung von Wasser" gehören (d.h. auch für sämtliche übrige Wasserversorgungsanlagen sowie die Wasserlieferung selbst), unverändert der ermäßigte Steuersatz.
Im Anhalt an eine Verfügung des Bayerischen Landesamts für Steuern (S 7221.1.1-1/49 St33 vom 17.05.2021) sind im Falle der Hausanschlüsse im Wesentlichen folgende Konstellationen denkbar:
- Herstellung in Regie des Wasserversorgers, dieser beauftragt Bauunternehmen:
-> Ermäßigter Steuersatz gegenüber dem Kunden (oben A.)
-> Regelsteuersatz des Bauunternehmens gegenüber dem WVU ("Eingangsleistung", oben B.) - Wasserversorger beauftragt Bauunternehmen / Erschließungsträger, dieses/r rechnet aber direkt mit dem Grundstückseigentümer ab (wie im BFH-Fall):
-> Ermäßigter Steuersatz gegenüber dem Grundstückseigentümer (oben C.) - ggf. auch: Herstellung Hausanschluss in Anliegerregie, dieser beauftragt das Bauunternehmen:
-> Ermäßigter Steuersatz gegenüber dem Anlieger (oben C.)
Archiv
- VGH BaWü vom Sepemter 2011 zum Anspruch auf Erstattung von Umsatzsteuer
- BMF-Schreiben an den VKU (9/2009, pdf)
- Rückerstattung - Ergänzende Hinweise des GStB (Juli 2009, pdf)
- Rückerstattung an die Kunden – Hinweise des GStB (Juni 2009, pdf)
- Einmaliger Beitrag: Antwortschreiben des Finanzministeriums RP (Mai 2009, pdf)
- GStB-Schreiben an Finanzministerium RP wegen Einmaligen Beitrags (Mai 2009, pdf)
- Erläuterungen des DStGB zum BMF-Schreiben (April 2009, pdf)
- BMF-Schreiben vom 7. April 2009 - nicht mehr gültig, siehe oben (pdf)
- Forderungen DStGB an BMF (März 2009, pdf)
- Empfehlungen des GStB (Stand 2. Februar 2009)
- Ergebnisse der Besprechung mit BMF Ende Januar 2009 (pdf)
- Urteil des BFH vom 8. Oktober 2008 - V R 27/03 - (Link)
- DStGB/VKU-Schreiben an BMF – Bitte um Klärung der Rechtsfragen (Dez. 2008, pdf)
- Schreiben des DStGB – weiteres Vorgehen (11/2008)
- Urteil des BFH vom 8. Oktober 2008 – V R 61/03
- Information des DStGB über die mündliche Verhandlung am BFH im Oktober 2008 (pdf)
- Rechtssache auf CURIA [Link, nur in englischer Sprache]
- Hintergrundinfo zum Streitfall (DStGB-aktuell 1007-06) [pdf]
Zum Hintergrund und zur Vorgeschichte Mitte der 2000er Jahre:
Nach langem Hin und Her hatte der BFH in zwei Entscheidungen im Oktober 2008 klargestellt, dass für das Legen eines Hausanschlusses (Herstellung der Verbindung des Wasser-Verteilungsnetzes mit der Anlage des Grundstückseigentümers) der ermäßigte Steuersatz anzuwenden ist. Zwischenzeitlich ist auch klar, dass dies auch bei Nicht-Identität von Anschlussnehmer und Wasserbezieher gilt. Ein dementsprechendes BMF-Schreiben, mit dem das Urteil allgemein anerkannte wurde, wurde im April im Bundessteuerblatt veröffentlicht.
In der Folge standen bei den Wasserwerken vor allem Fragen der Rückerstattung der (aus Sicht des Kunden) zuviel gezahlten Umsatzsteuer im Raum. Dabei ist zwischen dem Rechtsverhältnis zum Finanzamt einerseits und dem zum Kunden andererseits zu unterscheiden. Strittig war vorrangig, ob die Rückerstattung an den Kunden bei Erhebung öffentlich-rechtlicher Entgelte der vierjährigen Festsetzungsverjährungsfrist unterliegt (zu bejahen). Ungeachtet dessen stellte das rheinland-pfälzische Finanzministerium klar, dass gegenüber dem Finanzamt der Erstattungsanspruch bei Rechnungskorrektur immer gegeben ist.
Bis zu der o.g. BFH-Entscheidung hatte das BMF auf seiner Auffassung beharrt, dass in beiden Fällen der Regelsteuersatz anzuwenden ist. Zuvor hatte bereits der Europäische Gerichtshof (EuGH) Anfang 2008 festgestellt, dass für das Legen eines Wasserhausanschlusses der ermäßigte Mehrwertsteuersatz angewendet werden kann (Beschluss vom 3. April 2008, Az.: C- 442/05). Demzufolge entschied auch der BFH im Oktober 2008, dass das Legen eines Hausanschlusses durch ein Wasserversorgungsunternehmen gegen gesondert berechnetes Entgelt unter den Begriff "Lieferungen von Wasser" i.S. von § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 34 der Anlage zum UStG fällt. Dies gelte sowohl dann, wenn die Anschlussleistung an den späteren Wasserbezieher erbracht wird (V R 61/03) als auch dann, wenn dies nicht der Fall ist, d.h. bei sog. Nicht-Identität (V R 27/03).
Auslöser der ganzen Sache war ein Rechtsstreit zwischen einem Finanzamt und einem Wasserversorgungszweckverband in Sachsen. Daraufhin hatte der Bundesfinanzhof den EuGH angerufen. Streitig war die Festlegung eines BMF-Rundschreibens aus dem Jahre 2000, wonach – entgegen der bisherigen Rechtslage – das Verlegen eines Hausanschlusses nicht als Nebenleistung zur Wasserlieferung anzusehen sei, sondern als eigenständige Leistung, die somit dem Regelsteuersatz von derzeit 19% unterliege.
Der EuGH stellte klar, dass die BMF-Auffassung nicht mit europäischem Recht, hier der Richtlinie 77/388/EG vereinbar ist. Bei der Auslegung dieser Richtlinie sei nicht auf den Wortlaut abzuheben, sondern der sachliche Kontext zu beachten. Im vorliegenden Fall sei die Lieferung von Wasser an die Kunden nun einmal nur mit Hilfe eines Hausanschlusses möglich. Der Begriff „Lieferung von Wasser“ umfasse daher allein von der Sache her auch das Legen eines Anschlusses, der die öffentliche Wasserleitung mit dem Haus verbinde.
Die Errichtung des Wasser-Hausanschlusses sei daher steuerlich in der gleichen Weise zu behandeln, wie das gelieferte Wasser. Unterliegt also nach nationalem Recht, wie in Deutschland, die Lieferung von Wasser dem ermäßigten Steuersatz (derzeit 7%), müsse dies auch für die Leistung „Verlegen von Hausanschlüssen“ gelten.
Der BFH bestätigte nun diese Auffassung. Zudem stellte er klar, dass BMF-Schreiben als reine Verwaltungsanweisungen rechtlich nicht geeignet seien, eine selektive Anwendung des Regelsteuersatzes anzuordnen. Daher gelte der ermäßigte Steuersatz. In einer weiteren Entscheidung (V R 27/03) hatte der BFH zudem entschieden, dass dies auch im Falle der Nicht-Identität von Anschlussnehmer und Wasserbezieher gilt.
Dr. Thomas Rätz, GStB
zuletzt aktualisiert am 7. Februar 2022