2.2. Allgemein anerkannte Regeln der Technik, insbesondere DVGW W 405

2.2. Allgemein anerkannte Regeln der Technik, insbesondere DVGW W 405

Mit der Gesetzesänderung im § 48 LWG wird bezogen auf die Löschwasservorhaltung – erstmals – ausdrücklich im Gesetzestext auf die "allgemein anerkannten Regeln der Technik" (a.a.R.d.T.) verwiesen. Im Bereich der Trinkwasserversorgung gehören dazu in erster Linie die DIN 2000 sowie im Hinblick auf die Löschwasservorhaltung das DVGW Arbeitsblatt W 405.

Bezogen auf den Bau und Betrieb der Anlagen und Einrichtungen der Wasserversorgung im Allgemeinen gilt die Einhaltung der a.a.R.d.T. landesrechtlich bereits seit der LWG-Novelle von 1983 (Beile, § 51 LWG, Praxis der Kommunalverwaltung unter Nr. 2).


Technische Regeln werden dadurch zur einer a.a.R.d.T., dass sie alle dazu notwendigen Voraussetzungen, wie sie die Rechtsprechung entwickelt hat, erfüllen, nämlich: 

- Sie beruhen auf Erfahrungen und wissenschaftlichen Erkenntnissen und
- die Mehrzahl der jeweiligen Fachleute ist überzeugt von deren Richtigkeit und
- sie sind in der Fachwelt allgemein anerkannt und
- sie haben sich in der Praxis auch bewährt und
- sie werden fortlaufend weiterentwickelt.


Die DIN 2000 ist das zentrale Regelwerk für die zentrale Trinkwasserversorgung. Sie regelt in Form von Leitsätzen die Anforderungen an Trinkwasser, Planung, Bau, Betrieb und Instandhaltung der Versorgungsanlagen. Diese Norm ist Bestandteil auch des DVGW Regelwerks. Sie ist quasi das Bindeglied zwischen den gesetzlichen Regelungen wie der Trinkwasserverordnung und dem Wasserhaushaltsgesetz einerseits zu den entsprechenden verfahrens-, system- und produktspezifischen technischen Regelwerk im Hinblick auf den Umgang mit den Trinkwasserressourcen, die Wassergewinnung, -aufbereitung, -speicherung und -verteilung. Der Fokus liegt dabei auf der Einhaltung der hygienischen Anforderungen gemäß TrinkwV.


Diese Anforderungen gelten unverändert weiter und sind – wie bisher – ein strikt einzuhaltender Rahmen auch für alle Fragen der Löschwasservorhaltung; d.h. die mit der Trinkwasserversorgung verbundene leitungsgebundene Löschwasservorhaltung hat sich strikt und ausnahmslos diesen Anforderungen unterzuordnen.


Das DVGW Arbeitsblatt W 405 (aktuelle Fassung aus 2008) ist das zentrale Regelwerk für die Bereitstellung von Löschwasser durch die öffentliche Trinkwasserversorgung; es ist zweifelsfrei "allgemein anerkannt", d.h. es enthält das praktisch erprobte, ausreichend bewährte und schriftlich veröffentlichte und von der Fachwelt anerkannte technische Wissen. 


Im Hinblick auf die Umsetzung der gesetzlichen Anforderungen ist zunächst der Anwendungsbereich bzw. Geltungsbereich des W 405 zu beachten. Er ist nämlich beschränkt auf:

a) Regeln zur Ermittlung des Löschwasserbedarfs bei der Planung und den Bau ausgewiesener Bebauungsgebiete und für Bauvorhaben im Außenbereich und zwar ausschließlich bezogen auf den Grundschutz sowie

b) die Prüfung, in welchem Umfang Löschwasser aus dem öffentlichen Trinkwassernetz (also im Bestand) entnommen werden kann.

Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass die im W 405 genannten Richtwerte keine unmittelbare Anwendung finden auf 

i) die Frage der Löschwasservorhaltung bzw. des Löschwasserbedarfs im Bestand; dort findet es Anwendung nur auf die Ermittlung der (tatsächlichen) Löschwasserverfügbarkeit aus dem Trinkwassernetz.

ii) die Frage der Löschwasservorhaltung neuer Einzelvorhaben im Innenbereich (also solche, die keine "ausgewiesenen Bebauungsgebiete" sind).


Daraus ergeben sich folgende Eckpunkte:

  • Über den Verweis auf die a.a.R.d.T. im § 48 LWG erlangt das DVGW W 405 bezogen auf seinen Anwendungs- bzw. Geltungsbereich (siehe oben) quasi Gesetzeskraft und ist daher für die Wasserversorger bei allen Neuerschließungen bzw. neuen Bauvorhaben als Richtschnur für die Löschwasservorhaltung im Bereich des Grundschutzes verbindlich.

  • Auch im W 405 ist der o.g. uneingeschränkte Vorrang der Einhaltung der hygienischen Anforderungen der Trinkwasserversorgung klar artikuliert (siehe unter Nr. 6.1). Soweit also eine leitungsgebundene Löschwasservorhaltung aus dem Trinkwassernetz wegen des Vorrangs der Trinkwasserqualität bzw. -hygiene nicht in der Höhe der Richtwerte möglich ist, treten die Richtwerte zurück und der im Einzelfall notwendige Löschwasserbedarf ist anderweitig sicherzustellen.

  • Unter Nr. 3.2. wird klargestellt, dass die eine anderweitige Löschwasservorhaltung (z.B. aus Gewässern, Teichen, Behältern usw.) gleichrangig zur Entnahme aus dem Trinkwassernetz ist; zu wählen ist die "insgesamt günstigste Lösung"; dies ist Aufgabe des gemeindlichen Trägers des Brandschutzes.

  • Bei der Löschwasserentnahme aus dem Trinkwassernetz ist sicherzustellen, dass es nicht zu Schäden am Netz kommt bzw. nur so viel entnommen wird, wie "vereinbart" ist, vgl. Nr. 3.3 und 5.3.

  • Die Aufgaben der Träger des Brandschutzes bzw. der Baugenehmigungsbehörden werden durch das W 405 nicht in Frage gestellt oder gar ersetzt. Das Arbeitsblatt beschränkt sich auf die Darstellung der technischen Möglichkeiten. Es begründet keine Rechtspflichten, auch nicht im Verhältnis zwischen Gemeinde und Wasserversorgungsunternehmen. Rechtlich verbindlich und maßgeblich sind die landesspezifischen Rechtsvorschriften (so ausdrücklich im Vorwort zum W 405).

  • Bei den Tabellenwerten im W 405 handelt es sich um "Richtwerte", die weder strikte gesetzliche Vorgabe sind noch immer und in jedem Fall "bis auf die Nachkommastelle" einzuhalten sind. Vgl. insoweit Nr. 4.4 im W 405:

"Die Richtwerte beziehen sich auf den Normalfall, d.h. auf die vorhandene bzw. im Bebauungsplan vorgesehene bauliche Nutzung. Für Einzelobjekte sind begründete Ausnahmen zulässig. Die Richtwerte gelten nicht für abgelegene Einzelanwesen, z.B. Aussiedlerhöfe."


Die Festsetzung des konkreten Löschwasserbedarfs im Einzelfall ist und bleibt Aufgabe der jeweils dafür zuständigen Stellen; sie kann je nach konkreter Gefährdungslage auch abweichend von den Richtwerten erfolgen, sowohl nach oben als auch nach unten.


In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass die Richtwerte im W 405 nicht "seit jeher" in der heutigen Höhe bestanden; bis zur Fortschreibung 1978 lagen sie nur bei der Hälfte der heutigen Werte. Gemäß ständiger Rechtsprechung auch zu anderen technischen Normen gilt der Grundsatz, dass solche Normen immer nur in der Fassung maßgeblich sind, wie sie zum Zeitpunkt der Herstellung der Anlage galten und insoweit sich ihre Gültigkeit auf die gesamte Nutzungsdauer der Anlage oder des Bauwerks erstreckt. 

Bei Einzelvorhaben im Innen- wie im Außenbereich sowie generell beim Objektschutz haben diese zuständigen Behörden im Einzelfall in Ausübung ihrer jeweils eigenen Aufgabe und der damit verbundenen Ermessensausübung über den konkreten Löschwasserbedarf zu entscheiden, ebenso über die Frage, welche anderweitige Löschwasservorhaltung ggf. notwendig wird, weil die Löschwasservorhaltung aus dem Trinkwassernetz (aktuell) unzureichend ist.