Zwar ende die Gewässereigenschaft in der Regel, wenn ein Wasserlauf vollständig in eine Abwasseranlage einbezogen wird, aber nicht jede Einschränkung der Gewässerfunktion hebe die Gewässereigenschaft auf.
Mit dem Beschluss hat das Gericht der Stadt Aachen im Wege einer einstweiligen Anordnung untersagt, die Wasserführung eines namenlosen Bachs so umzuleiten, dass das Wasser nicht mehr über das Grundstück des Antragstellers fließt. Der Antragsteller habe als Eigentümer der Ufergrundstücke bei einem so genannten „sonstigen Gewässer“ nach dem Landeswassergesetz (LWG NRW) auch ein Beteiligungs- und Entschädigungsrecht. In dieses Recht werde eingegriffen, wenn die Stadt ohne Beteiligung des Eigentümers und ohne ein förmliches Verfahren die Wasserführung des Baches so verändere, dass er nach einer Umleitung infolge Wasserentzugs austrocknen und dadurch seine Gewässereigenschaft verlieren würde, heißt es in dem Beschluss. Entgegen der Annahme der Stadt handelt es sich bei dem Wasserlauf, soweit er über das Grundstück des Antragstellers fließt, um ein Gewässer im Sinne des nordrhein-westfälischen Landeswassergesetz und des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) des Bundes und nicht ausschließlich um einen Teil der städtischen Abwasseranlage, stellt das Gericht fest.
Nach dem WHG sei unter einem oberirdischen Gewässer das ständig und zeitweilig in natürlichen oder künstlichen Betten fließende oder stehende Wasser zu verstehen, wobei es in den natürlichen Wasserkreislauf eingebunden sein müsse. Die Einbindung in den natürlichen Wasserkreislauf setze die Teilhabe an der ökologischen Gewässerfunktion voraus, die gegeben sei, wenn natürliche Prozesse wie Verdunstung, Versickerung, Auffangen von Regenwasser und Auffangen von aufsteigendem Grundwasser stattfinden. Anderenfalls handle es sich um vom natürlichen Wasserhaushalt abgesondertes Wasser, nicht jedoch um ein Gewässer.
Nicht jede Einschränkung der Gewässerfunktion hebe die Gewässereigenschaft auf, erläutert das Gericht. Das sei für technische Anlagen und Bauwerke sowie für eine teilweise Verrohrung eines Gewässers in der Rechtsprechung anerkannt. Deswegen bedürfe es in einem solchen Fall einer wertenden Beurteilung, ob die Verbindung zum natürlichen Wasserhaushalt unterbrochen wird. Der Maßstab für den Verlust der Gewässereigenschaft sei also letztlich die Absonderung vom natürlichen Gewässerhaushalt, die sich insbesondere in der Beeinträchtigung der Gewässerfunktionen zeige.
Im vorliegenden Fall sei das Wasser weiterhin in den natürlichen Wasserkreislauf eingebunden, heißt es in dem Beschluss. Der Wasserlauf sei, jedenfalls soweit er über das Grundstück des Antragstellers fließt, ein oberirdisches Gewässer im Sinne des WHG. Ausschlaggebend dafür sei, dass das Wasser nicht vom natürlichen Wasserkreislauf gelöst sei, sondern deutlich ökologische Funktionen wahrnehme und damit als ständig in natürlichen und künstlichen Betten fließendes Wasser die Begriffsdefinition des WHG ausfülle.
Der Wasserlauf sei zwar teilweise verrohrt, verlaufe auf dem Grundstück aber wieder offen. Insoweit sei ein dauerhafter Wasserfluss in einem natürlichen oder künstlichen Gewässerbett ebenso erkennbar wie ein dichtbewachsener Uferbereich. Durch die teilweise Verrohrung und die vorhandenen baulichen Anlagen - ein einzelnes Einlaufbauwerk sowie eine bauliche Anlage, durch die der Wasserfluss durch Stauung und Umleitung geregelt werden kann - werde das Wasser dem natürlichen Wasserkreislauf nicht entzogen. Vielmehr dominiere die offene Wasserführung, und das Wasser könne ohne Einschränkung seine natürlichen Funktionen Verdunstung, Versickerung, Aufnahme von Niederschlagswasser und Entstehungs- und Entwicklungsraum für Lebewesen wahrnehmen. Damit handelt es sich dem Gericht zufolge nicht um zwar offen geführtes, aber im Grunde lediglich zur Beseitigung in einer städtischen Abwasseranlage abgeführtes und damit ökologisch weitgehend wertloses Wasser. Der Wasserlauf nimmt nach Auffassung des Gerichts vielmehr nach wie vor eine wichtige ökologische Aufgabe wahr. Im Bereich des Grundstücks des Antragstellers stelle der Bach daher ein oberirdisches Gewässer dar.
Für die wertende Betrachtung sei es auch nicht von ausschlaggebender Bedeutung, dass das Wasser derzeit letztlich in den in der Straße verlegten Mischwasserkanal eingeleitet und über diesen der Kläranlage zugeführt wird. Zwar endet die Gewässereigenschaft dem Verwaltungsgericht zufolge in der Regel, wenn ein Wasserlauf vollständig in eine Abwasseranlage einbezogen wird. Hier erfülle der Bach aber vor dieser Einleitung noch wichtige ökologische Funktionen und sei daher im oberen Verlauf noch Teil des natürlichen Wasserkreislaufs.
Ob der Wasserlauf zusätzlich auch Teil der städtischen Abwasseranlage ist, etwa weil in ihn bislang auch Oberflächenwasser von Straßen eingeleitet wird, muss das Verwaltungsgericht nach eigenen Angaben nicht entscheiden. Denn auch dies würde nach der „Zwei-Funktionen-Theorie“ nicht zu einem Wegfall der Gewässereigenschaft führen.