Im Hinblick auf Wasserschutzgebiete ist der Nachweis eines drohenden Schadenseintritts im Einzelfall nicht erforderlich, sondern es reicht aus, typischerweise gefährlichen Situationen zu begegnen, heißt es in einem Beschluss des BVerwG (Az.: BVerwG 7 BN 2.14 vom 20.01.2015), mit dem die Beschwerde der Gemeinde Steinen gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) Baden-Württemberg (Az.: 3 S 280/10 vom 24.03.2014) zurückgewiesen worden ist. Eine Wasserschutzgebietsverordnung (WSV) des Landratsamts Lörrach aus dem Jahr 2009 ist danach wirksam.
Der VGH hatte dem Urteil zufolge keinen Anlass, ein Sachverständigengutachten einzuholen. So sei ein 1970 durchgeführter Markierungsversuch im Rahmen der Untersuchungen nach den auch heute noch gültigen Regeln von Wissenschaft und Technik durchgeführt und gut dokumentiert worden. Die hydrogeologischen Verhältnisse hätten sich seit dem Jahr 1970 nicht verändert, so dass die resultierenden Ergebnisse noch heute ihre Gültigkeit hätten. Der Verwaltungsgerichtshof hätte daher auch kein aktuelles numerisches Grundwassermodell einholen müssen. Grundsätzlich stellt das Bundesverwaltungsgericht fest, dass wegen der je nach Örtlichkeit unterschiedlichen hydrogeologischen Verhältnisse und Grundwasserleitertypen keine generelle Aussage dazu getroffen werden könne, wann Untersuchungsergebnisse veraltet sind oder welche fachliche Methode zur Ermittlung der Abstandsgeschwindigkeit des Grundwassers anzuwenden ist.
Auch war der VGH dem Beschluss zufolge nicht gehalten, ein Sachverständigengutachten dazu einzuholen, „ob eine Verringerung der Schutzzone II um weitere 200 bis 250 Metern die Herausnahme des seitens der Gemeinde zur Wohn- und Mischbebauung vorgesehenen Gebietes überhaupt eine relevante Erhöhung des Risikopotenzials für das Grundwasservorkommen bedeutet hätte und ob sich eine derartige Erhöhung unter Beachtung strenger Schutzanforderungen für bauliche Anlagen ergeben hätte“. Die Notwendigkeit eines solchen Sachverständigengutachtens musste sich dem Verwaltungsgerichtshof schon deshalb nicht aufdrängen, weil der Nachweis eines drohenden Schadenseintritts im Einzelfall nicht erforderlich sei, sondern es ausreiche, typischerweise gefährlichen Situationen zu begegnen.
Das BVerwG verweist in dem Zusammenhang darauf, dass nach dem Arbeitsblatt W 101 der Richtlinien für Trinkwasserschutzgebiete des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfachs (DVGW) von Juni 2006 unter anderem die Ausweisung neuer Baugebiete, der Bau und Betrieb von Abwasserkanälen und der Neubau von Straßen für die Zone II regelmäßig ein sehr hohes Gefährdungspotenzial darstellten und in der Zone II in der Regel nicht tragbar seien. Die von der Antragstellerin für eine Wohn- und Mischnutzung vorgesehenen Flächen schließen westlich an die bereits vorhandene Bebauung an und liegen damit näher an den Brunnen I bis III als die vorhandene Bebauung, heißt es in dem Beschluss. Vor diesem Hintergrund sei die Annahme der Antragstellerin, das Trinkwasservorkommen sei auch dann ausreichend geschützt, wenn man nicht nur die bereits bebauten, sondern auch die für eine Bebauung vorgesehenen Flächen aus der Schutzzone II herausnähme, nicht naheliegend.
Das BVerwG betont des Weiteren die große Bedeutung des Trinkwasserschutzes. Ein Wasservorkommen sei schutzbedürftig, wenn eine nicht unwesentliche Beeinträchtigung des Wasservorkommens nach seiner chemischen Beschaffenheit oder seiner hygienischen oder geschmacklichen Eignung für Trinkwasserzwecke befürchtet werden müsste. Schutzwürdig sei ein Wasservorkommen dann, wenn es nach seiner Quantität und Qualität für die öffentliche Trinkwasserversorgung geeignet sei. Umgekehrt fehle es an der Schutzwürdigkeit, wenn trotz Schutzanordnungen zum Beispiel aus hydrologischen oder geologischen Gründen eine nicht unwesentliche Beeinträchtigung des Wasservorkommens zu befürchten sei und eine Trinkwassernutzung daher ausscheide.
Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann dem Beschluss zufolge nur anhand der Umstände des Einzelfalles beurteilt werden. Ein Rechtssatz des Inhalts, dass ein Wasservorkommen, dessen 50-Tage-Linie teilweise auch auf bebautem Gebiet liegt, generell nicht oder weniger schutzwürdig oder schutzbedürftig ist, lasse sich nicht aufstellen. Auch von einer Zone II, deren räumliche Ausdehnung nur in geringem Maße hinter der 50-Tage-Linie zurückbleibe, werde regelmäßig noch eine Schutzwirkung für das Wasservorkommen ausgehen. Laut DVGW-Arbeitsblatt W 101 kann die Engere Schutzzone in der Praxis häufig nicht nach der 50-Tage-Linie bemessen werden, wenn sie eine Reichweite von deutlich über 1.000 Metern erreicht oder sogar das gesamte Einzugsgebiet umfassen würde. In diesen Fällen müsse die Zone II mindestens den Bereich einschließen, von dem erhöhte Gefahren für das Grundwasser ausgehen könnten.