Ein Unternehmen, das Gülle, Mist und Gärreste handelt und transportiert, wandte sich mit einem Aussetzungsantrag gegen eine düngerechtliche Anordnung der Behörde vom 19. Dezember 2017, für die sofortige Vollziehung angeordnet worden war, heißt es in dem Beschluss zum Sachverhalt. Das Unternehmen holt die Substanzen bei landwirtschaftlichen und gewerblichen Tierhaltungsbetrieben sowie Biogasanlagen ab und vermittelt bzw. transportiert sie zu anderen Betrieben. In landwirtschaftlichen Fachzeitschriften warb das Unternehmen in einer Anzeige mit dem Text „Liefere Gülle u. Mist ohne Nachweis“.
Mit dem Bescheid vom 19. Dezember 2017 untersagte die Behörde dem Unternehmen mit sofortiger Wirkung, die Lieferung von „Gülle und Mist ohne Nachweis“ anzubieten. Dies sei rechtswidrig. Einen Tag zuvor hatte die Behörde festgestellt, dass das Unternehmen der Antragsteller den Verbleib bzw. die Abgabe von rund 3.700 Kubikmeter Mastschweinegülle und von rund 3.500 Kubikmeter Flüssiggärresten, die es nach seinen Meldungen im niedersächsischen Meldeprogramm für Wirtschaftsdünger bisher im Jahr 2017 von anderen Betrieben aufgenommen hatte, nicht gemeldet hatte.
Eine weitere Forderung der Behörde war es, dass das Unternehmen bis Ende Januar 2018 alle Abgabemeldungen und Aufnahmemeldungen für das Kalenderjahr 2017 im Meldeprogramm für Wirtschaftsdünger nachzuholen habe, die bereits bis zum 19. Dezember 2017 hätten vorliegen müssen und noch fehlten, und die weiteren Abgaben im Jahr 2017 noch fristgerecht zu melden. Für beide Verfügungspunkte ordnete die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung an und drohte bei Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000 Euro an.
Als Grundlage für ihre Forderungen führte die Behörde das Düngegesetz in Verbindung mit der Düngemittelverordung (DüMV), der Düngeverordnung (DüV) und der „Niedersächsischen Verordnung über Meldepflichten und die Aufbewahrung von Aufzeichnungen in Bezug auf Wirtschaftsdünger“ an.
Die Übernahme und Anwendung von Gülle und Mist „ohne Nachweis“ stelle einen Verstoß gegen die sich aus den düngerechtlichen Vorschriften ergebenden Dokumentationspflichten dar und verhindere, dass die ordnungsgemäßen Verwertung der so in Verkehr gebrachten Gülle- und Mistlieferungen überprüft werden könne, so die Behörde
Aus Natur- und Umweltschutzgesichtspunkten, insbesondere aufgrund des Gewässerschutzes, sei es notwendig gewesen, die sofortige Vollziehung anzuordnen. Die Verletzung der Meldepflichten entziehe die Ausbringung der Lieferungen vorsätzlich einer düngerechtlichen Überprüfung. Dem stünden erhebliche Gewässerbelastungen unter anderem durch Nitrat aus der Landwirtschaft infolge nicht ordnungsgemäßer Ausbringung gegenüber.
Die Überdüngung landwirtschaftlicher Flächen sei in Niedersachsen ein großes Problem, stellte die Behörde fest. Um einem drohenden Anstieg der Nitratbelastung entgegenzuwirken, komme der landesweiten Verteilung der Wirtschaftsdünger aus der Überschussregion und der ordnungsgemäßen Verwertung bei den Aufnehmern eine zentrale Bedeutung zu. Ein besonderes Augenmerk liege daher auf der Überwachung der überbetrieblichen Verwertung von Wirtschaftsdüngern. Das Unternehmen bewege Wirtschaftsdünger in großen Mengen. Es könne nicht geduldet werden, dass der Antragsteller rechtswidrig Gülle und Mist ohne Nachweis anbiete und damit die in Verkehr gebrachten Wirtschaftsdünger vorsätzlich einer Überprüfung der ordnungsgemäßen Verwertung aus düngerechtlicher Sicht entziehe. Die Androhung des Zwangsgeldes sei aufgrund des jahrelangen Vorverhaltens des Antragstellers notwendig.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Unternehmens, die Anordnungen der Behörde auszusetzen, abgelehnt. Die Behörde habe ein besonderes öffentliches Interesse an düngerechtlicher Überwachung und unverzüglicher Aufklärung nachvollziehbar und plausibel damit begründet, dass drohenden Gefahren für das oberflächennahe Grundwasser und für die Böden durch steigende Nitratgehalte und infolge von Überdüngung begegnet werden müsse. Hier überzeuge zudem die Einschätzung, dass das Unternehmen durch sein Verhalten und seine undurchsichtige Betriebsweise dazu beitrage, dass die aufgrund der seit Jahren erhöhten Belastung der Böden insbesondere mit den Pflanzennährstoffen Stickstoff und Phosphat notwendige Überprüfung der Einhaltung der guten fachlichen Praxis durch die Anwender der Wirtschaftsdünger erschwert bzw. teilweise unmöglich gemacht wird. Auch die Erwägung, der beabsichtigte Schutz der Umwelt wiege schwerer als die wirtschaftlichen Interessen des Unternehmens, sei hinreichend belastbar.
Der Behörde sei darin zuzustimmen, dass das Unternehmen durch das Angebot von „Gülle und Mist ohne Nachweis“ seine Vertragspartner dazu veranlasst, sich ihrerseits nicht an die nach den düngerechtlichen Verordnungen zu halten. Ebenso zeige er durch die Schaltung einer solchen Annonce erneut, dass er selbst nicht gewillt sei, derartige Verpflichtungen zu erfüllen. Dagegen sei die Transparenz der Abgabe und Aufnahme von Wirtschaftsdüngern durch verschiedene Akteure entscheidende Voraussetzung dafür, dass die Behörde ihren Überprüfungspflichten nachkommen und infolgedessen ein Ausbringen und Verwerten von Wirtschaftsdüngern entgegen der guten fachlichen Praxis verhindern könne. Nur durch die Einhaltung auch der vorangehenden Meldepflichten durch alle beteiligten Abgeber, Empfänger und Anwender werde die Behörde in die Lage versetzt, einer Überdüngung effektiv entgegenwirken zu können, die vor allem erhebliche Gewässer- und Bodenbelastungen zur Folge hat.
Die im Kern wirtschaftlichen Interessen des Antragstellers, nämlich für den Vertrieb von Gülle und Mist mit dem Zusatz „ohne Nachweis“ um zusätzliche Kunden zu werben sowie Abgaben und Aufnahmen von Wirtschaftsdünger nicht im Rahmen des „Meldeprogrammes Wirtschaftsdünger Niedersachsen“ anzuzeigen, müssten vor dem Hintergrund der oben zusammengefasst dargestellten Rechtslage gegenüber dem Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter wie Boden und Grundwasser zurückstehen, zumal eine Schädigung aufgrund mangelnder Überwachung und Kontrolle der Düngung durch die Antragsgegnerin irreversibel wäre.
Um die Bedeutung des Grundwasserschutzes zu unterstreichen, betont das Gericht, dass die Nitratwerte im deutschen Grundwasser zu den höchsten in der gesamten EU zählen. Belastetes Grundwasser könne nicht ohne weitere Maßnahmen als Trinkwasser genutzt werden; es müsse verdünnt oder biologisch bzw. chemisch aufbereitet werden. Die Aufbereitung sei notwendig, da eine vermehrte Aufnahme von Nitrat über das Trinkwasser die menschliche Gesundheit beeinträchtigen könne: Nitrat kann im Verdauungstrakt zur Bildung von krebserregenden Verbindungen und der dadurch bedingten Entstehung von Tumoren führen und bei Säuglingen zur akuten Säuglingsblausucht.
In oberirdischen Binnengewässern sowie der Nord- und Ostsee könnten durch eine Stickstoffüberversorgung - oftmals toxische - Algenblüten und in den küstennahen Zonen sogenannte sauerstofffreie Zonen entstehen. Die Biodiversität in diesen Zonen könne durch solche Umweltveränderungen auf lange Zeit erheblich beeinträchtigt sein, so das Gericht unter Verweis auf den Bericht der Bundesregierung zum Stickstoffeintrag in die Biosphäre . In den letzten Jahren sei auch keine spürbare Reduzierung der Nitratbelastung im Grundwasser und der Eutrophierung der Küstengewässer festzustellen gewesen. Insbesondere in Niedersachsen werde der Grenzwert von 50 Milligramm Nitrat pro Liter fast landesübergreifend nicht eingehalten, so das Gericht unter Verweis auf den Bericht. Ein weiterer Bericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2016 zur Gewässerqualität in Niedersachsen komme sogar zu dem Ergebnis, dass 47 Prozent aller Grundwasserkörper bezogen auf Nitrat in einem schlechten chemischen Zustand sind .
Erhöhte Stickstoffbelastungen wirken sich negativ in den Bereichen Wasserwirtschaft, Trinkwasserversorgung, Naturschutz sowie nicht zuletzt - über die Trinkwasser- und Bodenbelastung - im Bereich der Gesundheitsvorsorge aus, stellt das Verwaltungsgericht Oldenburg fest. Um die vorgegeben Ziele des novellierten Düngerechts – den Schutz des Grundwassers und der Böden vor übermäßigen Nitrateinträgen und die Reduzierung der Ammoniakemissionen – zu erreichen, sei die Einhaltung der guten fachlichen Praxis bei der Düngung unerlässlich. Demgegenüber sei der Eingriff in den Rechtsbereich des Unternehmens gering: Es werde durch die streitgegenständliche Verfügung nicht daran gehindert, seine Tätigkeit weiter zu betreiben. Die Anordnungen schränkten nur Randbereiche der Unternehmensführung ein und seien nicht im Ansatz mit einer – ebenfalls zu erwägenden – Gewerbeuntersagung zu vergleichen.