Prinzipiell sei es möglich und umweltökonomisch sinnvoll, den Arzneimittelsektor für Maßnahmen zur Reduktion von Mikroschadstoffen in Gewässern durch eine Abgabe in die Pflicht zu nehmen, heißt es in dem Gutachten. Die Abgabe könne einen Beitrag zur Finanzierung der Nachrüstung von kommunalen Kläranlagen mit einer vierten Reinigungsstufe leisten.
Für die tarifliche Ausgestaltung einer Arzneimittelabgabe empfiehlt das Gutachten, einen zweistufigen Tarif vorzusehen. Zunächst sollten alle Wirkstoffe nach ihrer Menge einer Regelveranlagung unterworfen werden. Für Stoffe, über die bereits belastbare Informationen über deren Gewässerbelastungspotential vorliegen, werde ein erhöhter Satz fällig. Für Wirkstoffe, die nachweislich nur in geringem Umfang gewässerrelevant sind, komme eine Befreiung von der Abgabepflicht in Betracht.
Als Ergänzungen zu einer Abgabe seien preisrechtliche und informatorische Flankierungsinstrumente sinnvoll, um die Wirkung der Abgabe zu sichern und zu unterstützen. So könne eine gewässerbezogen erhöhte Zuzahlung der versicherten Anwender der Arzneimittel eine Möglichkeit darstellen, die Anwender auch im Bereich der von den Krankenkassen getragenen Arzneimittel verursachergerecht zur Refinanzierung der Arzneimittelabgabe heranzuziehen und so zu sensibilisieren. Dafür könne schon ein geringer, symbolischer Beitrag ausreichend sein.
Eine Arzneimittelabgabe kann dem Gutachten zufolge allerdings andere Finanzierungs- und Steuerungsinstrumente einer umfassenden Strategie gegen Mikroverunreinigungen in Gewässern nur ergänzen. Dabei kämen ihr drei grundsätzliche Funktionen zu: So solle die Abgabe eine ökologische Lenkungsfunktion zur Entlastung der Gewässer entfalten, was vor allem dann der Fall sei, wenn die Abgabe gezielt gewässerproblematische Stoffe verteuere und dabei zusätzlich noch deren Risikopotenzial differenziert berücksichtigen könne. Die von der öffentlichen Hand durch die Abgabe eingenommenen Mittel - das so genannte Aufkommen - sollten als spezifische Finanzierungsfunktion möglichst zur Refinanzierung von Kosten der Aufrüstung kommunaler Kläranlagen mit einer vierten Reinigungsstufe eingesetzt werden können. Darüber hinaus solle die Abgabe als verursacherbezogene Abgabe im Arzneimittelsektor Umwelt- und Ressourcenkosten, die durch den Eintrag von Mikroverunreinigungen bewirkt werden, ausgleichen. Schließlich sollte eine Abgabe dem Gutachten zufolge sozialverträglich sein. Die Sozialverträglichkeit werde schon jetzt grundsätzlich durch die Deckelung der Zuzahlungen berücksichtigt und würde daher auch durch eine weitere Zuzahlung infolge einer Arzneimittelabgabe nicht in Frage gestellt werden.
Die Gutachter kommen zu dem Schluss, dass eine Arzneimittelabgabe grundsätzlich sowohl bei Herstellern und Importeuren als auch beim Großhandel und bei Apotheken in Betracht komme. Eine Anknüpfung auf der Entscheidungsstufe der Ärzte und der Anwender von Arzneimitteln scheide wegen hoher Transaktionskosten aus.
Da sich auf der Herstellungsstufe getroffene Entscheidungen auf alle nachfolgenden Stufen auswirkten, besitze ein auf der Herstellerstufe platzierter Preisimpuls auch die größte Reichweite aller denkbaren Abgabenlösungen. So seien etwa Tier- und Humanarzneimittel – ebenso wie verschreibungspflichtige und nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel – zunächst einmal gleichermaßen betroffen. Eine Abgabe auf der Herstellungsstufe entfalte eine Lenkungsfunktion, da ökonomische Entscheider, die über die chemische Zusammensetzung von Arzneimitteln bestimmen, mit der Abgabe konfrontiert würden. Allgemein sei die Lenkungswirkung der Arzneimittelabgabe auf Herstellungsstufe abhängig davon, ob sie bei der ökonomischen Abwägung der Arzneimittelhersteller als Kostenfaktor Relevanz erlangt. Dies ist besonders für den deutschen Markt in Frage zu stellen, da das Preisniveau von Arzneimitteln im Vergleich zu anderen Ländern sehr hoch ist und somit die Margen auf diesem Markt genügend Spielraum lassen dürften. In der Folge könnte das wirtschaftliche Kalkül der Hersteller von der Abgabe weitgehend unberührt bleiben. Die Hersteller würden dann die Abgabe bezahlen, ohne ihre Produktionsmuster nennenswert anzupassen.
Zudem könnten die Hersteller die entstehenden Abgabenkosten gezielt auf erstattungsfähige Produkte abwälzen, gibt das Gutachten zu bedenken. Vor allem die Nachfrage der Anwendenden, der Landwirtschaft und privaten Haushalte, dürfte so kaum Impulse erhalten. Die Mehrkosten landeten dann absehbar gezielt im Erstattungsbereich und somit bei den Krankenkassen.
Des Weiteren sollten die Mittel möglichst spezifisch für die Finanzierung der vierten Reinigungsstufe auf kommunalen Kläranlagen genutzt werden können. Das bedeute konkret, dass die Ausgestaltung der Abgabe einen rechtlich zulässigen Mitteltransfer von der Bundes- auf die Landesebene ermöglichen müsste.
Eine Arzneimittelabgabe könnte aber auch beim Großhandel und den Apotheken – also auf der Handelsstufe - anknüpfen und das Verkaufen von Arzneimitteln an die Anwendenden mit einer Abgabe belegen, heißt es weiter. Auf diese Weise würde dem Gutachten zufolge zumindest für die Arzneimittel, die nicht von den Krankenkassen refinanziert werden, der Abgabepreis direkt die gewässerbezogene Relevanz des Arzneimittels signalisieren. Auf der Handelsstufe würden sehr unterschiedliche Akteure wie z.B. Apotheken und Tierärzte mit der Abgabe konfrontiert, die im Direktkontakt zu den Anwendenden stehen und die Nachfrage zum Teil auch über werbliche Ansprache oder Beratungsdienstleistungen steuern könnten. Anders als auf eine Abgabe auf der Herstellerebene werde jedoch auf die Zusammensetzung und Zulassung von Produkten durch eine Abgabe auf der Handelsstufe kein Druck ausgeübt. Bei der Bewertung des Wirkungspotenzials sei grundsätzlich zwischen Tierarzneimitteln und verschreibungspflichtigen sowie nicht verschreibungspflichtigen Humanarzneimitteln zu unterscheiden. Bei verschreibungspflichtigen Humanarzneimitteln gehe die Lenkungswirkung komplett verloren, da die Abgabe für die Anwenderinnen und Anwender nicht sicht- und spürbar ist, sondern lediglich im Hintergrund zu einem Kostenschub bei Krankenkassen führe – ohne jeden Bezug zum individuellen Anwendungsverhalten. Bei nichtverschreibungspflichtigen Humanarzneimitteln und Tierarzneimitteln besitzt die Arzneimittelabgabe nach Einschätzung der Gutachter dagegen ein sehr hohes Wirkungspotenzial, da hier mit einer größeren Substitutionsbereitschaft der Anwendenden zu rechnen sei.