Jardin: Digitalisierung wird Wasserwirtschaft in allen Wertschöpfungsstufen durchdringen


Die Digitalisierung sei im Wesentlichen ein Hilfsmittel, um die Kernaufgaben effizienter, sicherer und nachhaltiger zu gestalten. Neue Geschäftsmodelle und neue Produkte werde sie in der Wasserwirtschaft jedoch nicht hervorbringen. Bei allen Chancen durch die Digitalisierung müsse die IT-Sicherheit angesichts der Verletzbarkeit öffentlicher Infrastrukturen immer eine überragende Bedeutung haben, unterstrich er.


Als Kernaufgaben in der Abwasserwirtschaft benannte Jardin den Gewässerschutz. Weitere Herausforderungen seien der demografische Wandel, die Urbanisierung, der Klimawandel, der Werterhalt technischer Anlagen, der Ressourcenschutz und die Servicequalität. Hier könne die Digitalisierung ansetzen. „Das Ganze sollte effizient und nachhaltig passieren“, sagte er. In der „Wasserwirtschaft 4.0“ könne der gesamte Wertschöpfungszyklus der Wasserwirtschaft miteinander vernetzt werden, so dass virtuelle und reale Systeme nebeneinander arbeiten. In den USA hingegen bedeute „Wasserwirtschaft 4.0“ eine stärkere Konzentration der Wasserkreisläufe hin auf einen geschlossenen Kreislauf. Dies beziehe sich nicht nur auf das Wasser, sondern auch auf alle Wertstoffe, Energie und die Verknüpfung von Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung.


In der Energie- und Wasserversorgung sei der Digitalisierungsgrad momentan eher mittelmäßig, führte Jardin weiter aus. Es sei erschreckend, dass laut einer Befragung 51 Prozent der Unternehmen der Energie- und Wasserwirtschaft die Digitalisierung nicht für notwendig erachten. „Für den Ruhrverband kann ich sagen, dass wir zu den 49 Prozent gehören, die die Digitalisierung für notwendig halten, um die Herausforderungen zu meistern“, betonte er. Der Verband habe vor zwei Jahren eine Digitalisierungsstrategie gestartet. Zentral sei dabei, Geschäftsprozesse mit Hilfe der Digitalisierung effizienter, leistungsfähiger, sicherer und qualitativ hochwertiger zu machen.


„Ein umfassendes Digitalisierungsprojekt in einem Unternehmen geht nur, wenn es auch in die Unternehmensstrategie eingebunden ist“, betonte Jardin. Wichtig sei auch, bei den Mitarbeitern Begeisterung und Verständnis für ein Digitalisierungsprojekt zu wecken. Er erläuterte in Essen anhand von sechs Handlungsfeldern, wie die Digitalisierung bereits heute in der Wasserwirtschaft genutzt werden kann. So spiele innerhalb der IT-Organisation eines Unternehmens der Einsatz mobiler Endgeräte eine immer größere Rolle. Die IT-Organisation müsse den Mehrwert und die Bedeutung neuer Technologien für das Gesamtunternehmen antizipieren und flexibel darauf reagieren. Auch spiele die bessere Kontrolle der Prozessabläufe in den technischen Anlagen durch Standardisierung und Automatisierung eine Rolle. Eine zentrale Steuerung etwa könne Kompetenz an einer Stelle auf einem sehr hohen Niveau bereithalten. Ähnliches gelte für das Instandhaltungsmanagement. Hier könne eine digitale Instandhaltung auch eine vorausschauende und vorbeugende Wartung unterstützen.


In der Analyse, Plausibilisierung und Bereitstellung großer Datenmengen sieht Jardin ein weiteres Handlungsfeld, bei dem eine zielgerichtete Nutzung des in den Daten liegenden Erkenntnis- und Finanzpotenzials im Vordergrund stehen sollte. Das sei eine sehr große Herausforderung, sagte er. Ebenso sei die Vernetzung wasserwirtschaftlicher Systeme als Handlungsfeld für die Erschließung zusätzlicher Potenziale untereinander zu verstehen, um die Ziele des Gewässerschutzes zu erreichen. Als letztes Handlungsfeld nannte Jardin Building Information Modelling (BIM), bei dem die physikalischen und funktionalen Eigenschaften eines Bauwerks beschrieben werden. Hier stehe die Wasserwirtschaft eher am Anfang, sagte er. Ziel sei die Integration der unterschiedlichen Projektphasen von der ersten Projektidee bis zur Inbetriebnahme einer Anlage und die Rückkopplung von Erfahrungen aus dem Anlagenbetrieb.