„Auf Basis der bislang bekannten Teilergebnisse können wir vorläufige Entwarnung geben“, sagte Projektleiter Professor Holger Schönherr vom Lehrstuhl für Physikalische Chemie der Uni Siegen. Wie die Hochschule mitteilte, wurden in dem Projekt Silber- und Titandioxid-Nanomaterialien untersucht. Das ERA-NET-Forschungsprojekt wurde mit insgesamt 1,1 Millionen Euro gefördert.
Die Forscher haben zum einen Proben aus dem österreichischen Mondsee analysiert, in den eine Kläranlage unmittelbar mündet. Zum anderen wurden am Fraunhofer Institut IME in Schmallenberg in Modellanlagen Klärprozesse simuliert. Die Zuläufe wurden mit Nanomaterialien angereichert, um anschließend Algen, Wasserflöhe und Fische aus den Kläranlagenausläufen zu untersuchen. „Wir haben die Proben chemisch, mikroskopisch, verhaltensbiologisch, molekular und biochemisch genauestens unter die Lupe genommen“, erklärte Schönherr.
Der Projektleiter und sein Siegener Kollege Professor Carsten Engelhard haben die Proben mit ihren Arbeitsgruppen mikroskopisch und vor allem massenspektrometrisch untersucht, berichtete die Hochschule weiter. Mit einem in Siegen weiterentwickelten, hochempfindlichen Messverfahren – der sogenannten Einzelpartikelmassenspektrometrie – konnten sie die Zusammensetzung und Größe der enthaltenen Nanopartikel bestimmen. Außerdem gelang es den Chemikern, zu analysieren, wie sich die Partikel in der Modellkläranlage durch den Klärprozess verändern. „In der Kläranlage können die Silbernanopartikel unter anderem zu Silbersulfid umgewandelt werden. Sie verbleiben als schwerlösliche Verbindung im Klärschlamm und sind damit für die Umwelt weniger schädlich“, erklärte Engelhard.
Um die Auswirkungen von Nanopartikeln aus Kläranlagen auf das Ökosystem noch weiter zu untersuchen, haben Biologen der Uni Siegen über einen längeren Zeitraum Wasserflöhe aus den Ausläufen der Modellkläranlagen beobachtet, hieß es weiter. Die Flöhe ernähren sich von Algen, an denen die winzigen Nanopartikel anhaften. Auswirkungen auf Fruchtbarkeit oder Sterblichkeit der Wasserflöhe habe man über sechs Generationen hinweg nicht feststellen können, sagte Professorin Klaudia Witte. „Auch in ihren Bewegungsmustern zeigten die Tiere keine Veränderung, wenn sie Silbernanopartikeln aus einer Modellkläranlage ausgesetzt wurden“, führte sie aus. Veränderungen seien jedoch zu beobachten, wenn sie sich in einer Lösung mit reinen Silbernanopartikeln bei gleicher nomineller Konzentration aufhielten.
Darüber hinaus haben Wissenschaftler aus Österreich im Rahmen des Projektes Fische im Mondsee untersucht, so die Uni Siegen. An der Universität Aveiro in Portugal würden Gewebeproben aktuell noch auf biochemischer Ebene analysiert. „In den Laboruntersuchungen konnten wir bisher herausarbeiten, unter welchen Bedingungen und ab welcher Konzentration die untersuchten Nanopartikel Auswirkungen auf die verschiedenen Stufen der Nahrungskette haben“, sagte Schönherr. Diese Konzentrationen lägen zumeist weit oberhalb der in den Feldstudien gefunden Konzentrationen. Aus Sicht der Wissenschaftler bestehe daher kein Anlass zur Sorge hinsichtlich toxischer Effekte.