Unwirksame Festlegung des Verbandsgebiets führt nicht zur Gesamtnichtigkeit der Satzung


Die Klägerin, die sich gegen die Heranziehung zu einem Wasserverbandsbeitrag wandte, ist Erbbauberechtigte eines Grundstücks und als solche Mitglied des in den 1970er Jahren gegründeten Wasserverbandes. Dieser zog sie im Juni 2014 für das Jahr 2014 zu einem Verbandsbeitrag in Höhe von 179,84 Euro heran. Darin waren mit Blick auf den Hochwasserschutz ein Grund- und ein Hochwasserschutzbeitrag von insgesamt 149,40 Euro enthalten.


OVG: Satzung bietet keine Grundlage dafür, Beiträge zu erheben


Nachdem das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen hatte, gab ihr das Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein mit der Begründung statt, die Verbandssatzung biete keine Grundlage dafür, Beiträge zu erheben. Denn die Satzung enthalte keine gültige Bestimmung des Verbandsgebietes, das in der Satzung selbst umschrieben werden müsse. Auch sei die Satzung in der Fassung vom 9. Dezember 2008 nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden. Dies führe mangels objektiver Teilbarkeit zur Gesamtnichtigkeit der Satzung.


BVerwG sieht durch Argumentation des OVG Bundesrecht verletzt


Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts verletzt diese Argumentation Bundesrecht. Das Oberverwaltungsgericht sei zwar zu Recht davon ausgegangen, dass die Umschreibung des Verbandsgebietes in der Satzung aus dem Jahr 2008 nicht den Anforderungen des § 6 Abs. 2 Nr. 3 Wasserverbandsgesetzes (WVG) entsprochen habe und nichtig sei (siehe Kasten). Daraus folge aber nicht, dass die gesamte Satzung nichtig sei.

Nach der Satzung umfasst das Verbandsgebiet „das Einzugsgebiet gemäß anliegender Übersichtskarte im Maßstab 1:35.000 innerhalb der im Verbandsplan gemäß § 4 genannten Verbandsgrenzen“. Die Planunterlagen würden von dem Gewässer- und Landschaftsverband  „fortgeschrieben und aufbewahrt“. Wie das OVG richtig festgestellt habe, sei die in der Satzung aus dem Jahr 2008 genannte „Übersichtskarte“ über das Verbandsgebiet nicht mit der Satzung bekannt gemacht worden, heißt es in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Es fehle damit an der erforderlichen Mitverkündung der die textliche Beschreibung der Grenzen des Verbandsgebietes ersetzenden Übersichtskarte.


Darüber hinaus werde in der Satzung zwar der Gewässer- und Landschaftsverband als zuständig für die Aufbewahrung der Planunterlagen genannt, jedoch fehle es an einer Regelung zur Zugänglichkeit der Unterlagen in der Amtsstelle des Gewässer- und Landschaftsverbandes während der Dienststunden. Schließlich kommt dem BVerwG zufolge maßgeblich hinzu, dass nach der Satzung  der Gewässer- und Landschaftsverband die Planunterlagen nicht nur aufbewahren, sondern auch fortschreiben soll. Insofern sei es nicht auszuschließen, dass sich eine Änderung der Festlegung des Verbandsgebietes außerhalb des Verfahrens einer Satzungsänderung vollziehen könne, was ebenfalls weder dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatz noch der Regelung des § 6 Abs. 2 Nr. 3 des Wasserverbandsgesetzes (WVG) gerecht werde.


Altverbände nicht von Pflicht zur Anpassung ihrer Satzungen freigestellt


Geringere Anforderungen an die Festlegung des Verbandsgebietes ergeben sich dem Urteil zufolge nicht daraus, dass es sich bei dem Beklagten um einen Altverband handelt, der bei Inkrafttreten des Wasserverbandsgesetzes am 1. Mai 1991 bereits bestand. Dies folge schon daraus, dass - wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausführt habe - die im WVG angeordnete Verpflichtung, das Verbandsgebiet in der Satzung zu umgrenzen, bereits vor Inkrafttreten des Wasserverbandsgesetzes durch das Bundesverwaltungsgericht aus dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot abgeleitet worden sei. Der Gesetzgeber habe die Altverbände insoweit nicht von einer Anpassungspflicht ihrer Satzungen an das neue Recht freigestellt.


Fehler bei Regelung zum Gebiet führt nicht zu Unwirksamkeit


Die Unwirksamkeit der Regelungen der Satzung über das Verbandsgebiet führt dem Urteil zufolge aber nicht dazu, dass die Satzung insgesamt nichtig ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei nach dem Rechtsgedanken des § 139 BGB von der Gesamtunwirksamkeit einer Norm auszugehen, wenn der fehlerbehaftete Teil mit dem übrigen Normgefüge so verflochten ist, dass die Restbestimmung ohne den nichtigen Teil nicht sinnvoll bestehen bleiben kann. Das sei dann der Fall, wenn der verbleibende Teil der Rechtsordnung nicht entspricht, etwa eine unter Gleichheitsaspekten unzureichende Regelung darstellt oder den gesetzlichen Regelungsauftrag verfehlt.

 

OVG wird Maßstäben nicht in vollem Umfang gerecht


Diesen Maßstäben sei das Oberverwaltungsgericht bei der Beantwortung der Frage, ob die Unwirksamkeit der Umschreibung des Verbandsgebietes in der Satzung die Nichtigkeit der Gesamtsatzung nach sich zieht, nicht in vollem Umfang gerecht geworden, heißt es in dem Urteil. Dem Oberverwaltungsgericht ist zwar beizupflichten, dass die Bestimmung des Verbandsgebietes nicht nur eine formelle Frage betrifft, sondern Grundlage dafür ist, dass der Beklagte seinen in § 3 der Satzung 2008 beschriebenen Aufgaben, wie der Abwasserbeseitigung, dem Gewässerausbau oder dem Hochwasserschutz, nachkommen und zur Finanzierung dieser Aufgaben seine Mitglieder im Wege der Beitragserhebung heranziehen kann. Ohne eine wirksame Bestimmung des Verbandsgebietes sei der Verband nicht in der Lage, seine Aufgaben als Körperschaft des öffentlichen Rechts zu erfüllen.


Daraus könne aber entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts nicht der Schluss gezogen werden, eine auf die Regelungen über die Verbandsorgane beschränkte Fortgeltung der Satzung scheide aus. Das Oberverwaltungsgericht leite dies aus dem Charakter des § 6 Abs. 2 Nr. 3 WVG als Mindestinhalt der Satzung her, ohne zu prüfen, ob bei einer Beschränkung der Nichtigkeit auf einen Teil der Satzung eine sinnvolle und rechtmäßige Restregelung bestehen bleibt. Dies ist aber nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts der Fall.


Sinnvolle und rechtmäßige Restregelung bleibt bestehen“


So hingen die Vorschriften über die innere Verfasstheit des Verbandes, insbesondere die Aufgaben der verschiedenen Organe, als solche nicht von der rechtmäßigen Umschreibung des Verbandsgebietes ab. Allein aus der Tatsache, dass die Satzung eine der gesetzlich festgelegten Mindestanforderungen nicht erfüllt, folge nicht, dass auch die Bestimmungen über die Verbandsverfassung mit höherrangigem Recht nicht vereinbar sind. Werde die „Nichtigkeit“ nicht auf die Bestimmungen über die Verbandsorgane erstreckt, sei es den Organen des Verbandes auch ermöglicht, die nichtigen Satzungsteile durch nicht mit Rechtsmängeln behaftete Bestimmungen zu ersetzen.


Führe die nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Umschreibung des Verbandsgebietes in der Satzung aus dem Jahr 2008 nicht zu deren Gesamtnichtigkeit, war der Verbandsausschuss für die Änderung der Satzung durch die 3. Nachtragssatzung zuständig, heißt es in dem Urteil weiter. Auf die Frage, ob ältere Satzungsbestimmungen das Verbandsgebiet zutreffend abgegrenzt haben, und wenn ja, ob insoweit eine Derogation des älteren Satzungsrechts anzunehmen ist, kommt es dem BVerwG zufolge nicht an.


BVerwG überlässt OVG Auslegung des Landesrechts


Ausschlaggebend für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides sei dann vielmehr die Frage, ob die in der 3. Nachtragssatzung vorgenommene Umschreibung des Verbandsgebietes den Mindestanforderungen des § 6 Abs. 2 Nr. 3 WVG entspricht. Diese Prüfung habe das Oberverwaltungsgericht nicht vorgenommen. Es habe darüber hinaus unter Hinweis auch auf Landes-Wasserrecht ausdrücklich offen gelassen, ob Wasser- und Bodenverbände einen Hochwasserschutzbeitrag in Form eines Mitgliedsbeitrags erheben dürfen. Da es sich in beiden Fällen auch um die Auslegung und Anwendung von nicht revisiblem Landesrecht handle, weist das BVerwG die Sache zurück und überlasse damit dem dafür in erster Linie zuständigen OVG die Auslegung des Landesrechts, heißt es in dem Urteil.