Ruhrverband: Spurenstoffe müssen an der Quelle vermieden werden


Der Ruf nach der Aufrüstung von Kläranlagen werde laut, sobald neue Substanzen in Gewässern entdeckt werden. Die jüngere Diskussion über antibiotikaresistente Bakterien in Flüssen und Seen ist nach Auffassung des Verbandes ein gutes Beispiel dafür: Selbst wissenschaftliche Institutionen des Bundes forderten eine vierte Reinigungsstufe, obwohl diese die Antibiotikaresistenzen im Kläranlagenablauf nicht nennenswert reduzieren könne.


Wie der Rückgang der Chemikalien von TOSU und perfluorierte Tenside (PFT) in der Ruhr oder der Erlass der Waschmittelgesetze in 1960er Jahren bewiesen, wirkten Maßnahmen an der Quelle effizient und nachhaltig, so der Verband. Die Forschungsvorhaben „Essen macht’s klar“ zu einem sorgsameren Umgang mit Medikamenten und „Merk’mal“ gegen den Eintrag von Röntgenkontrastmittel (RKM) in der Ruhr zeigen nach Auffassung des Ruhrverbandes, dass die Sensibilisierung der Bevölkerung für das Thema und die Anwendung des Verursacherprinzips erfolgreich seien.  


Verband verweist auf erfolgreiches Pilotprojekt


Im Rahmen von „Merk’mal“  seien über einen Zeitraum von vier Monaten hinweg in großen Mülheimer Krankenhäusern und Praxen, die Röntgenkontrastmittel verabreicht und Urinbeutel an Patienten verteilt worden. So gelangten die RKM den Angaben zufolge erst gar nicht in den Wasserkreislauf. Die Akzeptanz der teilnehmenden Patienten habe bei über 85 Prozent gelegen. Ein signifikant positiver Einfluss auf die Ruhrwasserqualität konnte dem Verband zufolge nachgewiesen werden.


Aufgrund dieser positiven Ergebnisse würden die Akteure das Pilotrojekt in einer zweiten Phase fortführen. Mit dem Ausbau der Kooperation mit Beteiligten aus dem Gesundheitswesen, den Kommunalverwaltungen und verschiedenen Institutionen soll eine überregionale und institutionelle Expansion und eine baldige Verstetigung verwirklicht werden. Des Weiteren gebe dieser Erfolg Hoffnung, dass derartige Maßnahmen auch für die Rückhaltung anderer Stoffe nachhaltig umsetzbar seien. „Das Projekt belegt, dass neben allem angewandten technischen Fortschritt in den Wasserwerken die Vermeidung an der Quelle die wahre Moderne im Gewässer- und Ressourcenschutz darstellt“, sagte Roland Rüther, Vorsitzender der AWWR.


Weitergehende Trinkwasseraufbereitung schreitet voran


Aus Vorsorgegründen werde die bisherige naturnahe Wasseraufbereitung aber in vielen Ruhrwasserwerken um zusätzliche technische Verfahrensschritte ergänzt, um den in der Ruhr vorkommenden organischen Spurenstoffen auch künftig optimal entgegentreten zu können. 2017 seien zwei weitere Wasserwerke der AWWR-Mitgliedsunternehmen umgebaut bzw. erweitert worden: das Verbundwasserwerk Witten der VWW GmbH sowie das Wasserwerk Witten der Wasserwerke Westfalen GmbH (WWW), wobei 20 Millionen Euro investiert worden seien. Die Verbundwasserwerk Witten GmbH (VWW) hat im vierten Quartal 2017 die ergänzte Ultrafiltration in Betrieb genommen, WWW die „weitergehenden Wasseraufbereitungsanlage“ des Wasserwerks Witten. Die Ablösung der chemischen Desinfektion durch Bestrahlung mit ultraviolettem Licht sei bereits im Vorfeld realisiert worden.


Die WWW setzten erneut auf die bereits im Wasserwerk Echthausen eingesetzte Schwerter Verfahren, eine Kombination aus Ozonung, Flockung, Mehrschichtfiltration und Aktivkohleadsorption mit physikalischen Nachbereitungsschritten.


Überwachung von 62 Substanzen im Rahmen des Monitoringprogramms


Das Monitoring von organischen Spurenstoffen durch die Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke an der Ruhr (AWWR), bei dem  Einträge von relevanten Spurenstoffen aus Landwirtschaft und industriellen und kommunalen Abwässern an repräsentativen Messstellen entlang der Ruhr untersucht werden, sei auch im Berichtsjahr 2017 eine der wichtigsten Maßnahmen im Rahmen der Versorgungssicherheit gewesen. Die Liste der untersuchten Stoffe werde regelmäßig auf neue Erkenntnisse hin angepasst; 2017 seien nunmehr 62 Substanzen von Flammschutzmitteln über perfluorierte Verbindungen bis hin zu Humanpharmaka im Oberflächenwasser überwacht worden.


Die Ergebnisse belegten, dass die vom Umweltbundesamt (UBA) festgelegten gesundheitlichen Orientierungswerte zumeist bereits im Rohwasser unterschritten worden seien. Dennoch zeige das Monitoring auf, dass bestimmte Stoffgehalte bzw. Stofffrachten durch den anthropogenen Einfluss im Flussverlauf zunehmen. Hier setze weiterhin die Forderung nach einer konsequenten Umsetzung des Vorsorge- und Verursacherprinzips an.


20 Prozent der Oberflächengewässer halten WRRL-Vorgaben ein


Die Vorgaben der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL), nach denen bis zum Jahr 2027 alle Gewässer in der EU in einem guten ökologischen Zustand sein müssen, werden im Einzugsgebiet der Ruhr den Angaben zufolge bei 20 Prozent der Oberflächengewässer  eingehalten, gegenüber einem bundesweiten Anteil von 6,6 Prozent. Allerdings kann eine Zustandsverbesserung nach Auffassung des Ruhrverbandes nur in sehr geringem Maße durch weitergehende Maßnahmen bei der Abwasserreinigung erzielt werden.


Bei Parametern nach der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL), die durch Kläranlagen beeinflussbar sind, wie beispielsweise Ammonium oder Phosphor, seien bereits 87 bzw. 82 Prozent der Gewässer des Ruhreinzugsgebiets in einem guten oder sehr guten Zustand. Hauptursache für die schlechte Bewertung sind den Angaben zufolge dagegen Mängel bei der Beschaffenheit der Gewässersohle, der Uferstrukturen, des Umfelds und der Durchgängigkeit des Gewässersystems. Der Ruhrverband bietet seinen Mitgliedskommunen Hilfe bei Planung, Ausführung und der finanziellen Abwicklung von Gewässerentwicklungsmaßnahmen an.