UBA-Bericht: Privatisierung im Wasserbereich gefährdet Behördenhandeln und Vollzugskontrolle


In Deutschland habe umweltrelevante Privatisierung sowohl auf kommunaler Ebene wie in der Wasserwirtschaft als auch auf Länderebene, u. a. bei Auslagerung von Teilen der gewässerschutzrechtlichen Zulassungs- und Überwachungsaufgaben statt. Sie erfolgte weitgehend in Form einer funktionalen Privatisierung, im Immissions- und Gewässerschutz ansatzweise auch als formelle Privatisierung. Der in den Bundesländern damit einhergehende Abbau von Kapazitäten beeinträchtige langfristig das Wissensmanagement, die Fähigkeit der Behörden zu konzeptionell-planerischem Handeln und die Vollzugskontrolle in unterschiedlichen Ebenen des Umwelt- und Naturschutzes.


„Schäden an Umwelt in Geld messbar machen“


Zu dem untersuchten Thema heißt es in dem Bericht, Vertreter und Vertreterinnen der Umwelt- und Ressourcenökonomik seien bestrebt, Methoden zu entwickeln, um Schäden an Umwelt, Biodiversität und Ökosystemleistungen in Geld messbar und bewertbar zu machen. Im Hinblick auf diese Monetarisierung seien zahlreiche Methoden entwickelt worden, um den ökonomischen Nutzen von Natur und Umwelt bzw. die Kosten ihres Verlustes zu beziffern. So nutzten Marktanalysen Marktdaten für die Bewertung von Umwelt und Natur.

Für am Markt gehandelte Dinge oder Leistungen würden direkte Marktpreise zugrunde gelegt, während für nicht über den Markt gehandelte Dinge und Leistungen Ersatzkosten geschätzt würden, z.B. die Kosten von Aquakulturanlagen als Maßstab für den Habitat-Wert eines natürlichen Gewässerökosystems zur Fischproduktion, Vermeidungskosten wie die potenziellen Kosten von Hochwasserschäden als Wertmaßstab für die Hochwasserschutzleistung einer natürlichen Auenlandschaft oder Opportunitätskosten wie etwa die wirtschaftlichen Erträge, die mit einem Flussausbau zur Steigerung des Binnenschiffverkehrs realisiert werden könnten, auf die aber verzichtet werde, um einen guten ökologischen Gewässerzustand und die daran anknüpfenden Ökosystemleistungen zu sichern, als Maßstab für den Wert dieser Leistungen. 


Input-Output-Analysen bewerten die Natur als Input- oder Produktionsfaktor


Wie es weiter heißt, bewerteten Input-Output-Analysen die Natur, z.B. Ökosystemleistungen, in ihrer Funktion als Input- oder Produktionsfaktor. Dies geschehe entweder auf Basis des Produktionsfunktionsansatzes, wenn beispielsweise die  landwirtschaftlichen Ertragsverluste infolge eines Bienensterbens als Wertmaßstab für die Bestäubungsleistung der Bienen herangezogen werden, oder des Nettofaktoreinkommens, wenn etwa die Differenz aus dem Erlös aus einer Wasserkraftanlage und den Kosten, die mit dieser Anlage verbunden sind, als Wertmaßstab für die Energieproduktionsleistung eines Gewässers genutzt wird.


Fallbeispiel: Zertifikate zur Besserung der Wasserqualität des Lake Taupo


Als ein Fallbeispiel für Erfahrungen mit der Schaffung von Umweltmärkten nennt der Bericht den Stickstoffzertifikatshandel in der Lake Taupo Region in Neuseeland. Im Wassereinzugsgebiet um den Lake Taupo, den größten Süßwassersee in Neuseeland, wurde 2009 ein System handelbarer Stickstoffzertifikate eingeführt. Ziel sei es, die vor allem durch bäuerliche Viehwirtschaft beeinträchtigte Wasserqualität des touristisch attraktiven Lake Taupo bis 2080 auf dem Niveau von 2001 wiederherzustellen.

Im Rahmen des „Cap and Trade“-Mechanismus würden Stickstoffzertifikate direkt zwischen Landnutzern – Landwirten und Waldbesitzern -  gehandelt. Dieses Reduktionsziel (die „Cap“) sei in individuelle, handelbare Zertifikate umgewandelt worden, die eine jährliche Obergrenze für die Stickstoffeinträge von rund 180 Marktteilnehmern bewirkten. Die Zertifikate seien kostenfrei auf Basis historischer, modellierter Emissionen ausgegeben worden. Zusätzlich solle ein öffentlicher Fonds bis 2020 20 Prozent der Stickstoffeinträge (Basisjahr 2001/2005) reduzieren, indem er Land und Stickstoff-Zertifikate aufkauft und letztere stilllegt.


Stickstoffintensivere Aktivitäten erfordern mehr materielle Pflichten


Innerhalb des Regimes erfordern stickstoffintensivere Aktivitäten mehr materielle Pflichten, Datenerhebung und Monitoring als weniger intensive Aktivitäten, heißt es in dem Bericht weiter. Erstere bedürfen einer für 25 Jahre gewährten Landbau-Genehmigung und eines Stickstoff-Managementplans. Im Rahmen eines engen Monitorings werde die Entwicklung der Stickstoffeinträge regelmäßig abgeschätzt. Bei Überschreitungen erlaubter Eintragsmengen oder sonstigen Verstößen existierten - allerdings eher eingeschränkte - Möglichkeiten einer Sanktionierung.


Steigerungen der Stickstoffeinträge durch Senkungen an
anderer Stelle auszugleichen


Das Zertifikatshandelssystem erlaube es den  Landwirten, von ihrer festgesetzten Eintragsmenge abzuweichen, wenn sie Steigerungen ihrer Stickstoffeinträge durch Senkungen an anderer Stelle ausgleichen könnten. Nur Landbesitzer innerhalb des Wassereinzugsgebietes dürften Zertifikate verkaufen bzw. kaufen, und zwar bis maximal für die Dauer der Landbau-Genehmigung. Sie können Zertifikate auch kurzfristig verpachten. Der Transfer von Zertifikaten zwischen zwei aufeinander folgenden Jahren („banking“ und „borrowing“) ist den Angaben zufolge nicht erlaubt. Für Landwirte mit hohen Kosten einer Stickstoffreduzierung lohnt es sich, Zertifikate anzukaufen, während es für Landwirte mit niedrigen Reduktionskosten rentabel ist, Reduktionen durchzuführen und Zertifikate zu verkaufen, heißt es in dem Bericht. Zertifikatsverkäufe beruhten auf bilateralen Verhandlungen zwischen an- und verkaufswilligen Landnutzern und müssten genehmigt werden.