Wasserentnahmeentgelt: Verrechnung soll Anreize zu freiwilligen Leistungen schaffen


In dem behandelten Fall wehrte sich das klagende Unternehmen der öffentlichen Wasserversorgung dagegen, zu Wasserentnahmeentgeltzahlungen in Höhe von 31.824,50 Euro für das Veranlagungsjahr 2015 herangezogen zu werden, heißt es in dem Urteil zum Sachverhalt. Zwischen dem Wasserversorger und der Landwirtschaftskammer NRW bestehen seit den 1990er Jahren Kooperationsvereinbarungen mit dem Ziel, gemeinsam Lösungen für die steigende Nitratbelastung des Grundwassers zu erarbeiten und umzusetzen. Aktuelle Grundlage der Kooperation ist eine schriftliche Kooperationsvereinbarung vom 1. Dezember 2008.


Auftrag über Erstellung eines Grundwasserströmungsmodells


Über fünf Flachbrunnen fördert der Versorger Grundwasser aus einer Tiefe von rund 10 m unter der Geländeoberfläche. Drei im Bereich des Wasserwerks  liegende Flachbrunnen können aufgrund einer zu hohen Nitratbelastung nicht mehr zu Trinkwasserzwecken genutzt werden.

Im Jahr 2014 beauftragte der Kläger ein Ingenieurbüro mit der Erstellung eines Grundwasserströmungsmodells für eines der Wasserwerke, mit dem die Strömungsrichtung des Grundwassers in dem oberflächennahen Grundwasserstockwerk ermittelt werden sollte, um die Herkunft, die Verteilung sowie die Konzentration von Nitrateinträgen in das Grundwasser klären zu können.


LANUV verrechnet erste Kosten für erste Arbeiten an Strömungsmodell


Im Rahmen der Festsetzung des für das Jahr 2014 zu entrichtenden Wasserentnahmeentgelts verrechnete das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV)  den Betrag von 27.156,60 Euro, den der Kläger für den Abrechnungszeitraum an das beauftragte Ingenieurbüro für erste Arbeiten an dem Grundwasserströmungsmodell entrichtet hatte, als verrechenbare Aufwendung zugunsten des Klägers mit dem Wasserentnahmeentgelt. Im Jahr 2015 zahlte der Kläger für die weiteren Arbeiten an dem Grundwasserströmungsmodell weitere 14.489,80 Euro an das Ingenieurbüro.


Versorger wollte belastetes Wasser zur Bewässerung einsetzen


Darüber hinaus erstellte das Ingenieurbüro im Auftrag des Klägers im Jahre 2015 ein „Konzept landwirtschaftliche Bewässerung“, für das der Kläger 17.334,70 Euro an das Ingenieurbüro zahlte. Mithilfe dieses Konzepts beabsichtigt der Versorger, einen Teil des von ihm geförderten Grundwassers, das den zulässigen Nitratgehalt der Trinkwasserverordnung überschreitet, an Landwirte außerhalb des Einzugsgebiets der belasteten Flachbrunnen zu transportieren und dort zur Bewässerung landwirtschaftlich genutzter Flächen einzusetzen.


Das LANUV wies die vom Kläger wiederum geltend gemachte Verrechnung der Kosten für die „Beratung Konzept landwirtschaftliche Bewässerung“ und das Grundwasserströmungsmodell für das Jahr 2015 zurück, da es sich nicht um Maßnahmen des vorbeugenden Rohwasserschutzes gehandelt habe. Die Behörde setzte für das Veranlagungsjahr 2015 ein Wasserentnahmeentgelt in Höhe von 49.201,32 Euro fest.


Der Wasserversorger erhob im Oktober 2017 Klage. Zur Begründung trug er vor, die Kosten für die Erstellung des Grundwasserströmungsmodells und des Konzepts landwirtschaftliche Bewässerung seien als Aufwendungen nach dem Wasserentnahmeentgeltgesetz Nordrhein-Westfalen (WasEG NRW) mit dem Wasserentnahmeentgelt zu verrechnen. Es handle sich um Aufwendungen, die aufgrund einer vertraglich vereinbarten Kooperation mit einer Landwirtschaftskammer für Maßnahmen zum Schutz des entnommenen Rohwassers entstanden seien.


Land: Lediglich vorbereitende Maßnahmen durchgeführt


Das beklagte Land beantragte, die Klage abzuweisen, da der der Kläger keine Maßnahmen zum Gewässerschutz durchgeführt habe. Das Grundwasserströmungsmodell diene der Identifizierung der Quelle von nitratbelastetem Wasser und könne lediglich als vorbereitende Maßnahme zum Gewässerschutz qualifiziert werden. Auch das Konzept landwirtschaftliche Bewässerung diene nicht dem Gewässerschutz, sondern habe zur Folge, dass nitratbelastetes Wasser weitertransportiert und an anderer Stelle wieder dem Grundwasser zugeführt werde.


Gericht: Zahlungen nicht mit Entnahmeentgelt zu verrechnen


Das Verwaltungsgericht Aachen hat die Klage des Wasserversorgers abgewiesen. Die für die Erstellung eines Grundwasserströmungsmodells und das Konzept landwirtschaftliche Bewässerung von dem Kläger an das Ingenieurbüro geleisteten Zahlungen seien nicht mit dem Wasserentnahmeentgelt zu verrechnen, heißt es in dem Urteil.


Denn bei dem Grundwasserströmungsmodell handle es sich zwar um eine Maßnahme zum Schutz des entnommenen Rohwassers. Die Maßnahme sei aber nicht auf Grund einer vertraglich vereinbarten Kooperation mit der Landwirtschaft durchgeführt worden, was die Voraussetzung für eine Verrechnung wäre. Der Kläger erfülle damit zudem eine gesetzliche Pflicht.


Maßnahmen müssen nicht unmittelbar gewässerschützend sein


Anders als das Land ist das Gericht aber der Auffassung, dass einer Verrechnung der für die Erstellung des Grundwasserströmungsmodells entstandenen Kosten nicht entgegensteht, dass es sich nicht um eine unmittelbar gewässerschützende Maßnahme handelt. Der Begriff der Maßnahme im Sinne des § 8 Abs. 1 WasEG NRW umfasse auch Tätigkeiten im Vorfeld konkret gewässerschützender Tätigkeiten. Der einschränkenden Auslegung des LANUV, wonach eine Maßnahme nur dann gegeben sei, wenn eine Handlung vorliege, die etwas Bestimmtes bewirken soll, folgt das Gericht nicht.


Auch die Einschätzung des LANUV, dass die Beobachtungen und Untersuchungen im Rahmen des Grundwasserströmungsmodells keine gewässerschützenden Maßnahmen darstellen könnten, ist dem Gericht zufolge nicht überzeugend. So werde die Messung der chemischen Zusammensetzung von Wasser in Artikel 6 der Nitratrichtlinie ausdrücklich als Maßnahme qualifiziert. Messungen und die Auswertung gewonnener Ergebnisse im Rahmen eines Grundwasserströmungsmodells erfüllten keinen Selbstzweck ohne darüber hinausgehende Wirkung - vielmehr seien sie eine wichtige Grundlage eines effektiven und effizienten Gewässerschutzes, stellt das Gericht fest.


Entscheidend sind Zweckrichtung und Zweckbindung einer Maßnahme


Das Grundwasserströmungsmodell diene auch dem Schutz des entnommenen Rohwassers. Entscheidend komme es auf die Zweckrichtung und Zweckbindung der Maßnahme an, heißt es in dem Urteil. Das Grundwasserströmungsmodell diene dazu, Erkenntnisse über die Herkunft, die Konzentration und Verteilung von Nitrat im Grundwasser zu gewinnen und damit als Grundlage für das Ergreifen gegebenenfalls notwendiger Schutz- und Gegenmaßnahmen, um eine Absenkung der Nitratkonzentration zu erreichen.


Keine vertraglich vereinbarte Kooperation mit der Landwirtschaft


Allerdings lässt sich dem Verwaltungsgericht zufolge entgegen der Darstellung des Wasserversorgers nicht feststellen, dass die Maßnahme  der Erstellung eines Grundwasserströmungsmodells auf Grund einer vertraglich vereinbarten Kooperation mit der Landwirtschaft oder einer Landwirtschaftskammer durchgeführt wurde.


Mit der Einführung des § 8 Abs. 1 WasEG NRW habe der Gesetzgeber unter anderem auch das Ziel verfolgt, das in Nordrhein-Westfalen praktizierte Kooperationsmodell zwischen Wasserversorgern und Landwirtschaft nicht durch die Einführung eines Wasserentnahmeentgelts zu belasten oder zu gefährden, heißt es in dem Urteil. Denn ohne die Verrechnungsmöglichkeit nach § 8 WasEG NRW träfe die entgeltpflichtigen Unternehmen der öffentlichen Wasserversorgung eine finanzielle Doppelbelastung mit der Zahlung des Wasserentnahmeentgelts einerseits und den Zahlungen an die Landwirtschaftskammer und an die Kooperation aufgrund der Mitgliedschaft in der Kooperation andererseits.


Der § 8 Abs. 1 WasEG NRW trage diesem Ziel Rechnung, indem er die Möglichkeit der Verrechnung für solche Maßnahmen vorsieht, die auf Grund einer vertraglich vereinbarten Kooperation getätigt wurden. Damit bedarf es dem Urteil zufolge eines Kausalzusammenhangs zwischen der vertraglich vereinbarten Kooperation und der durchgeführten Maßnahme, die eben durch die Kooperation veranlasst worden sein muss.


Dabei sei zumindest zu erwarten, dass das Ergebnis über die Durchführung konkreter Maßnahmen in Form eines Protokolls festgehalten wird, um die notwendige Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Entscheidungsfindung zu gewährleisten.


Im vorliegenden Fall gebe es aber keine Zustimmung der Kooperation zur Vornahme der streitgegenständlichen Maßnahme vor deren Beginn. Entsprechende Protokolle über eine Beschlussfassung lägen nicht vor.