Studie: Geringeres Gletschervolumen hat Konsequenzen für die Wasserversorgung


Um einschätzen zu können, wie sich Gletscher und die damit verbundenen Süßwasserreserven künftig entwickeln, aber auch wie sich der Meeresspiegel verändern wird, benötigten Forschende aktuelle Kenntnisse über das heutige weltweit vorhandene Eisvolumen.


Eisdicke von 215.000 Gletschern berechnet


Ein internationales Team von Gletscherforschenden unter der Leitung der ETH Zürich und der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) hat nun der ETH zufolge anhand von einer Kombination von verschiedenen Modellen die Eisdickenverteilung und damit das Eisvolumen von rund 215.000 Gletschern weltweit neu bestimmt. Die Forscher klammerten das Meereis sowie die zusammenhängenden Eisschilde Grönlands und der Antarktis von ihren Berechnungen aus, nahmen jedoch Gletscher, die nicht mit einem dieser Eisschilde verbunden sind, darin auf.


Das Eisvolumen all dieser Gletscher beträgt der Studie zufolge aktuell rund 158.000 Kubikkilometer (km3). Vor ein paar Jahren lag die Schätzung noch rund 18 Prozent höher. Die größten Gletscher-Eismassen liegen in der Arktis mit rund 75.000 km3, was nahezu der Hälfte des gesamten globalen Gletschervolumens entspreche. Es handelt sich dabei um Gletscher in der kanadischen und russischen Arktis sowie um solche an den Rändern Grönlands und auf Spitzbergen.


Gletscher gehen schneller verloren als angenommen


Nebst Alaska weisen die Gebirge Hochasiens mit 7.000 km3 die größten Eisvorräte außerhalb der Arktis auf. Die Studie zeigt, dass dieses Eisvolumen bislang überschätzt wurde: Das neu ermittelte Eisvolumen sei um 27 Prozent  kleiner als in bisherigen Schätzungen. „Aufgrund dieser Neueinschätzung müssen wir davon ausgehen, dass die asiatischen Hochgebirge ihre Gletscher schneller verlieren können als bisher angenommen“, sagte Daniel Farinotti, Professor für Glaziologie an der Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie (VAW) der ETH Zürich und an der WSL.


Bisher gingen Wissenschaftler davon aus, dass bis in die 2070er-Jahre die Gletscherfläche dieser Region um die Hälfte geschrumpft sein wird, nun dürfte dies bereits in den 2060ern der Fall sein – mit merklichen Konsequenzen für die Wasserversorgung. Die Gletscher Hochasiens etwa speisen große Flüsse wie Indus, Tarim und die Zuflüsse des Aralsees. Davon hängen wiederum hunderte Millionen Menschen ab.


Abflussmengen um bis zu ein Viertel reduziert


Die Forschenden rechnen damit, dass die gletscherbedingten Abflussmengen dieser Flüsse in den Sommermonaten der Jahre um 2090 je nach Modell bis zu 24 Prozent geringer ausfallen werden als heute. «Diese Differenz ist beunruhigend. Um den vollen Umfang genauer einschätzen zu können, sollten die regionalen Gletschervolumen besser vermessen werden», sagt Farinotti. Zurzeit läge in der Region nämlich nur sehr wenige Messungen der Eisdicke vor, mit denen die Modelle kalibriert werden könnten.


Aus ihren Berechnungen leiteten die Forscher zudem ab, dass die Gletscher respektive ihr Schmelzwasser den weltweiten Meeresspiegel bis zu 30 Zentimeter steigen lassen könnten – und zwar dann, wenn sie vollständig abschmelzen würden. Zwischen 1990 und 2010 stieg der Meeresspiegel aufgrund des Gletscher-Schmelzwassers um rund 1,5 Zentimeter.


Computermodelle und Eisdickenmessungen


Die Forscher benutzten für ihre Berechnungen eine Kombination von bis zu fünf unabhängigen Computermodellen. Mehrere Informationsquellen – etwa die Umrisse von Gletschern, die aus Satellitenbilder abgeleitetet wurden und digitale Höhenmodelle der Gletscheroberfläche – wurden darin der ETH Zürich zufolge mit Informationen über das Fliessverhalten der Gletscher kombiniert. Dies erlaube Rückschlüsse auf die räumliche Verteilung der Eisdicke. Um die Modelle zu kalibrieren, seien auch Eisdickenmessungen auf Gletschern verwendet worden. Diese stünden bis jetzt jedoch nur für etwa 1.000 Gletscher der Welt zur Verfügung, sagte Farinotti.


An der Studie arbeiteten die Forscher der ETH und der WSL den Angaben zufolge mit Wissenschaftlern der Universitäten Zürich und Freiburg (Schweiz), Erlangen-Nürnberg und Innsbruck sowie der Indischen Technischen Hochschule Mumbai zusammen. 


Die vollständige Studie ist unter dem Titel „A consensus estimate for the ice thickness distribution of all glaciers on Earth” im Magazin Nature Geoscience veröffentlicht.