Das Verwaltungsgericht Aachen untersagte der beklagten Behörde durch das vor dem OVG angefochtene Urteil, die Wasserführung eines Bachs so umzuleiten, dass das Wasser nicht mehr über das Grundstück der Kläger fließt, führt das OVG aus. Bei dem Bach handele es sich, soweit er über das Grundstück der Kläger fließe, um ein oberirdisches Gewässer im Sinne des Wasserhaushaltgesetzes (WHG), begründete das Verwaltungsgericht sein Urteil (Aktenzeichen: 6 K 1979/16 vom 8.11.2017). Der Bach fließe im Bereich des Grundstücks in einem offenen Gewässerbett und erfülle ökologische Funktionen. Durch seine Verrohrung außerhalb des Grundstücks sei er nicht dem natürlichen Wasserkreislauf entzogen. Die ohne Beteiligung der klagenden Eigentümer und ohne förmliches Verfahren beabsichtigte Umleitung des Wasserlaufs greife in das Eigentumsrecht der Kläger an ihrem Grundstück ein.
Übereinstimmung mit Gewässerdefinition des WHG
Dem OVG zufolge bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit dieses Urteils. Die Behörde erschüttere nicht die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass der Wasserlauf auf dem Grundstück der Kläger ein oberirdisches Gewässer ist. Das Verwaltungsgericht habe die Bejahung der Anforderungen an ein oberirdisches Gewässer auf vor Ort getroffene Feststellungen zur Führung des Wassers und seiner Funktion als Lebensraum für Tiere gestützt. Die von ihm angelegten Kriterien und deren Anwendung stimme mit der Definition nach § 3 Nr. 1 WHG überein. Durch diese Vorschrift sind oberirdische Gewässer definiert als das ständig oder zeitweilig in Betten fließende oder stehende oder aus Quellen wild abfließende Wasser.
Begrenzung kann künstlich geschaffen sein
Es sei nicht ernsthaft zu bezweifeln, dass der Wasserlauf auf dem Grundstück der Kläger über ein Bett im Sinne des WHG verfügt, in dem ständig oder zeitweilig Wasser fließt oder steht, stellt das OVG fest. Das Wasser befinde sich dort, wie auch in weiteren Abschnitten des Wasserlaufs zwischen der Straße und dem Einlaufbauwerk zum Regenwasserkanal sowie im Oberlauf ab der Quelle, in einer Eintiefung an der Erdoberfläche, die seiner Fortleitung dient. Dabei fließe das Wasser entsprechend den Geländeverhältnissen im freien Gefälle. Dem Vorhandensein eines Betts im Bereich des Grundstücks der Kläger stehe nicht entgegen, dass das Wasser in den offenen Fließstrecken unterhalb der Straße durch künstliche Baustoffe eingefasst ist. Denn die Begrenzung, die das Bett eines Gewässers kennzeichnet, kann dem OVG zufolge entweder natürlich entstanden oder auch künstlich geschaffen worden sein.
Nicht jede Einschränkung führt zum Fehlen der Gewässereigenschaft
Die für die Eigenschaft als Gewässer zentrale Einbindung des Wassers in den natürlichen Wasserkreislauf, die sich in der Teilhabe an den Gewässerfunktionen zeigt, könne zwar auch bei einer offenen Wasserfläche bzw. -führung als Folge der unteren und seitlichen Eingrenzung des Wassers durch künstliche Baustoffe fehlen. Die Teilhabe an natürlichen Prozessen wie Verdunstung und Aufnehmen von Regenwasser, die auch bei nach unten und zur Seite wasserundurchlässig abgedichteten Behältnissen mit Wasseransammlungen in technischen Anlagen stattfinden könnten, reiche unter Umständen nicht für die gebotene Einbindung des Wassers in den Wasserkreislauf aus. Aber es führe nicht jede Einschränkung oder Beeinträchtigung der Gewässerfunktionen dazu, dass die Gewässereigenschaft fehlt, heißt es in dem Beschluss. Sogar das Wasser in geschlossen verrohrten Teilstrecken von Gewässern sei nur dann vom natürlichen Wasserhaushalt abgesondert, wenn dies eine funktionsbezogene, wertende Betrachtung ergebe.
OVG: Auffassung der Behörde geht an Kriterium der Steuerbarkeit vorbei
Die Behörde ist demgegenüber der Ansicht, die frühere Eigenschaft des Wasserlaufs als oberirdisches Gewässer sei oberhalb des Grundstücks durch Verrohrung und räumliche Verlegung entfallen. Sie tritt dem OVG zufolge aber der Annahme des Verwaltungsgerichts, der Wasserlauf weise im Bereich der offenen Wasserführung am Grundstück der Kläger die natürlichen Funktionen eines oberirdischen Gewässers in Bezug auf Verdunstung, Versickerung, Aufnahme von Niederschlagswasser und ökologische Gesichtspunkte auf, nicht substantiiert entgegen.
Die Auffassung der Behörde, dass die ökologische Wertigkeit der vom Verwaltungsgericht hervorgehobenen offenen Fließstrecken des Wasserlaufs für ein Gewässer zu gering sei, setze Anforderungen an die Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit von oberirdischen Gewässern voraus, die an dem im gegebenen Regelungszusammenhang ausschlaggebenden Kriterium der Steuerbarkeit des Wassers vorbeigehen, stellt das OVG fest.
Zustand von Gewässern oft weit entfernt von naturnahen Verhältnissen
Die Qualität des ökologischen Zustands von oberirdischen Gewässern sei, zumal in von Bebauung oder sonstiger Nutzung beeinflussten Gebieten, vielfach weit entfernt von ökologisch wertvollen, annähernd naturnahen Verhältnissen und in dieser Beschaffenheit Bezugspunkt der Gewässerbewirtschaftung, heißt es in dem Beschluss. Die begrenzte Ausdehnung der offenen Fließstrecken im Wechsel mit verrohrten Teilstrecken führe ebenfalls nicht zu dem Schluss, dass das Wasser im Bereich des Grundstücks der Kläger nicht den für ein Gewässer notwendigen Zusammenhang zum Wasserhaushalt aufweise.
Gewässereigenschaft hängt nicht von Umfang der Wasserführung ab
Das OVG weist des Weiteren darauf hin, dass der Wasserlauf oberhalb des Grundstücks der Kläger mit einer Quelle beginnt. Er führt im Bereich des Grundstücks unter anderem das Wasser der Quelle mit der Folge, dass er die für ein fließendes oberirdisches Gewässer charakteristische Funktion als Vorfluter für das in seinem Einzugsbereich anfallende Niederschlagswasser und das aus dem Untergrund hervortretende Grundwasser hat. Die geringe Menge der Schüttung der Quelle von lediglich zwei bis drei Liter je Sekunde ändere nichts daran, dass das in der Quelle zu Tage tretende Wasser den offenen Bereich des Wasserlaufs am Grundstück der Kläger durchfließt und dadurch an der ihm im Naturhaushalt zukommenden Funktion als Vorfluter teilhat. Von einem bestimmten Umfang der Wasserführung hängt die Eigenschaft als oberirdisches Gewässer nicht ab, stellt das Oberverwaltungsgericht fest.
Entscheidend, ob Zusammenhang mit natürlichem Wasserhaushalt aufgehoben wird
Die Verrohrung des Wasserlaufs oberhalb des Bereichs des Grundstücks der Kläger führe zwar dazu, dass es insoweit an einem Gewässerbett fehlt. Das hat aber nicht zur Folge, dass die Gewässereigenschaft dort entfällt, wo, wie im Bereich des Grundstücks, ein solches Gewässerbett vorhanden ist. Bereits die Gewässereigenschaft verrohrter Teilabschnitte eines im Übrigen offen verlaufenden Gewässers entfalle nicht ohne weiteres. Entscheidend ist dabei dem OVG zufolge, ob durch die Verrohrung bei wertender Betrachtung der Zusammenhang des vom Wasserlauf geführten Wassers mit dem natürlichen Wasserhaushalt aufgehoben wird.
Sei das für den verrohrten Teilabschnitt des Wasserlaufs beiderseits der Straße zu bejahen, was das Verwaltungsgericht mit seiner Betrachtung der Situation im Bereich des Grundstücks der Kläger habe dahinstehen lassen, fehlt es laut OVG insoweit an der Gewässereigenschaft. Das bestimme aber nicht die Gewässereigenschaft des gesamten Wasserlaufs oder zumindest der Teilstrecke des Wasserlaufs im Bereich des Grundstücks der Kläger, in dem das Wasser nach dem Vorstehenden nicht vom natürlichen Wasserhaushalt abgesondert ist, sondern an den Gewässerfunktionen teilhat.
Ob Wasserlauf Gewässer ist, kann für einzelne Strecken unterschiedlich beurteilt werden
Ob ein Wasserlauf ein oberirdisches Gewässer ist, kann dem Beschluss zufolge für einzelne Strecken unterschiedlich beurteilt werden. Der gedankliche Ausgangspunkt der Behörde, das Wasser habe oberhalb des Grundstücks der Kläger durch die Verrohrung und die Verlegung aus dem ursprünglichen Bachbett die frühere Gewässereigenschaft verloren, die im Bereich der offenen Wasserführung auf dem Grundstück der Kläger nicht wieder auflebe, setze eine räumlich übergreifende Wirkung der Verrohrung voraus, die nicht im Einklang mit der Definition des oberirdischen Gewässers im WHG stehe. Soweit sich Wasser in einem Gewässerbett befindet und dort an den Gewässerfunktionen teilhat, stehe es im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Wasservorkommen in der Natur. Damit unterliege es dem Regime des Wasserrechts. Das Wasser sei der Steuerung nach Maßgabe wasserwirtschaftlicher Kriterien auch zugänglich, heißt es in dem Beschluss.