Bereits der Eintrag von Antibiotika in die Umwelt und die Gewässer ist zu verringern, um so die Risiken für die Struktur und Funktion natürlicher mikrobieller Gemeinschaften in der Umwelt zu begrenzen. Diese Auffassung hat der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) in seinem Ende Juni veröffentlichten und Umweltministerin Svenja Schulze übergebenen Sondergutachten „Demokratisch regieren in ökologischen Grenzen - Zur Legitimation von Umweltpolitik“ getroffen, in dem er sich den Antibiotikaresistenzen als einem Fallbeispiel widmet.
Eine besonders große Bedeutung für den Eintrag von Antibiotika und resistente Bakterien in die Gewässer haben laut SRU Kliniken bzw. städtische Abwässer mit Klinikeinfluss. Die dort zu findenden Antibiotikaresistenzen unterschieden sich deutlich von denen, die in ländlich geprägten Fließgewässereinzugsgebieten zu finden sind. Dabei ist das Wissen über regional differenzierte Einsatzmengen von veterinärmedizinisch genutzten Antibiotika aufgrund einer lückenhaften Erfassung sowie fehlender Zugänglichkeit und entsprechender Datenaufbereitung oft noch unzureichend, schreibt der SRU.
Im ländlichen Raum seien verschiedene antibiotische Wirkstoffe sowohl in Ausscheidungsprodukten behandelter Tiere in den Umweltmedien Boden, Oberflächen-, Grund- und Trinkwasser als auch in landwirtschaftlichen Pflanzen nachgewiesen. Beispielsweise hätten in vergleichenden Untersuchungen heutiger Böden mit archivierten Böden von 1940 aus den Niederlanden für einzelne Resistenzgene Zuwächse um mehr als das 15fache nachgewiesen werden können.
Zwar sei eine nachträgliche Beseitigung antibiotischer Wirkstoffe aus der Umwelt zum Teil möglich, etwa durch zusätzliche Verfahren in der Abwasserbehandlung; sie verursache aber hohe infrastrukturelle Kosten und setze nicht an der Ursache an. Ziel sollte es nach Auffassung des SRU deshalb eben sein, bereits den Eintrag von Antibiotika in die Umwelt zu reduzieren. Besiedlungen und Infektionen mit multiresistenten Keimen bei Mensch und Tier seien so gering wie möglich zu halten.
Derzeit kein flächendeckendes Monitoring von Antibiotika
Derzeit gibt es kein verpflichtendes und flächendeckendes Monitoring von Antibiotika und Resistenzen in der Umwelt, stellt der Sachverständigenrat fest. Das Umweltbundesamt (UBA) habe sich bereits dafür ausgesprochen, entsprechendes für problematische Arzneimittelwirkstoffe auf den Weg zu bringen. Parallel zum Monitoring spiele die Zulassung von Medikamenten eine weitere wichtige Rolle bei der Regulierung.
Im Rahmen von Zulassungsanträgen seien Umweltrisiken von Arzneimitteln seit den 1990er-Jahren zu prüfen. Beschränkungen des Einsatzes von Antibiotika aufgrund eines Umweltrisikos seien allerdings nur bei Tierarzneimitteln vorgesehen. Für Wirkstoffe, die vor 1993 bzw. 1990 zugelassen wurden, erfolgte jedoch keine nachträgliche Umweltrisikobewertung, und auch die neue EU-Tierarzneiverordnung (EU) 2019/6 sehe hier keine Änderung in der Gesetzgebung vor. Immerhin solle aber die Europäische Kommission dem Europäischen Parlament und Rat bis zum Jahr 2022 eine Studie zur Durchführbarkeit eines substanzbasierten Prüfungssystems zur Umweltverträglichkeitsprüfung vorlegen.
Der SRU verweist auf die Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie DART 2020, die sich für für den sachgerechten Einsatz von Antibiotika in der Tier- und Humanmedizin, die Fortbildung von Ärzten, aber auch die Förderung von Forschung etwa in der Wasseraufbereitung einsetzt. Nach dieser Strategie kann die Eindämmung der Entstehung und Ausbreitung von Antibiotika-Resistenzen nur sektorübergreifend erfolgen. Grundsätzlich sei im Umgang mit Antibiotika auch nach aktuellen Studien zum Teil noch ein deutlicher Handlungsbedarf festzustellen, konstatiert der SRU.
Wie es in dem Gutachten heißt, sind in Deutschland zwischen 1.000 und 4.000 Todesfälle pro Jahr auf multiresistente Keime zurückzuführen, und weltweit sterben jährlich schätzungsweise 700.000 Menschen durch multiresistente Keime. Darüber hinaus liege das Problem darin, dass weltweit zunehmend mehr Antibiotika und resistente Bakterien in die Umwelt gelangen, die dort verschiedene Resistenzen untereinander austauschen können.
Düngerecht: „kurze und undifferenzierte“ Stellungnahme in Gesetzesbegründung
Als weiteres Fallbeispiel führt der SRU in seinem Sondergutachten die Reform der von der Europäischen Kommission als unzureichend kritisierte Reform des Düngerechts aus dem Jahr 2017 auf. Die „kurze und undifferenzierte“ Stellungnahme in der Gesetzesbegründung für die 2017 beschlossene Novelle entspricht nach Auffassung des Sachverständigenrats der verbreiteten Praxis eines „formalen Abhakens“ der Nachhaltigkeitsprüfung. Dort heißt es, der Gesetzentwurf entspreche dem Grundsatz der Nachhaltigkeit, und vorteilhafte Auswirkungen könnten sich insbesondere auf den Schutz der Gewässer ergeben. Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung (PBnE) wertete die Darstellung der Prüfung als „plausibel“.
Es sei aber fraglich, ob eine zusätzliche rein interne Analyse einen Unterschied in der politischen Entscheidungsfindung gemacht hätte, gibt der SRU zu bedenken. Sei doch die Kritik an der Ausgestaltung der Reform dem Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) bekannt gewesen. Im Verlauf des Gesetzgebungsprozesses hätten sich verschiedene Akteure kritisch mit der geplanten Reform auseinandergesetzt, unter anderem auch wissenschaftliche Beiräte. So sei davon auszugehen, dass die Entscheidung, wie ambitioniert das Düngerecht ausgestaltet werden sollte, auf politischen Prioritäten sowie einer Abwägung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen einer strikteren Begrenzung der Düngemitteleinträge beruht habe, heißt es in dem Gutachten. Insgesamt illustriere der Fall, dass die Nachhaltigkeitsprüfung derzeit nicht die ihr zugedachte Funktion einer kritischen Prüfung erfülle.