Bundesregierung will schnellere Umsetzung des Bundesprogramms „Blaues Band“


Das BMU habe das Förderprogramm Auenrenaturierung gestartet. Zudem seien sich Bund und Länder einig, dass die Maßnahmen des „Blauen Bands“ bundesweit zentral geregelt werden sollen. Einem Gesetzentwurf des BMVI, mit dem die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) die hoheitliche Zuständigkeit für den wasserwirtschaftlichen Ausbau von den Ländern übernimmt, habe die LAWA im Mai zugestimmt, teilten BMU und BMVI mit.


Mit dem Bundesprogramm „Blaues Band Deutschland“ soll verstärkt in die Renaturierung von Bundeswasserstraßen und Auen investiert und sollen neue Akzente in Natur- und Gewässerschutz, Hochwasservorsorge sowie Wassertourismus, Freizeitsport und Erholung gesetzt werden. Dies gilt insbesondere für Nebenwasserstraßen mit einer Länge von ca. 2.800 Kilometern, die nicht mehr für den Güterverkehr benötigt werden. Aber auch im verkehrlich intensiv genutzten Kernnetz der Bundeswasserstraßen sollen Renaturierungsmaßnahmen für den Aufbau eines bundesweiten Biotopverbunds durchgeführt werden.


Regionale Entwicklungskonzepte werden vor Ort erarbeitet


Zur Umsetzung des Bundesprogramms haben BMU und BMVI einen Zeitraum von 30 Jahren und einen jährlichen Investitionsbedarf von 50 Millionen Euro angesetzt. Gemeinsam mit den Akteuren vor Ort würden nun regionale Entwicklungskonzepte erarbeitet, erklärten beide Ministerien. Im Fokus der 3. Statuskonferenz des Bundesprogramms standen das bisher Erreichte sowie die weitere rechtliche und organisatorische Gestaltung des Bundesprogramms.


„Wir wollen mit dem ‚Blauen Band’ einen Biotopverbund von nationaler Bedeutung aufbauen“, betonte der Parlamentarische Staatssekretär im BMU, Florian Pronold (SPD). Das gemeinsame Ziel sei ein bundesweites Netz von Lebensräumen an unseren Flüssen. Mit dem „Förderprogramm Auen“ würden ab jetzt Renaturierungsmaßnahmen an Bundeswasserstraßen geplant und durchgeführt. „Damit setzen wir neue Akzente in Richtung Natur- und Gewässerschutz, Hochwasservorsorge und Erholung.“


Das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) machte unterdessen darauf aufmerksam, dass starker Schiffsverkehr die Anzahl an Fischen in Flüssen deutlich verringert. Dies sei das Ergebnis einer aktuellen Studie von IGB-Forschern. Die Ergebnisse sollten im Bundesprogramm „Blaues Band Deutschland“ berücksichtigt werden, regte das IGB an.


Deutschland gehört zu den wichtigsten Standorten der europäischen Binnenschifffahrt


Deutschland sei mit rund 7.500 Kilometern an Wasserstraßen einer der wichtigsten europäischen Standorte für die Binnenschifffahrt. Auf zu Wasserstraßen ausgebauten Flüssen und Seen führen neben Transportschiffen auch Sportboote und Personenschiffe. Der Markt für die Freizeit -und Erholungsschifffahrt wachse stetig. Ein weiterer Trend gehe zu stärkeren Motorisierungen und höheren Transportkapazitäten.


Das IGB weist darauf hin, dass Nebenwasserstraßen mit dem „Bundesprogramm Blaues Band“ einerseits europäische Umweltziele erfüllen und andererseits die regionale Wirtschaft stärken sollen. Letzteres geschehe auch durch eine Förderung des Wassertourismus auf diesen Gewässern. Die ökologischen Auswirkungen eines regen Schiffs- und Bootsverkehrs auf Fischgemeinschaften in diesen Flüssen seien bisher jedoch unzureichend erforscht. Daher hätten Wissenschaftler des IGB untersucht, wie sich der Schiffsverkehr auf unterschiedliche Fischgemeinschaften in sechs großen europäischen Flüssen auswirkt.


Analyse von rund 400 Probebefischungen


Konkret wurden fast 400 Probebefischungen an 88 Stellen analysiert. Mit Hilfe mathematischer Modelle arbeiteten die Forscher heraus, wie stark Fischgemeinschaften abhängig vom Schiffstyp (Frachtschiff, Passagierdampfer oder Sportboot) oder abhängig von Schiffsfrequenz, transportierter Fracht, Schiffsgröße oder Anzahl der Leerfahrten beeinflusst und gefährdet werden.


Im Ergebnis zeige sich beispielsweise für den Rhein, dass dort viel zu wenige Fischarten vorkommen. Dies sei auch eine Folge des Schiffsverkehrs, betonte das IGB. Der Rhein sei mit täglich 264 Frachtschiffen der am meisten befahrene Fluss der Welt und trage mit 200 Millionen Tonnen Güter pro Jahr rund zwei Drittel der in Europa mit Schiffen transportierten Frachtmenge. Im Vergleich dazu führen auf der Oder im Durchschnitt nur 15 Frachtschiffe pro Tag, die insgesamt 500.000 Tonnen Güter pro Jahr transportieren. „Der Unterschied im Schiffsverkehr schlägt sich auf die Artenvielfalt nieder. Unsere Analysen bestätigten für den Rhein unterdurchschnittlich wenige Fischarten, für die Oder dagegen überdurchschnittlich viele“, sagte der Erstautor der Studie, Petr Zajicek.


Tiefgang der Frachtschiffe beeinträchtigt Artenvielfalt besonders stark


Frachtschiffe mit voller Ladung hätten den größten Tiefgang und damit potenziell einen besonders negativen Einfluss auf die Artenvielfalt in einem Fluss, führte das Institut weiter aus. Je schneller sie führen, desto stärker wirkten die physikalischen Kräfte einer Vorbeifahrt. So führten Bug- und Heckwellen zu „Absunk“ und Rückströmung, was Fische und andere Wasserlebewesen in ihren Lebensräumen beeinträchtige. Passagierdampfer und Sportboote hätten demgegenüber spezifische ökologische Wirkungen: Diese Bootstypen führen im Vergleich zu Frachtschiffen besonders schnell und erzeugten dadurch starke Sekundärwellen, die sich nahezu ungebremst im Gewässer ausbreiten und die Fischgemeinschaft noch in weit entfernten Uferzonen schädigen können.


Alle Schiffstypen führen dazu, dass die Anzahl der Fische mit zunehmender Schiffsfrequenz sinkt, resümierte das IGB. Dieser Effekt lasse sich beispielsweise bereits ab einer durchschnittlichen Vorbeifahrt von acht Frachtschiffen pro Tag nachweisen. Besonders empfindlich reagieren Fischarten, die auf Kies-Laichplätze und flache Uferzonen angewiesen sind, unterstrich das Institut.


IGB warnt vor Biodiversitätsverlust durch touristische Entwicklung


„Ohne die Revitalisierung flusstypischer Lebensräume wird die geplante touristische Entwicklung der Nebenwasserstraßen den Biodiversitätsverlust in unseren Flüssen eher beschleunigen als stoppen“, warnte Studienleiter und IGB-Forscher Christian Wolter. „Deshalb sollten nicht Wachstumserwartungen neuer Nutzungen, sondern ökologische Entwicklungspotenziale die Zielsetzungen künftiger Entwicklungsprogramme wie die des Blauen Bandes bestimmen. Eine ökologisch intakte, artenreiche und vielfältige Flusslandschaft wird mit Sicherheit neue und nachhaltige Nutzungspotenziale erschließen.“


Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) fordert von der Politik, dass das Bundesprogramm „Blaues Band Deutschland“ eine klare ökologische Zielrichtung erhält. Es brauche einen Fokus auf Renaturierung und Förderung einer naturverträglichen Freizeitnutzung, sagte BUND-Gewässerexpertin Laura von Vittorelli.


BUND fordert für „Blaues Band“ klare ökologische Zielrichtung


„Wird das Bundesprogramm Blaues Band so wie jetzt geplant umgesetzt, befürchten wir, dass bei weniger Güterschifffahrt vermehrt schnelle Freizeit-Motorboote auf den Nebenwasserstraßen unterwegs sein werden“, machte sie deutlich. Die im Bundesprogramm vorgesehene Förderung von Wassertourismus müsse deshalb daran gekoppelt werden, dass dieser Tourismus nachhaltig und umweltverträglich ist. „Wir fordern, dass alle Akteure – insbesondere das Bundesverkehrsministerium – sich der klaren ökologischen Ausrichtung des Bundesprogramms bewusst bleiben und nur solche Projekte fördern, die nachhaltig und umweltverträglich sind“, sagte von Vittorelli.