Die Antragsteller wandten sich im Hauptsachverfahren gegen den Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung von Oberbayern für die Errichtung eines Hochwasserrückhaltebeckens an der Mangfall im Ortsteil Feldolling der Gemeinde Feldkirchen-Westerham auf der rechten Mangfallseite, heißt es in dem Beschluss zum Sachverhalt.
Behörde ordnet sofortige Vollziehbarkeit an
Die Planung sieht die Errichtung eines gesteuerten Hochwasserrückhaltebeckens mit den zugehörigen Bauwerken, Nutzungen und Nebeneinrichtungen südlich der Mangfall vor. Die Staufläche des Beckens erstreckt sich bei Vollstau über eine Fläche von 115 ha, die größtenteils landwirtschaftlich genutzt wird. Die Planfeststellungsbehörde ordnete die sofortige Vollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses vom 19. Dezember 2014 und des Planergänzungsbeschlusses vom 22. Dezember 2017 an.
Durch einen Einstau bis zum vorgesehenen maximalen Stauziel von 535 m über NN wird im Hauptbecken ein Volumen von 4,62 Millionen Kubikmeter gespeichert, erläutert der VGH. Durch die Einbeziehung der Unterwasserbecken des Kraftwerks auf der Ostseite des Projektgebiets könne dieses Volumen um 2,0 Millionen Kubikmeter auf 6,62 Millionen Kubikmeter erhöht werden. Eine Befüllung des Hochwasserrückhaltebeckens sei zum einen für den Lastfall 1 vorgesehen, wenn an der Mangfall ein Hochwasserereignis größer HQ100 prognostiziert wird. Zum anderen könne für den Lastfall 2 eine Befüllung des Beckens erfolgen, wenn am Inn ein Hochwasserereignis größer HQ100 und gleichzeitig an der Mangfall ein Hochwasserereignis größer HQ30 erwartet wird.
Eigentümer landwirtschaftlicher Flächen bestreiten Planrechtfertigung
Die Antragsteller sind Eigentümer landwirtschaftlicher Nutzflächen, die durch das Vorhaben teilweise vorübergehend, teilweise dauerhaft in Anspruch genommen werden. Sie haben gegen die Planfeststellung Klagen erhoben, über die noch nicht entschieden worden ist. Sie bestreiten die Planrechtfertigung des Vorhabens und vertreten die Auffassung, die Planung verstoße gegen zwingendes Recht und weise Abwägungsfehler auf. Sie beantragen, die aufschiebende Wirkung ihrer Klagen gegen die Beschlüsse wiederherzustellen.
Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit dringend erforderlich
Der VGH hat die Anträge abgelehnt. Die Abwägung der hier im Raum stehenden Interessen falle zulasten der Antragsteller aus. Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit zur zügigen Herstellung des geplanten Hochwasserrückhaltebeckens sei angesichts der in den vergangenen Jahren eingetretenen immensen Hochwasserschäden zum wirksamen Schutz vor Hochwasser dringend erforderlich und könne nicht auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Das Pfingsthochwasser von 1999 und die Hochwasser vom August 2002, August 2005 und Juni 2013 hätten deutlich gemacht, welche Gefahren und Risiken für Leib und Leben von sehr großen Niederschlags- und Abflussereignissen ausgingen.
VGH verweist auf Risken durch Klimaveränderung
Aufgrund der Klimaänderung sei eine Häufung sehr großer Hochwasserereignisse prognostiziert, ohne dass vorhergesagt werden könne, wann das nächste sehr große Hochwasser stattfinden werde.
Die Herstellung eines ausreichenden Hochwasserschutzes sei daher als dringlich anzusehen. Der bei einem Bruch oder einer Überströmung der vorhandenen Deiche von Überschwemmung bedrohte Bereich umfasse die Gemeinden im gesamten unteren Mangfalltal und die Stadt Rosenheim. Im Falle einer suspendierenden Klage würde ein in diesem Zeitraum stattfindendes größeres Hochwasserereignis aller Voraussicht nach mit erheblichen Gefahren für Gesundheit, Leben und Eigentum der Bewohner der flussabwärts liegenden Siedlungen einhergehen; ebenso wären erhebliche Umweltschäden zu erwarten.
Errichtung des Hochwasserrückhaltebeckens bedarf eines Vorlaufs
Dadurch, dass der Sofortvollzug angeordnet ist, könne die Herstellung der Hochwasserschutzmaßnahmen weiterhin vollzogen werden, zumal die eigentliche Errichtung des Hochwasserrückhaltebeckens eines gewissen Vorlaufs bedürfe. Die Behörde hat sich dem VGH zufolge auch mit den Interessen der von der Planung Betroffenen auseinander gesetzt und komme dabei im Wege der Abwägung dazu, dass ein besonderes öffentliches Interesse am sofortigen Vollzug der planfestgestellten Maßnahme besteht.
Auch im Hinblick auf das Hauptsacheverfahren sprechen dem Oberverwaltungsgericht zufolge gewichtige, das Interesse der Eigentümer überwiegende Gründe dafür, dass Planfeststellung sofort zu vollziehen ist. Die gegen die Planrechtfertigung erhobenen Einwendungen der Antragsteller griffen voraussichtlich auch im Hauptsachverfahren nicht durch.
Planrechtfertigung durch Bedürfnis nach Verwirklichung gegeben
Das fachplanungsrechtliche Erfordernis der Planrechtfertigung sei für ein wasserrechtliches Vorhaben gegeben, wenn für seine Verwirklichung - nach Maßgabe der von den wasserrechtlichen Bestimmungen verfolgten Ziele einschließlich sonstiger gesetzlicher Entscheidungen - ein Bedürfnis besteht. Das sei nicht erst bei Unausweichlichkeit des Vorhabens der Fall, sondern bereits dann, wenn es vernünftigerweise geboten ist.
Hochwasserschutz an der Mangfalltal wird verbessert
Nach den Ausführungen im Planfeststellungsbeschluss vom 19. Dezember 2014 ist das Vorhaben Teil des Gesamtprojekts „Hochwasserschutz im unterem Mangfalltal“, das aus dem Ausbau der Deichstrecke zwischen Feldkirchen-Westerham und Rosenheim auf das Bemessungshochwasser HQ 100 zuzüglich eines Freibords von einem Meter und dem Bau des Hochwasserrückhaltebeckens als einem von insgesamt 16 Seitenpoldern besteht. Das Vorhaben diene dazu, den Hochwasserschutz für die im unteren Mangfalltal liegenden Städte und Gemeinden bei sehr großen Hochwasserabflüssen zu verbessern. Durch die Errichtung des Hochwasserrückhaltebeckens samt der Einbindung der Unterwasserbecken des Kraftwerks könne der Klimazuschlag, der den Klimawandel berücksichtigt, von 15 Prozent zum HQ 100 in diesem Bereich erfolgreich eingehalten und gleichzeitig die durch den Linienausbau bewirkte Abflussverschärfung, die sich nachteilig auf die Unterlieger der Mangfall auswirken würde, wirksam aufgefangen werden.
Hochwasserschutz maßgebliches Ziel von WHG und BayWG
Damit erweise sich das Vorhaben bei summarischer Prüfung als vernünftigerweise geboten. Der Schutz vor Hochwasser und Überschwemmungen stelle ein maßgebliches Ziel des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) und des bayerischen Wassergesetzes (BayWG) dar und sei ein wesentlicher Bestandteil des wasserhaushaltsgesetzlichen Bewirtschaftungssystems. Er werde in verschiedenen Vorschriften explizit angesprochen oder als übergeordnete Zielsetzung vorausgesetzt. Auch im europäischen Recht sei die wirksame Hochwasservorsorge und Begrenzung von Hochwasserschäden von überragender Bedeutung.
Nähere Erläuterungen zu Ausgleichs- und Kohärenzmaßnahmen erforderlich
Die Komplexität des Verfahrens erfordere aber weitere Auskünfte durch die Fachbehörden, die der VGH nur im Rahmen der Hauptsacheverfahren einholen könne, um die umfangreiche und komplexe Materie durchdringen und die Plausibilität der vorgenommenen Einschätzungen beurteilen zu können. So werden nach Einschätzung des VGH etwa nähere Erläuterungen zum verwendeten Grundwassermodell und zur geplanten Innendichtung, aber u. a. auch zu den Habitatanforderungen der Zauneidechse sowie zu den geplanten Ausgleichs- und Kohärenzmaßnahmen erforderlich sein. Auch zu der umfangreichen Prüfung der Standort- und Maßnahmealternativen seien noch Fragen offen, deren Klärung kann erst im Rahmen der Hauptsacheverfahren erfolgen könne.
Verzögerung der Bauzeit kann zu erheblichen Schäden führen
Dabei verkennt der Senat nicht, dass mit der Ausführung des Vorhabens, beginnend mit der Rodung des Pflanzenbewuchses und den Aufschüttungen, Eingriffe in die Natur und Landschaft erfolgen und Umgestaltungen eintreten, die nur mit großem Aufwand und lediglich langfristig rückgängig gemacht werden könnten. Davon sind auch geschützte Arten und unter FFH-Gebietsschutz stehende Flächen betroffen. Es sei aber zu berücksichtigen, dass auch eine Überschwemmung infolge eines durch die Verzögerung der Bauzeit eintretenden Hochwasserereignisses zu ganz erheblichen Schäden für den Naturhaushalt führen würde. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei der Schutz vor Überflutungen ein Gemeinwohlinteresse von überragender Bedeutung, stellt der VGH fest.