Auch wenn zahlreiche Kritikpunkte des EuGH-Urteils in der Düngenovelle vom Mai 2017 berücksichtigt worden seien, bestehen dem Gutachten zufolge weiterhin erhebliche Zweifel daran, ob mit den neuen Regelungen das unionsrechtlich vorgegeben Ziel, dem steigenden Nitratgehalt in den Gewässern erfolgreich entgegenzuwirken, erreicht werden könne.
So sei die quantitative Begrenzung der Ausbringung von Düngemitteln nach dem Grundsatz der ausgewogenen Düngung nicht ausnahmslos umgesetzt worden. Zudem litten die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ausnahmeregelungen unter ihrem wenig vollzugsfähigen hohen Abstraktionsgrad.
Die zeitlichen Verbote der Ausbringung von Düngemitteln, die aus fachlicher Sicht als noch immer unzureichend eingeschätzt würden, entbehrten der unionsrechtlich vorgeschriebenen Differenzierung nach bodenklimatischen Zonen. Der mit dem § 13 DV beschrittene Weg, die Länder zu entsprechender Regelung zu ermächtigen, bleibt dem Gutachten zufolge dabei zu pauschal und erfülle zudem nicht die dem Bund der Europäischen Union gegenüber obliegende Transformationspflicht.
Durch die unmittelbare Anknüpfung an diese zeitlichen Düngungsverbote beurteilt das Gutachten auch die Anforderungen an die Lagerung von Dung nach der DüV und der neuen Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) ebenso kritisch, obwohl sie teilweise präzisiert worden seien. Zudem erwiesen sie sich als nur unzureichend vollzugsfähig.
Einschränkung auf bestimmten Böden: Vollzug kaum realistisch
Des Weiteren kritisieren die Gutachter, dass der Bund beim Thema der Ausbringung von Dung auf stark geneigten Flächen insbesondere mit Blick auf den Weinbau, ungeachtet der im Vertragsverletzungsverfahren bestätigten abweichenden Sichtweise der EU-Kommission, grundsätzlich an seiner früheren Einschätzung festhalte.
Die Einschränkung der Düngung auf wassergesättigtem, überschwemmten, gefrorenen und schneebedeckten Böden erscheint den Gutachtern zufolge exemplarisch für einen formal-rechtlich hochkomplexen Regelungsansatz, dessen effektiver Vollzug durch die zuständigen Behörden als kaum realistisch eingeschätzt werden könne.
Auch Reform der Nitratrichtlinie naheliegend
Das gegenwärtige nationale Aktionsprogramm zum Schutz der Gewässer vor Nitrateinträgen leide unter der vielfach unzureichenden Steuerungsfähigkeit des geltenden Rechts, das „in weiten Teilen mit formal hochkomplexen, doch inhaltlich oftmals zu unbestimmten und zudem vielfach kaum effektiv vollzugsfähigen Standards operiert“, heißt es weiter. Zugleich würden damit in rechtsstaatlich problematischer Weise normative Entscheidungslücken in Kauf genommen und die Entscheidungsverantwortung auf nichtstaatliche Expertisen delegiert.
Diese Steuerungslücken machen die Gutachter auch auf der europarechtlichen Ebene selbst aus, was nach ihrer Auffassung auch eine ergänzende und konkretisierende Reform der Nitratrichtlinie nahelegt.
BDEW: Ziel mit aktuell geltenden Regeln nicht zu erreichen
Im Zuge der Vorstellung des Gutachtens betonte der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), dass auch das 2017 nachgebesserte aktuelle Düngerecht eine Reihe von Vorschriften und Regelungskonzepten aus dem alten, nicht richtlinienkonformen Recht beibehalten habe. Hinzu komme, dass auch mit den neuen Regelungen das unionsrechtlich vorgegebene Ziel, dem steigenden Nitratgehalt in den Gewässern erfolgreich entgegenzuwirken, nicht erreicht werden könne.
„Verlangen nach Moratorium provoziert erneute Klage“
Die Verurteilung Deutschlands durch den EuGH wegen der Nichtumsetzung der Nitratrichtlinie (Rechtssache C-543/16 vom 21.06.2018) wird nach Auffassung des BDEW von weiten Teilen der Politik in Deutschland negiert. Im Gegensatz zur EU-Kommission forderten diese Kreise ein Moratorium zur Düngeverordnung. „Damit wird eine erneue Klage und weitergehende Entscheidungen in Deutschland geradezu provoziert – und dies sogar mit großen Erfolgsaussichten“, sagte Martin Weyand, BDEW-Hauptgeschäftsführer Wasser/Abwasser.
Die in dem Gutachten herausgearbeitete nicht normative Umsetzungs- und Kontrollmöglichkeit von Regelungen erfordert nach Auffassung des BDEW zwingend die Einführung einer Umkehr der Beweislast. „Jetzt muss es endlich zu einer nachhaltigen Minderungsstrategie der Nitrateinträge kommen, um das Grundwasser tatsächlich und nicht nur auf dem Papier zu schützen“, sagte Weyand.