DUH verklagt NRW und Niedersachsen wegen schlechter Grundwasserqualität


Die Böden in Teilen beider Bundesländer könnten die hohen Stickstoffeinträge nicht mehr aufnehmen, und das Grundwasser wird dauerhaft belastet. Die Klage beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht ziele darauf ab, dass die beiden Bundesländer schnellstmögliche den Nitrat-Grenzwert von 50 mg/l im Grundwasser einhalten müssten. Die WRRL gebe vor, dass sich alle Gewässer in der EU in einem guten ökologischen und chemischen Zustand befinden müssen - doch der zulässige Nitrat-Grenzwert von 50 mg/l im Grundwasser werde an vielen Messstellen in der Region überschritten. 21 der insgesamt 40 Grundwasserkörper, beziehungsweise zwei Drittel der Gesamtfläche der Flussgebietseinheit (FGE) Ems auf deutschem Gebiet befinden sich in einem schlechten chemischen Zustand, so die Verbände. Hauptgrund dafür sei die Überdüngung, die zu überhöhten Stickstoffeinträgen führe.


In Niedersachsen, Deutschlands Agrarland Nummer Eins, werden 60 Prozent der Landesfläche landwirtschaftlich genutzt, schreiben DUH und BUND. In der Weser-Ems-Region, dem Zentrum der niedersächsischen Fleischproduktion, würden die meisten der fast 65 Millionen Masthühner und neun Millionen Schweine gehalten. Um die Massen an Gülle und Gärresten bedarfsgerecht auf die Felder auszubringen, müsste Niedersachsen jedoch 200.000 Hektar größer sein.


„Fehlgeleitete Agrarpolitik sorgt für desolaten Zustand der Gewässer“


Aus Sicht von BUND und DUH sorgt eine fehlgeleitete Agrarpolitik ohne klare Leitplanken für Umweltschutz und Tierwohl für die Überdüngung und den desolaten Zustand der Böden und Gewässer. Eine Orientierung auf den Export zu Weltmarktpreisen verschärft die Situation.


Der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt erklärte, DUH und BUND wollten die Bäuerinnen und Bauern beim Umbau der Tierhaltung nicht allein lassen, sondern Lösungen finden, bei denen gute Einkommen in der Landwirtschaft erzielt würden, sauberes Grund- und Trinkwasser gesichert sei und umwelt- und tiergerechte Produkte erzeugt würden, die die Menschen auf dem Teller haben wollten. Dazu müsse der Deutsche Bauernverband (DBV) seine Blockade gegen den Umbau in der Nutztierhaltung und der EU-Agrarförderung im Sinne sicherer Jobs, sauberen Wassers und hoher Qualitätsstandards in konventioneller und ökologischer Landwirtschaft beenden.


„Bundesregierung reagiert mit Salamitaktik“


BUND und DUH kritisieren, dass die Bundesregierung, statt nach der Verurteilung vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) engagiert den Gewässerschutz voranzubringen, mit einer Salamitaktik reagiert habe. Wie von Umweltverbänden vorhergesagt reiche die Düngeverordnung von 2017 nicht aus, um die Nitratbelastungen zu reduzieren. Bäuerinnen und Bauern werden mit unsicheren Vorgaben im Regen stehen gelassen. DUH und BUND fordern die beklagten Länder Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen auf, ein Maßnahmenprogramm für die Flussgebietseinheit Ems zu erstellen, das sicherstelle, dass der Grenzwert für Nitrat schnellstmöglich in allen Grundwasserkörpern eingehalten wird.


Konkret fordern DUH und BUND eine flächengebundene Tierhaltung von maximal zwei Großvieheinheiten pro Hektar. Der ökologische Landbau müsse stärker als bisher bei der Umstellung und Vermarktung mit den richtigen Anreizen gefördert werden.


Trinkwasseraufbereitung wird immer teurer


Die Organisationen weisen zudem darauf hin, dass die Trinkwasseraufbereitung durch die hohe Nitratbelastung immer teurer wird. In Niedersachsen werden rund 85 Prozent des Trinkwassers aus dem Grundwasser gewonnen. Um Trinkwasser vor Verunreinigungen durch Nitrat zu schützen und die Qualität zu erhalten, müssen Wasserversorger immer mehr investieren, so baden am Ende die Verbraucherinnen und Verbraucher mit der Wasserrechnung die Misere aus.


Die Rechtsanwältin Caroline Douhaire, die zu den Prozessbevollmächtigten der DUH zählt, sagte,  die verbindlichen Ziele zum Schutz des Grundwassers würden auch nahezu 20 Jahre nach Inkrafttreten der Wasserrahmenrichtlinie verfehlt. Dies sei auch mit Fristverlängerungs- und Ausnahmegründen nicht zu rechtfertigen. Die Bürgerinnen und Bürger hätten vielmehr ein Recht auf sauberes Wasser.


Weyand: Nitratgrenzwert kann endlich gerichtlich eingefordert werden


Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hat in einem Statement zur Klage der DUH betont, es sei notwendig, dass endlich europäisches Recht mit dem Nitratgrenzwert von 50 Milligramm pro Liter im Grundwasser in deutsches Recht umgesetzt wird. Martin Weyand, BDEW-Hauptgeschäftsführer Wasser/Abwasser, wies darauf hin, dass mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 3. Oktober 2019 endlich die Möglichkeit bestehe, diesen Wert auch gerichtlich einzufordern (Rechtssache C-197/18, Urteil vom 03.10.2019).


Die jetzt von der Bundesregierung vorgesehenen Regelungen reichen Weyand zufolge nicht aus, um eine nachhaltige Verminderung der Nitrat-Einträge zu erreichen. Der BDEW fordert eine flächenbezogene Reduzierung von Gülle um 20 Prozent für düngeintensive Anbaukulturen wie Weizen, Zuckerrüben und Kartoffeln sowie um 30 Prozent für Mais.


„Verrechnung mit Zielverfehlungen sollte nicht möglich sein“


Dabei sollte es nicht möglich sein, Zielübererfüllungen in einem Bereich mit Zielverfehlungen in einem anderen Bereich zu verrechnen, wie im aktuellen Vorschlag der Bundesregierung vorgesehen. Eine solche Durchschnittsbetrachtung löst die Probleme der vielerorts zu hohen Nitratbelastungen nicht. Der aktuelle Vorschlag der Bundesregierung bedeutet, dass das Düngen von düngeintensiven Sonderkulturen und Mais mit Flächen, die weniger gedüngt werden, schön gerechnet wird. Um die Nachvollziehbarkeit der Düngereduzierung zu gewährleisten, brauche es zudem eine Nachweispflicht für die Landwirtschaft und eine Umkehr der Beweislast, so dass nicht die Behörden die Einhaltung der neuen Regelungen nachweisen müssen."


Land NRW: Klage kontraproduktiv


Das Land Nordrhein-Westfalen hält die Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) für sauberes Wasser dagegen für nicht zielführend und kontraproduktiv. Es bestehe Anlass zur Sorge, dass ein Klageverfahren in der aktuellen Phase die Umsetzung zahlreicher Maßnahmen zur Senkung der Nitratwerte im Grundwasser ausbremsen könnte, teilte das Umweltministerium NRW mit.


„Die Klage der Deutschen Umwelthilfe stößt bei mir auf absolutes Unverständnis“, sagte Umweltministerin Ursula Heinen-Esser. Es bestehe kein Zweifel daran, dass die in einigen Regionen bestehenden Grundwasserbelastungen zurückzuführen seien. „Aber wir arbeiten seit Monaten mit dem Bund und der Europäischen Kommission an Maßnahmen, die zu einer Einhaltung der Nitratwerte in den besonders belasteten roten Gebieten führen. Uns ist der Ernst der Lage bewusst. Dafür benötigen wir keine zusätzliche Klage", so die Ministerin.


Obwohl die Nitratbelastung des Grundwassers insgesamt erfreulicherweise rückläufig sei, gebe es nach wie vor Gebiete, in denen die Nitratgrenzwerte im Grundwasser deutlich überschritten würden. „Dort müssen wir alles Erforderliche tun, das Grundwasser zu schützen und gleichzeitig die Landwirtinnen und Landwirte bei den enormen Herausforderungen in ihrem Engagement unterstützen“. Dafür würden wir praktikable Lösungen benötigt, sagte Ministerin Heinen-Esser.


„In Nährstoffkreisläufen denken“


Die Belastungssituation und Verteilung sei regional sehr unterschiedlich. Vor diesem Hintergrund seien im Rahmen der Verhandlungen über weitere Verschärfungen der Düngeregeln Lösungsansätze mit einer stärkeren Flexibilisierung erforderlich. Zudem gelte es noch stärker als bisher in Nährstoffkreisläufen zu denken, um Wirtschaftsdünger umweltverträglich und zugleich wirtschaftlich zu nutzen. Indem Nährstoffe aus Gülle, Mist und Ernterückständen speicher- und transportfähig gemacht werden, könnten sie überregional verwertet und gezielt eingesetzt werden.


Die Sorgen der Landwirtinnen und Landwirte angesichts drohender zusätzlicher Düngeanforderungen verstehe sie, sagte die Ministerin. Es gelte alles zu tun, um das Grundwasser zu schützen und den Landwirten zugleich unter die Arme zu greifen, damit sie die aktuelle Situation meistern könnten.