VGH: Maßnahmen der Gewässeraufsicht liegen im Ermessen der Behörde


Das Wohnanwesen ist nicht an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen; es verfügt über einen privaten Hausbrunnen zur Trinkwasserversorgung, heißt es in dem Beschluss zum Sachverhalt. Die südlich des klägerischen Anwesens gelegenen Grundstücke werden landwirtschaftlich genutzt. im Herbst 2015 waren in drei von 29 untersuchten Brunnen der Streusiedlung coliforme Keime nachgewiesen worden, allerdings nicht im Wasser aus dem Hausbrunnen der Klägerin.

 

VG Augsburg: Keine beachtliche Gefahr einer Beeinträchtigung

 

Die Klage der Eigentümerin, die beklagte Behörde zu verpflichten, die Ausbringung von Jauche, Gülle, Klärschlamm und anderem  Dünger auf den Ackerflächen südlich ihres Grundstücks im Abstand von bis zu 500 m zu untersagen sowie die Ausbringung von Dünger zu unterlassen und dies gegenüber den Grundstückspächtern sicherzustellen, wies das Verwaltungsgericht Augsburg mit einem – jetzt rechtskräftigen - Urteil im Mai 2019 ab (Aktenzeichen: Au 9 K 17.1139 vom 06.05.2019). Die Klägerin habe als „Drittbetroffene“ keinen Anspruch auf gewässeraufsichtliches Einschreiten, weil von der Düngung der südlich ihres Anwesens gelegenen Landwirtschaftsflächen keine beachtliche Gefahr einer Beeinträchtigung des Wasserhaushalts drohe, entschied das Verwaltungsgericht.

 

Auch der Zulassungsantrag vor dem VGH München hat keinen Erfolg. Die Wertung des Verwaltungsgerichts, dass der Klägerin nach § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG (siehe Kasten) kein Anspruch auf Untersagung der Ausbringung von Düngemitteln auf den landwirtschaftlich genutzten Flächen südlich ihres Anwesens zusteht, ist rechtsfehlerfrei, heißt es in dem Beschluss des VGH. Nach dem WHG ordnet die Kreisverwaltungsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen an, die im Einzelfall notwendig sind, um Beeinträchtigungen des Wasserhaushalts zu vermeiden oder zu beseitigen oder die Erfüllung von Verpflichtungen nach § 100 Abs. 1 Satz 1 WHG sicherzustellen.

 

Ob die tatbestandlichen Voraussetzungen im vorliegenden Fall gegeben sind, bedarf nach Auffassung des VGH keiner abschließenden Entscheidung.

 

Nur theoretische Möglichkeit einer schädlichen Einwirkung reicht aus

 

Mit dem Auffangtatbestand bezwecke der Gesetzgeber, schon im Voraus zu überprüfen, ob sich aus bestimmten Vorhaben, die keine Gewässerbenutzung im eigentlichen Sinne zum Ziel haben, aber ein gewisses Gefährdungspotenzial in sich bergen, Gefahren für den Wasserhaushalt ergeben können. Die danach vorausgesetzte „Eignung“ weise eine Maßnahme auf, wenn sich der Eintritt der in § 9 Abs. 2 Nr. 2 WHG angeführten Maßnahmen, die geeignet sind, dauernd oder in einem nicht nur unerheblichen Ausmaß nachteilige Veränderungen der Wasserbeschaffenheit herbeizuführen, nicht ausschließen lasse. Sei das Grundwasser betroffen, so reiche dafür schon die nicht ganz entfernte, nur theoretische Möglichkeit einer schädlichen Einwirkung aus.

 

Maßstab auf langfristigen Schutz des Grundwassers angelegt

 

Unter welchen Voraussetzungen das Düngen landwirtschaftlicher Flächen eine „unechte“ Gewässerbenutzung nach § 9 Abs. 2 Nr. 2 WHG darstellen könne, werde in Rechtsprechung und Schrifttum nicht einheitlich beurteilt. Das Verwaltungsgericht habe es unter Würdigung dieses Meinungsstands nicht ausgeschlossen, dass das Ausbringen von Gülle den „unechten“ Benutzungstatbestand des § 9 Abs. 2 Nr. 2 WHG erfüllt und damit der Anwendungsbereich des § 100 Abs. 1 WHG eröffnet ist.

 

Ob das von der landwirtschaftlichen Düngung ausgehende Gefährdungspotenzial hier einen Grad erreicht, der eine nachteilige Veränderung der Grundwasserbeschaffenheit erwarten lasse, ist nach Auffassung des VGH ebenfalls nicht entscheidungserheblich. Die Wendung „nicht zu besorgen“ sei dahingehend auszulegen, dass es mit einer an Gewissheit grenzenden, alle vernünftigen Zweifel ausschließenden Sicherheit nicht zu einer nachteiligen Veränderung der Wasserbeschaffenheit kommen darf. In zeitlicher Hinsicht sei der Maßstab auf langfristigen Schutz des Grundwassers angelegt.

 

Das zentrale Zulassungsvorbringen der Eigentümerin, das Verwaltungsgericht habe § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG nicht als präventive Vorschrift zur Gefahrenabwehr, sondern rechtsfehlerhaft als repressive Sanktion für eine bereits eingetretene, grenzwertüberschreitende Gewässerbeeinträchtigung verstanden, geht dem VGH zufolge ins Leere. Es lasse außer Acht, dass das Verwaltungsgericht einen Anspruch der Klägerin auf gewässeraufsichtliches Einschreiten nicht deshalb verneint hat, weil es die Möglichkeit eines Tätigwerdens als nicht eröffnet angesehen hätte. Vielmehr habe es darauf abgestellt, dass das Entschließungsermessen der Beklagten nicht „auf Null“ reduziert ist mit der Folge, dass diese nicht zugunsten der Klägerin als Drittbetroffene tätig werden musste. Das sei rechtlich nicht zu beanstanden.

 

Gewässeraufsicht wird im Interesse der Allgemeinheit wahrgenommen

 

Da die nach § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG zulässigen Maßnahmen liegen im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. Damit bestehe grundsätzlich kein Anspruch Dritter auf gewässeraufsichtliches Einschreiten, sondern nur ein solcher auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Die Gewässeraufsicht werde - wie jede Aufsicht - im Interesse der Allgemeinheit wahrgenommen.

 

Bei der Frage, ob die Behörde im Interesse Einzelner ausnahmsweise zum Einschreiten verpflichtet ist, seien Ausmaß und Schwere der Störung oder Gefährdung zu berücksichtigen – was bei Gefahren für die menschliche Gesundheit regelmäßig zu bejahen sei. Der Zulassungsantrag zeige aber nicht substanziiert auf, weshalb die Klägerin entgegen der verwaltungsgerichtlichen Wertung hier ausnahmsweise einen Anspruch auf gewässeraufsichtliches Einschreiten gegenüber der Beklagten haben sollte.

 

Das Zulassungsvorbringen, die Beklagte hätte auch ohne Überschreitung von Grenzwerten im Grundwasser tätig werden müssen, ist nicht stichhaltig. Dass im Herbst 2015 bei drei von 29 untersuchten Brunnen der Streusiedlung coliforme Keime nachgewiesen wurden, belege keine gesundheitliche Gefährdung der Klägerin. Im Wasser aus ihrem Hausbrunnen seien keine coliformen Bakterien festgestellt worden.

 

Dass Keimbelastung von Düngung ausgeht, ist nicht belegt

 

Das Vorbringen der Klägerin, dies spiele keine große Rolle, weil alle Abnehmer im Gebiet der Streusiedlung aus demselben Grundwasservorrat schöpften, überzeugt den VGH nicht. Denn es sei nicht belegt, dass diese Keimbelastung tatsächlich durch die landwirtschaftliche Düngung ihrer Nachbargrundstücke verursacht worden sei. Anhand der Art der Bakterien - keine Clostridium perfringens oder Escherichia coli - habe der Gutachter keinen Zusammenhang mit einer frischen Fäkalverunreinigung oder einem Oberflächenwassereinfluss erkannt; und in einem Fall sei die Ursache der Hausinstallation zugeordnet worden. Auch die am 12. November 2015 im Wasser aus dem klägerischen Brunnen gemessenen Koloniezahlen von 208 (bei 20°C) und 93 (bei 36°C) belegen keine gravierende wasserwirtschaftliche Gefährdung der Klägerin. Die teilweise erhöhten Koloniezahlen, die nicht die Grenzwerte der Trinkwasserverordnung erreichen, geben lediglich Hinweise darauf, dass das Grundwasser im Bereich der Streusiedlung nicht völlig unbelastet ist, heißt es in dem Beschluss.

 

Nutzungskonflikt muss nicht durch Düngeverbot gelöst werden

 

Dass die Anforderungen der DIN 2001-1 zur Trinkwasserversorgung aus Kleinanlagen und nicht ortsfesten Anlagen im Umfeld der Privatbrunnen der Streusiedlung „nicht oder nur höchst unvollkommen erfüllt“ sind und dass bei der Bemessung der engeren Schutzzone eines Wasserschutzgebiets die 50-Tage-Linie südlich des klägerischen Anwesens einen Abstand von 500 m zum Brunnen erfordern würde, verhilft dem Zulassungsantrag ebenfalls nicht zum Erfolg. Die beklagte Behörde sei nicht verpflichtet, den durch die genehmigte Wohnnutzung ohne Anschluss an die öffentliche Wasserversorgung entstandenen Nutzungskonflikt zwischen landwirtschaftlicher Bodenbewirtschaftung und privater Trinkwassergewinnung einseitig mit einem Düngeverbot zu lösen.

 

Desinfektionsmaßnahmen bei Brunnenbetreibern möglich

 

Denkbar wären auch Desinfektionsmaßnahmen bei den Brunnenbetreibern, worauf das Verwaltungsgericht bereits hingewiesen habe. Jedenfalls bestehe derzeit angesichts der Einhaltung der Grenzwerte der Trinkwasserverordnung noch kein zwingender Anlass, den Nutzungskonflikt durch gewässeraufsichtliche Maßnahmen zu lösen. Dass die streitgegenständlichen landwirtschaftlichen Flächen oberstromig des klägerischen Hausbrunnens liegen und dass dieser ein oberflächennahes Grundwasser fördert, ändert daran nichts, so der VGH.

 

Kein Schutzanspruch aus AwSV herzuleiten

 

Auch aus der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) kann die Klägerin dem Beschluss zufolge keinen Schutzanspruch herleiten. Das Gefährdungspotenzial der landwirtschaftliche Ausbringung von Düngemitteln nach guter fachlicher Praxis sei nicht vergleichbar mit demjenigen ortsfester Anlagen, in denen wassergefährdende Stoffe wie Jauche und Gülle gelagert werden, bei denen im Schadensfall ein großes Volumen wassergefährdender Stoffe am Anlagenstandort unkontrolliert austreten kann, stellt der BayVGH fest.

 

Schließlich greife auch das Vorbringen der Eigentümerin nicht durch, die Ausbringung von Klärschlämmen unbekannter Zusammensetzung könne einen „Cocktail“ gefährlicher chemischer Substanzen enthalten. Denn der Klärschlammerzeuger müsse den Klärschlamm vor der Abgabe auf diverse Schadstoffe untersuchen. Auch insofern habe das Verwaltungsgericht rechtsfehlerfrei darauf abgestellt, dass bislang keine Grenzwerte der Trinkwasserverordnung überschritten worden seien.