Hochschule Ruhr-West stellt Fondslösung für Maßnahmen gegen Medikamenteneinträge vor


Bei dem Modell würden die Hersteller verursachergerecht an der Finanzierung von Reinigungsleistungen beispielsweise von Medikamenteneinträgen beteiligt. Die Hersteller könnten dann wählen, welche umweltschonenden technologischen Maßnahmen für sie die ökonomisch effizientesten sind, um ihre Zahlungen in den Fonds so gering wie möglich zu halten. Damit werde ein technologieneutraler Anreiz zur innovativen Vermeidung von Spurenstoffen gefördert.


Einrichtung von Fonds mit Finanzmitteln der Verursacher


Grundsätzlich wird im Rahmen des Modells ein Fonds eingerichtet, dessen Finanzmittel sich aus Beiträgen aller Verursacher, der Hersteller und Importeure, der Spurenstoffproblematik speisen. Für die Koordinationsstelle des Fonds müsste nicht unbedingt eine neue Behörde geschaffen werden, heißt es in der Studie: Aufgrund großer Analogien zum Emissionshandel wäre beispielsweise eine Erweiterung der beim UBA verorteten Deutschen Emissionshandelsstelle denkbar, um Synergieeffekte zu nutzen und die administrativen Kosten zu minimieren.


Beiträge nach der Schädlichkeit der Spurenstoffe ermittelt


Als Verursacher gilt nach dem Modell jeder Hersteller oder Importeur, der spurenstoffbelastete Produkte in Verkehr bringt – unabhängig davon, ob in dem Gewässereinzugsgebiet, in dem er angesiedelt ist, eine Umweltqualitätsnorm-Überschreitung vorliegt oder nicht. Seine „Spurenstoffverantwortung“ – und damit seine etwaige Zahlungspflicht – bezieht sich somit auf die gesamte Bundesrepublik.


Fonds-Beiträge werden verursachergerecht gemäß der relativen Schädlichkeit der Spurenstoffe ermittelt, deren Bestimmung auf Basis von Umweltqualitätsnormen oder vergleichbarer Festlegungen erfolgen soll.


Beiträge dynamisch an Entwicklung der Spurenstoffeinträge angepasst


Durch fortlaufende Gewässeruntersuchungen, wobei sowohl diffuse Quellen als auch Punktquellen berücksichtigt würden, werden die Beiträge dynamisch an die Entwicklung der Spurenstoffeinträge angepasst – sowohl in Bezug auf aktuell nachweisbare und relevante Spurenstoffe, als auch hinsichtlich zukünftig neu identifizierter Spurenstoffe (UQN-Weiterentwicklung). Der internationalen Oberliegenproblematik solle dabei vollständig Rechnung getragen werden.


Fonds finanziert erweiterte Abwasserbehandlung


Wie es in der Studie weiter heißt, sie die angestrebte Fonds-Lösung technologieneutral, so dass Verursacher eigenständig entscheiden könnten, welche Maßnahmen sie zur Spurenstoffreduktion ergreifen wollten. Nach dem Modell führten Abwasserentsorger unter gewissen Voraussetzungen eine erweiterte Abwasserbehandlung zur Spurenstoffelimination durch. Zusätzliche entstehende Kosten dafür würden aus dem Fonds erstattet. Diese Systematik könne auch auf die Trinkwasserversorgung übertragen werden, falls ein Versorger Maßnahmen zur Spurenstoffreduktion im Rahmen der Trinkwasseraufbereitung durchführen muss.


Ebenso würden Kosten anwendungsbezogener Maßnahmen durch den Fonds gedeckt, deren zentrales Ziel die Sensibilisierung von professionellen und privaten Anwendern ist, um einen eintragsmindernden Umgang mit den entsprechenden Stoffen und Produkten zu induzieren.


„Gewässeruntersuchungen bestätigen den Ansatz“


Die Systematik der Fonds-Lösung wird in dem Gutachten beispielhaft anhand von Gewässeruntersuchungen von vier verschiedenen sondergesetzlichen Wasserverbänden aus NRW dargestellt. Daraus lassen sich der Studie zufolge zwei zentrale Erkenntnisse ableiten: Zum einen sei die im Untersuchungsgebiet zu konstatierende Spurenstoffproblematik im Wesentlichen auf relativ wenige Spurenstoffe zurückzuführen – auf die TOP-10-Spurenstoffe entfalle hinsichtlich der relativen Schädlichkeit ein Gesamtanteil von mehr als 95 Prozent und eine Erweiterung auf die TOP-20-Spurenstoffe erhöhe den gemeinsamen Anteil auf mehr als 98 Prozent. Zweitens seien 14 dieser TOP-20-Spurenstoffe in Produkten der Pharmaindustrie und der Pestizidindustrie enthalten. Angesichts dieser Untersuchungsergebnisse könnte die Anzahl der Verursachergruppen durch Einführung einer Obergrenzen-Regelung stark eingeschränkt werden, was positive Auswirkungen auf das Ausmaß des Informationsbedarfs hätte, heißt es.


Analogien zum Emissionshandel für Treibhausgase


Die Fonds-Lösung weist der Studie zufolge große Analogien zum bestehenden Emissionshandel mit Treibhausgasen auf. So könne jeder Verursacher kann eigenständig entscheiden, ob er Emissionsberechtigungen in Form von Zertifikaten erwirbt und Treibhausgase emittiert oder stattdessen in verfahrenstechnische Lösungen zur Emissionsminderung investiert. Diese Wahlfreiheit soll bei der Fonds-Lösung ebenfalls bestehen.


Im Rahmen einer Technologieneutralität könnten Verursacher die Reduktionsmaßnahmen eigenständig auswählen. In Verbindung mit der grundsätzlich freien Entscheidung über Zertifikate oder technische Lösungen führt dies nach Auffassung der Studienautoren dazu, dass die Emissionsminderung zu den volkswirtschaftlich geringsten Kosten erfolgt. Dies gelte ebenso für die vorgestellte Fonds-Lösung. Zudem sollten auch bei der Fonds-Lösung müssten Verursacher mit den jeweils in Verkehr gebrachten Mengen zentral erfasst werden.


„Dynamik führt zu größerem abwasserwirtschaflichen Engagement“


So wie die Summe der ausgegebenen Emissionsberechtigungen im Zeitablauf sinke, so dass es sich um ein dynamisches Instrument handle, bei dem sich der Preis für die Zertifikate endogen ergibt, sei auch die Fonds-Lösung durch viele Dynamiken gekennzeichnet. Dazu zählen der Studie zufolge ein größeres des abwasserwirtschaftlichen Engagements aufgrund von UQN-Überschreitungen sowie Anpassungsreaktionen von Herstellern.


Fonds-Koordinationsstelle sollte bei DEHSt angesiedelt sein


Des Weiteren schlagen die Studienautoren vor, die Fonds-Koordinationsstelle bei der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt) anzusiedeln, die seit 2005 den Emissionshandel organisiert. So könnten große Synergieeffekte erzielt werden, um die administrativen Kosten so gering wie möglich zu halten.


BDEW: Derzeit keine ökonomischen Anreize zur Vermeidung von Einträgen


Der BDEW hat bei der Vorstellung des Gutachtens darauf hingewiesen, dass  der Medikamentenkonsum in Deutschland Studien zufolge bis zum Jahr 2045 um bis zu 62 Prozent steigen werde. Derzeit existierten aber keine ökonomischen Anreize zur Vermeidung der Einträge; eine Verringerung sei aber sei aufgrund des zunehmenden Anstiegs über die gesamte Akteurskette dringend erforderlich. Sofern darüber hinaus noch eine weitere Reduzierung durch technische Maßnahmen notwendig sei, sei die verursachergerechte Beteiligung der Hersteller an der Finanzierung die ökologisch und ökonomisch effizienteste Lösung, so der BDEW.


Weyand: Anreiz, Einträge zu vermeiden oder Innovationen voranzubringen


„Die jetzige Finanzierung von Reinigungsleistungen kommt einer Lizenz zur Verschmutzung gleich. Der Spurenstofffonds ist eine ökologisch und ökonomisch effiziente Lösung, die Herstellern Anreize bietet, Einträge zu vermeiden oder Innovationen voranzubringen, um Rückstände in die Umwelt zu verringern“, sagte Martin Weyand, BDEW-Hauptgeschäftsführer Wasser/Abwasser. Auch müssten die verantwortlichen Stellen müssten bei der Zulassung verstärkt auf die Umweltverträglichkeit der Medikamente achten.


Ohne alternative Finanzierung könnte in Deutschland eine Belastung von bis zu 36 Milliarden Euro über einen Zeitraum von 30 Jahren entstehen, so der BDEW unter Berufung auf Berechnungen der nach Berechnungen der Beratungsgesellschaft Civity Management Consultants (vgl. EUWID 44.2018). Diese Kosten würden – mit der Finanzierung von Reinigungsleistungen über eine Abwasserabgabe – einseitig die Verbraucherinnen und Verbraucher belasten.


Zusammenhang mit Forderung der UMK


Der BDEW stellt die vorgeschlagene Fonds-Lösung auch in den Zusammenhang  mit einem Beschluss der Umweltministerkonferenz zur Spurenstoff-Strategie: Die UMK hat sich im Mai für eine stärkere Betonung der Herstellerverantwortung beim Thema Spurenstoffeinträge in Gewässer ausgesprochen (EUWID 21.2019). Im Hinblick auf die Spurenstoffstrategie des Bundes haben die Umweltminister der Länder das BMU gebeten, bei der weiteren Konkretisierung insbesondere die Fragen der Produkt- und Herstellerverantwortung stärker in den Blick zu nehmen.