Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung eines Wasserentnahmeentgelts. Sie betreibt ein Zentrallager mit einer Fläche von etwa 43.000 m², für das sie ganzjährig eine Kälteanlage nutzt, heißt es in dem Urteil zum Sachverhalt. Zu deren Betrieb entnimmt sie über zwei Entnahmebrunnen auf dem Grundstück Grundwasser. In Abhängigkeit von der jahreszeitbedingten Außentemperatur wird das Grundwasser entweder nur zur Kühlung von Büro- und Kühlräumen oder im Rahmen der entstehenden Abwärme auch zur Heizung des „Gebäudes“ eingesetzt.
Das danach abgekühlte oder erwärmte Wasser wird sodann über Schluckbrunnen ins Grundwasser wiedereingeleitet. Dazu erhielt die Betreiberin des Zentrallagers im Jahr 2015 wasserrechtliche Erlaubnisse vom Wasserwirtschaftsamt des Landratsamtes. Als Hinweis war vermerkt, dass für die Grundwasserentnahme ein Wasserentnahmeentgelt zu entrichten sei.
Keine Ausnahme von Entgeltpflicht
Nachdem die Klägerin gegenüber dem Landratsamt dargelegt hatte, dass sie für die Grundwasserentnahme und -wiedereinleitung kein Wasserentnahmeentgelt zu entrichten habe, setzte ihr das Landratsamt eine Frist zur Einreichung eines ausgefüllten Erklärungsbogens bis zum 30.11.2016. Das Landratsamt begründete die Aufforderung damit, dass die Kühlräume ganzjährig gekühlt würden. Diese Gebäude lägen unter 12° Celsius und seien nach dem Erneuerbare-Energien-Wärmegesetzes (EEWärmeG) von der Pflicht zur Nutzung erneuerbarer Energien ausgenommen. Dadurch liege kein Gebäude und damit keine Ausnahme von der Entgeltpflicht nach § 103 Nr. 4 Wassergesetz für Baden-Württemberg (WG) vor. Es handele sich somit bei den Kühlräumen um eine entgeltpflichtige Benutzung nach § 102 Satz 1 Nr. 2 WG.
Auf die Wassermengenmeldung von ca. 831.000 m³ entnommenes Wasser setzte das Landratsamt im März 2017 gegenüber der Klägerin für das Jahr 2016 ein Wasserentnahmeentgelt in Höhe von 42.417,47 Euro und zwei Vorauszahlungen für das Jahr 2017 über jeweils 21.208,73 Euro fest.
Klägerin legt Widerspruch ein
Gegen den Bescheid legte die Klägerin am im März 2017 Widerspruch ein; sie machte geltend, dass die Grundwasserbenutzung gemäß § 103 Nr. 4 WG von der Entgeltpflicht befreit sei. Entscheidend sei, dass das für Kühlungs- bzw. Heizungszwecke benutzte Grundwasser anschließend wieder in das Medium zurückgeführt werde, aus dem die Entnahme erfolgt ist, damit es im Grundwasser nicht zu fortlaufenden Entnahmen ohne Ausgleich komme. Von einer Kühlung oder Heizung eines Gebäudes könne vor diesem Hintergrund nur dann nicht mehr ausgegangen werden, wenn das entnommene Grundwasser zu Prozesszwecken eingesetzt werde. Bei dem zu kühlenden bzw. zu heizenden Zentrallager, einschließlich der dortigen Büro- und Kühlräume, handele es sich auch um ein Gebäude im Sinne der Norm, so die Klägerin.
Der Widerspruch wurde vom Regierungspräsidium Tübingen zurückgewiesen. Eine Entgeltfreiheit sei nicht gegeben, da es sich um kein Gebäude nach dem EEWärmeG handele, führte das Regierungspräsidium zur Begründung an.
VG Sigmaringen: Nutzung von Grundwasser ist entgeltpflichtig
Nach dem Urteil des VG Sigmaringen ist die vorliegende Nutzung von Grundwasser entgeltpflichtig. Auf eine Ausnahme der Entgeltpflicht könne sich die Klägerin nicht berufen. Bei dem von der Klägerin betriebenen Zentrallager – einschließlich der Kälteanlage für die Kühlbereiche – handle es sich nicht um ein Gebäude im rechtlichen Kontext des § 103 Nr. 4 WG in Verbindung mit dem EEWärmeG. Denn nach dem gängigen Wortverständnis des Begriffes sei ein „Gebäude“ ein vom Menschen errichtetes, meist oberirdisches, ortsfestes Konstrukt, das einen Raum oder mehrere Räume enthält.
Damit entspreche das Zentrallager zwar dieser Maßgabe, aber nur bestimmte Teile des Gebäudes, nämlich die Kühlräume, die einen Anteil von höchstens 30 Prozent der Gesamtfläche in Anspruch nähmen, würden maßgeblich gekühlt. Diese Kühlräume seien in einer räumlich getrennten Halle untergebracht. Nach dem Wortverständnis wäre dem VG zufolge zu erwarten, dass das gesamte Gebäude in den Genuss einer Kühlung bzw. Beheizung kommt, und nicht lediglich ein Gebäudeteil. Soweit die restlichen Hallen im Winter beheizt werden, betrifft dies ebenfalls nicht die Gesamtheit des Gebäudes.
Ausnahme nur für Wärme- und Kühlnutzung von Gebäuden insgesamt
Die Gesetzesbegründung der Novelle des baden-württembergischen Wassergesetzes aus dem Jahr 2010 (WG 2010) verweise ausdrücklich auf den Gebäudebegriff des EEWärmeG. Das EEWärmeG stelle auf Gebäude ab, die in ihrer Gesamtheit entsprechend gekühlt oder beheizt werden, so dass der Gesetzgeber ausdrücklich artikuliert habe, dass die Ausnahme von der Entgeltpflicht nur für die Wärme- und Kühlnutzung von Gebäuden insgesamt besteht. Davon ausgenommen sind nach der gesetzgeberischen Intention u. a. Kühlungen zu Prozesszwecken. Von der Anwendbarkeit sollten damit offensichtlich Gebäude profitieren, deren Gesamtbedarf an Wasser bzw. Energie aufgrund der beschränkten zeitlichen Notwendigkeit so gering ist, dass eine anderweitige Alternative wirtschaftlich und energiepolitisch unzumutbar ist, stellt das Gericht fest.
„Eine Art Kühlschrank inmitten des Zentrallagers“
Gemessen an diesen Maßstäben handelt es sich bei dem Zentrallager der Klägerin um kein Gebäude im Sinne des EEWärmeG in Verbindung mit § 103 Nr. 4 WG. Durch die Kühlräume der Klägerin entstehe vielmehr eine Art „Kühlschrank“ inmitten des Lagers. Lediglich diese Lagerhalle wird aktiv auf die entsprechenden Temperaturen gekühlt.
Auch könne nicht zugeordnet werden, welche konkrete Grundwassernutzung dem Kühlen oder Heizen welchen spezifischen Gebäudeteils dient. Die Gewässerbenutzung könne insoweit nur einheitlich erfolgen.
Vorsorgeaspekten wird Rechnung getragen
Das Gericht betont des Weiteren, dass mit dem Wasserentnahmeentgelt der Sondervorteil berücksichtigt werde, den sich ein Benutzer mit der Entnahme von Wasser, die über den Gemeingebrauch hinaus geht, verschafft. Berücksichtigung finde dabei auch der erhebliche Aufwand, den das Land für die Unterhaltung und Reinhaltung der Gewässer erbringe. Ein wesentliches Ziel sei ein schonender Umgang mit der Ressource Wasser, der Vorsorgeaspekten Rechnung trage. Das Wasserentnahmeentgelt soll eine Lenkungswirkung anstoßen, um eine ressourcenschonendere Verwendung von Wasser zu bewirken.
Berücksichtige man die Intention des Gesetzgebers, könne man bei einem Zentrallager, dessen Nettogrundfläche die 30.000 m² überschreitet, und über das Jahr gesehen einer Menge an Wasser von ca. 831.000 Kubikmeter bedarf, um das „Gebäude“ nach seinen unterschiedlichen Zielen zu temperieren, nicht mehr davon ausgehen, dass es sich um ein privilegierungsfähiges Gebäude handelt, heißt es in dem Urteil.