Anlagenbetreiber im Sinne des Wasserrechts ist, wer die Kosten trägt und den Nutzen hat


Die Antragstellerin, die eine Schweinezuchtanlage pachtet und betreibt, richtete sich gegen eine wasserrechtliche Ordnungsverfügung der Behörde, mit der ihr die Prüfung der Dichtheit und Funktionsfähigkeit von Güllekellern und Güllekanälen aufgegeben wurde. Unter dem Stall befindet sich ein Güllekanal, der die Gülle bei Bedarf in einen Pufferbehälter abführt, schreibt das OVG zum Sachverhalt.


Dichtheit der Gülleanlage wäre mindestens jährlich zu prüfen gewesen


Der Betrieb der Sauenzuchtanlage war vom Regierungspräsidium Halle Ende 1996 mit 60.528 Tierplätzen immissionsschutzrechtlich genehmigt worden. Die Dichtheit der Gülleanlage ist mindestens jährlich zu prüfen und der ordnungsgemäße Zustand der Anlage nach jeder Überprüfung durch einen Sachkundigen bescheinigen zu lassen. Die Jauche- und Güllebehälter sowie die Gruben und Kanäle sind einschließlich deren Sammel-, Umschlag- und Abfülleinrichtungen mindestens einmal jährlich im Leerzustand einer Sichtkontrolle durch die Betreiberin zu unterziehen. Die Ergebnisse der Kontrollen sind zu protokollieren und der zuständigen Wasserbehörde auf Verlangen vorzulegen.


Behörde findet durchnässte Bereiche vor


Im Februar 2018 kam es zu einem Güllehochstand in einigen Abteilen eines Stallbereichs. Bei einer Kontrolle im März 2018 wurde nördlich der Stallanlage ein mit Flüssigkeit gefüllter Graben vorgefunden. In einem Protokoll über eine Kontrolle wurde unter anderem festgestellt, dass die baulichen Zustände der unterirdischen Güllelager und Kanäle dringend durch einen Sachverständigen zu untersuchen seien. Bei einer weiteren Kontrolle stellte die Behörde fest, dass vor der Stallwand mehrere durchnässte Bereiche vorhanden seien. In einem Graben nördlich des Bereichs hätten an verschiedenen Stellen Flüssigkeiten gestanden.


Behörde verfügt Prüfung und legt Zwangsgeld fest


Mit einer wasserrechtlichen Ordnungsverfügung vom 24.04.2018 gab die Behörde der Antragstellerin auf, die Güllekeller sowie die Güllekanäle des Stallbereiches durch einen Sachverständigen auf Dichtheit sowie Funktionsfähigkeit prüfen zu lassen und den zugehörigen Nachweis in Form des Prüfprotokolls der unteren Wasserbehörde zu übergeben. Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet. Die Behörde stützte die Maßnahme auf das Wasserhaushaltsgesetz (WHG): Es lägen Tatsachen vor, die eine gegenwärtige Gefahr insbesondere für Boden und Grundwasser begründeten. Im Juli 2018 setzte die Behörde gegen die Antragstellerin nach einer weiteren Kontrolle ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000 Euro und Anfang 2019 ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 10.000 Euro fest.


Das OVG hat den Antrag gegen die vom Verwaltungsgericht bestätigte wasserrechtliche Anordnung abgelehnt. Die Ordnungsverfügung der Behörde erweise sich als aller Voraussicht nach als rechtmäßig und es bestehe ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung.


Grundsatz der Betreiberidentität hat keine Geltung im Wasserrecht


Mit der Argumentation der Betreiberin, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass Maßnahmen des anlagebezogenen Gewässerschutzes nach dem WHG nur gegen den Betreiber der betreffenden Anlage gerichtet werden könnten und sie nicht Betreiberin der Anlage sei, kann die Antragstellerin dem Beschluss zufolge nicht durchdringen. Der im Immissionsschutzrecht anerkannte Grundsatz der Betreiberidentität, wonach eine Anlage grundsätzlich nur einen Betreiber haben kann, gelte im Wasserrecht nicht.


Auch Mieter und Pächter können verantwortlich sein


Der Begriff des Betreibens einer Anlage im Sinne des Wasserrechts beschreibe einen Dauertatbestand, der jede Art der bestimmungsgemäßen Nutzung einer Anlage erfasse, heißt es in dem Beschluss. Betreiber einer Anlage zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen sei demzufolge derjenige, der in tatsächlicher sowie rechtlicher Hinsicht über die Anlage bestimmt und auch wirtschaftlich für sie verantwortlich ist, also ihre Kosten trägt und Nutzen aus ihr zieht. Im Rahmen von Miet-, Pacht- und Leihverhältnissen könnten auch mehrere Personen nebeneinander Betreiber sein; neben dem Eigentümer auch Pächter, Mieter, Leasingnehmer oder sonstige Nutzungsberechtigte. Insbesondere für die Durchführung der vorgeschriebenen Sachverständigenprüfungen könnten sowohl der Vermieter, Verpächter oder Verleiher als auch der Mieter, Pächter oder Entleiher der Anlage verantwortlich sein.


Antragstellerin ist richtige Adressatin der wasserrechtlichen Anordnung


Nach diesen Grundsätzen ist dem OVG zufolge die Antragstellerin die richtige Adressatin der auf § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG (siehe Kasten) gestützten Anordnung des Antragsgegners aus dem April 2018. Sie sei als Pächterin des Stallbereichs dessen Betreiberin und damit auch Betreiberin der Güllekeller und Güllekanäle. Demzufolge sei sie für die Erfüllung der Betreiberpflichten nach dem WHG in Verbindung mit der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) verantwortlich. Vor diesem Hintergrund bedarf es dem OVG zufolge keiner Vertiefung, ob eine wasserrechtliche Ordnungsverfügung gemäß § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG nach dem Grundsatz der Effektivität der Gefahrenabwehr auch gegen Personen gerichtet werden können, die zwar nicht Betreiber der Anlage, aber in ihrem Verantwortungsbereich als Verhaltensstörer verpflichtet sind, einer Gefahr wie etwa der Gefahr einer Gewässerverunreinigung entgegenzuwirken.


„Gewässeraufsicht muss die Gewässer überwachen“


Nach der maßgeblichen Eingriffsnorm des § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG ordne die zuständige Behörde nach pflichtgemäßen Ermessen die Maßnahmen an, die im Einzelfall notwendig sind, um Beeinträchtigungen des Wasserhaushalts zu vermeiden oder zu beseitigen oder die Erfüllung von Verpflichtungen nach Satz 1 sicherzustellen. Nach § 100 Abs. 1 Satz 1 WHG sei es Aufgabe der Gewässeraufsicht, die Gewässer sowie die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu überwachen, die nach oder auf Grund von Vorschriften dieses Gesetzes, nach auf dieses Gesetz gestützten Rechtverordnungen oder nach landesrechtlichen Vorschriften bestehen.


Gefahr ist bei Verstoß gegen Normen des Wasserrechts immer gegeben


Eine Gefahr als Voraussetzung wasserbehördlichen Einschreitens auf der Grundlage des WHG sei bei einem Verstoß gegen Normen des geltenden Wasserrechts grundsätzlich gegeben, stellt das OVG fest. Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Einschreitens liegen vor, wenn Verpflichtungen verletzt werden, die nach oder auf Grund von Vorschriften dieses Gesetzes, nach auf dieses Gesetz gestützten Rechtverordnungen oder nach landesrechtlichen Vorschriften bestehen.


Nach dem WHG und der AwSV müssen Jauche-, Gülle- und Silagesickersaftanlagen den bestmöglichen Schutz der Gewässer vor nachteiligen Veränderungen ihrer Eigenschaften gewährleisten, heißt es in dem Beschluss. Betreiber müssten anzeigepflichtige Anlagen – wozu auch sonstige JGS-Anlagen mit einem Gesamtvolumen von mehr als 500 Kubikmetern zählten – einschließlich der Rohrleitungen vor Inbetriebnahme und auf Anordnung der zuständigen Behörde durch einen Sachverständigen auf ihre Dichtheit und Funktionsfähigkeit prüfen lassen. Diese Bestimmung gelte für JGS-Anlagen, die am 01.08.2017 bereits errichtet sind mit der Maßgabe, dass die zuständige Behörde die Prüfung der dort genannten Anlagen durch einen Sachverständigen nur dann anordnen kann, wenn der Verdacht erheblicher oder gefährlicher Mängel vorliegt.


Verdacht erheblicher oder gefährlicher Mängel der Güllekanäle liegt vor


Ein solcher Verdacht erheblicher oder gefährlicher Mängel der Güllekeller und Güllekanäle liege hier vor. Zu Recht habe das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass dafür der Umstand spreche, dass die Güllekeller und Güllekanäle des Stallbereiches seit 1996 ununterbrochen betrieben und bislang keiner Dichtheits- und Funktionsfähigkeitsprüfung unterzogen worden seien. Da die Gülleanlage bereits aus dem Jahr 1979 stamme und bereits seit diesem Zeitpunkt in der jetzigen Form existiere, sei die Dichtheit der Anlage nicht mehr gewährleistet.


Das Verwaltungsgericht habe auch zu Recht angenommen, dass im Hinblick auf die Güllekanäle des Stallbereichs der Verdacht erheblicher oder gefährlicher Mängel vorliegt. Soweit die Antragstellerin die im Februar 2018 eingetretene Havarie mit einem sehr allgemein gehaltenen „Entsorgungsnotstand“ begründe, vermöge dies nicht den Verdacht zu entkräften, dass insbesondere die Kanäle möglicherweise in ihrer Funktionsfähigkeit eingeschränkt seien.

Besonderes Vollzugsinteresse besteht


Auch sei die die der Antragestellerin gesetzte Frist bis zum 28.06.2018 nicht zu kurz gewesen. Die Antragstellerin habe nicht hinreichend dargelegt, weshalb es ihr nicht möglich gewesen sein soll, die Güllekeller sowie die Güllekanäle des Stallbereichs innerhalb dieses Zeitraums auf Dichtheit sowie Funktionsfähigkeit prüfen zu lassen und den zugehörigen Nachweis der unteren Wasserbehörde zu übergeben. Auch bestehe ein besonderes Vollzugsinteresse wegen der drohenden Gefahren für das Grundwasser. Substantiierte Einwände dagegen hat die Antragstellerin mit der Beschwerde nicht vorgebracht.