„Das Gesundheitsrisiko über den Eintragspfad Trinkwasser ist vernachlässigbar“


Herr Dr. Klinger, teilen Sie die Ansicht der WHO, dass Mikroplastik im Trinkwasser momentan kein Gesundheitsrisiko darstellt? Mit anderen Worten: Wie repräsentativ ist der Nachweis von Mikroplastik im Trinkwasser?


Im WHO-Bericht „Microplastics in drinking-water“ wird detailliert aufgelistet, was über Mikroplastik im Trinkwasser bekannt ist und was noch unbekannt ist und daher erforscht werden muss. Dabei wird deutlich, dass einige Fragen aktuell nicht mit letzter Sicherheit beantwortet werden können. Da in der öffentlichen Diskussion die Themen Plastik, Plastikmüll und Mikroplastik, aber auch Meereswasser, Abwasser und Trinkwasser oft vermischt oder gleichgesetzt werden, bedarf es folgender Klarstellung. In Deutschland wird Trinkwasser zu ca. 2/3 aus gut geschützten Grundwasservorkommen gewonnen. Hier spielt der Eintrag von partikulärem Mikroplastik keine Rolle. Des Weiteren haben wir in Deutschland mit der Trinkwasserverordnung und dem DVGW-Regelwerk Vorgaben für die Trinkwasserqualität und Leitplanken für die Trinkwasseraufbereitung. Aus hygienischen Gründen ist bei der Aufbereitung von oberflächenwasserbeeinflussten Wässern zu Trinkwasser die Partikelentfernung das oberste Aufbereitungsziel. Warum? Weil damit Bakterien und andere Mikroorganismen aus dem Wasser entfernt werden. Daher wird auch Mikroplastik, das je nach Definition Partikel umfasst, die nicht kleiner als 1 μm sind, bei der Aufbereitung nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik entfernt. Insofern ist das Gesundheitsrisiko über den Eintragspfad Trinkwasser tatsächlich vernachlässigbar.

 

Wäre eine regelmäßige Überwachung von Mikroplastik im Trinkwasser, von der die WHO derzeit abrät, zu aufwendig?

 

Im gerade abgeschlossenen Forschungsverbund „Mikroplastik im Wasserkreislauf“ (MiWa), der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert wurde, konnte gezeigt werden, dass es nicht die eine Methode zur Bestimmung von Mikroplastik gibt. Hierbei ist es wichtig zu wissen, dass es sich bei Mikroplastik eben nicht um einen gelösten Stoff handelt, wie wir es aus der Diskussion um Pflanzenschutzmittel oder Arzneimittel kennen. Ebenso ist die Probenahme von entscheidender Bedeutung, denn bei unsachgemäßer Probenahme und Probenaufbereitung können schnell falsche Ergebnisse erzielt werden, da der Eintrag von Mikroplastik aus der Umgebung ständig gegeben ist. Denken wir hier nur an unsere Kleidung, die Luft und andere Umwelteinflüsse. Daher arbeiten wir im TZW bei unserer Bestimmung auch unter Reinstraumbedingungen. Zudem ist zu betonen, dass es derzeit kein normiertes Probe- und Analyseverfahren gibt. Eine verpflichtende Routineüberwachung, die beispielsweise über die Europäische Trinkwasserrichtlinie Eingang in die Deutsche Trinkwasserverordnung finden könnte, wäre daher derzeit weder sinnvoll noch umsetzbar.

 

Die WHO empfiehlt, das Auftreten von Mikroplastik in der gesamten Wasserversorgungskette zu erforschen. Welchen Beitrag können hier Ihre Forschungsarbeiten zur Weiterentwicklung von Analysetechniken und zum Vorkommen von Mikroplastik leisten?

 

In der öffentlichen Diskussion herrscht aufgrund fehlender Erkenntnisse Verunsicherung, der man nur mit fundierten Forschungsergebnissen begegnen kann. Wir haben im TZW im Rahmen des schon genannten Forschungsverbunds MiWa eine Probenahme- und Analysetechnik entwickelt, optimiert und über alle Verfahrensschritte validiert. Aus diesem Grund sind wir in der Lage, Trinkwasserproben auf Mikroplastik zu untersuchen. Wir werden die Methode in weiteren Forschungsprojekten verfeinern, wozu beispielsweise die Minimierung der Analysenzeit gehört. Darüber hinaus arbeiten wir als TZW in dem Projekt MicBin des BMBF-Förderschwerpunktes „Plastik in der Umwelt“ als Projektkoordinator aktiv mit. Weltweit gibt es kein vergleichbares Förderprogramm, und damit nimmt die durch das BMBF geförderte Forschung international eine Spitzenstellung ein. Am Ende der Fördermaßnahmen werden sicher noch einige Fragen bestehen bleiben, aber wir werden einen deutlichen Schritt vorangekommen sein. So zeigen unsere bisherigen Untersuchungen, dass die Gehalte an Mikroplastik im Trinkwasser stets im Bereich des Blindwertes liegen, damit also eine Belastung nicht nachweisbar ist.

 

Inwieweit kann die Weiterentwicklung von Membranverfahren in der Trinkwasseraufbereitung dazu beitragen, Mikroplastik aus dem Trinkwasser zu entfernen?

 

Die Frage müsste anders gestellt werden: Brauchen wir zur ausschließlichen Entfernung von Mikroplastik eine Aufbereitung des Trinkwassers mittels Membrananlagen? Dies kann eindeutig mit nein beantwortet werden. Membranverfahren haben dort, wo sie derzeit bereits eingesetzt werden, ihre Berechtigung, wie beispielsweise die Ultrafiltration zur Partikelentfernung aus hygienischen Gründen oder die Umkehrosmose bei der zentralen Enthärtung. Aber beim Thema Mikroplastik gleich die Aufbereitung mittels Membrantechnik in die Diskussion zu bringen, schießt deutlich über das Ziel hinaus und führt zu einer weiteren Verunsicherung der Verbraucher.

 

Wie kann die Entfernung von Mikroplastik in Abwasserbehandlungsverfahren weiter verbessert werden?

 

Hier möchte ich nochmals auf das gerade abgeschlossene BMBF-Projekt MiWa verweisen. Neben analytischen Fragestellungen wurden auch human- und ökotoxikologische Auswirkungen untersucht. Erste Untersuchungen legen nahe, dass die aquatische Toxizität und der Transfer ins Gewebe von Fischen oder anderen Lebewesen für die dort untersuchten Mikroplastikpartikel vernachlässigbar sind. Ebenso wurde deutlich, dass kein Unterschied zu natürlichen Partikeln, die ja in viel größeren Mengen in der Umwelt vorliegen, festgestellt wurde. Auch für die Abwasserbehandlung gilt, dass wir in Deutschland einen hohen Standard haben, eine weitere Aufbereitungsstufe ausschließlich begründet durch Mikroplastik wäre daher aktuell nicht vertretbar.

 

Herr Dr. Klinger, vielen Dank für das Interview!


TZW: DVGW-Technologiezentrum Wasser

Das Technologiezentrum Wasser in Karlsruhe ist eine Einrichtung des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW). Rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten dort in der anwendungsnahen Forschung sowie der wissenschaftlichen Beratung. Ein Forschungsschwerpunkt ist dabei das Vorkommen von Mikroplastik in der aquatischen Umwelt. Seit seiner Gründung im Jahr 1991 hat sich das Technologiezentrum Wasser zu einer national und international anerkannten Plattform für den vertieften Austausch zum Thema Wasser entwickelt. Die Jahreseinnahmen von rund 18 Mio. Euro setzen sich vor allem aus Forschungsprojekten und Aufträgen von Unternehmen der Wasserbranche zusammen.