IGB: Fungizide aus der Landwirtschaft sind eine unterschätzte Gefahr für Gewässer


In Gewässern vorkommende Konzentrationen von Fungiziden könnten Auswirkungen auf verschiedene Prozesse haben – beispielsweise indirekte Effekte auf die Entwicklung von Blaualgenblüten, teilte das IGB mit. Die Effekte von Fungiziden auf Lebewesen in Flüssen und Seen seien aber bisher kaum untersucht. Obwohl ein Einfluss von Fungiziden auf aquatische Pilze – Fungi – zu erwarten sei, seien diese in der Risikobewertung von Fungiziden nicht berücksichtigt.


Die Wissenschaftler haben laut IGB untersucht, ob in der Landwirtschaft verwendete Fungizide wie Tebuconazole oder Azoxystrobin das Wachstum von aquatischen Pilzen beeinflussen. Denn auch in Gewässern könnten Pilze als Krankheitserreger oder Parasiten für andere Wasserorganismen wirken. Die Untersuchungen hätten gezeigt, dass die in Gewässern vorkommenden Konzentrationen von Fungiziden den Befall von potenziell giftigen Cyanobakterien mit parasitischen Pilzen reduzieren.


„Zwar sehen wir Infektionen landläufig als etwas Negatives, Krankheitserreger und Parasiten sind aber ein wichtiger Bestandteil von ökologischen Systemen und können – wie in diesem Fall – auch eine positive Wirkung haben“, sagte der IGB-Forscher und Leiter der Studie, Ramsy Agha. Die parasitischen Pilze könnten das Wachstum der Cyanobakterien limitieren und damit giftige Blaualgenblüten eindämmen. Eine Verunreinigung von Gewässern mit Fungiziden könne diese natürlichen Prozesse stören.


Fungizide wirken sich auf Wachstum von aquatischen Pilzen aus


Bereits in anderen Untersuchungen konnte das Forschungsteam in Kooperation mit Kollegen von der Universität Minho in Portugal zeigen, dass Fungizide eine Wirkung auf das Wachstum von aquatischen Pilzen haben, berichtete das IGB weiter. Dabei hätten sie vor allem das Zusammenspiel von parasitischen Pilzen und ihren Wirten untersucht. So wurde etwa nachgewiesen, dass die Infektion von Wasserflöhen mit Hefepilzen unter den gängigen Fungizidkonzentrationen im Wasser abnahm.


Es gibt nur grobe Schätzungen über den Anteil von Pilzen an den Mikroorganismen in unterschiedlichen Gewässertypen, führte das IGB weiter aus. In Süßgewässern könnten sie vermutlich bis zu 50 Prozent der Kleinstlebewesen mit Zellkern ausmachen und übernähmen dort wichtige ökologische Funktionen. So bauen sie als „Zersetzer“ organisches Material ab und zerlegen es in einzelne Nährstoffe, im Verdauungstrakt von aquatischen Insekten unterstützen sie deren Verdauung, und sie sind ein wichtiger Teil des Nahrungsnetzes in Gewässern, zählte das Institut auf.


Trotz ihrer Bedeutung würden aquatische Pilze im EU-Rechtsrahmen nicht gesondert behandelt. Um die Ökologie der Gewässer vor schädlichen Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln zu schützen, führe die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) vor der Zulassung von Wirkstoffen und deren formulierten Produkten eine prospektive Risikobewertung durch. Das EFSA-Leitliniendokument (EFSA, 2013) verlange Toxizitätstests für drei taxonomische Gruppen: Pflanzen, Wirbellose und eine Fischart, um eine vereinfachte Nahrungskette im Gewässer darzustellen.


Bislang fehlende Standard-Testmethoden


Ein Grund, warum aquatische Pilze bei der Risikobewertung von Fungiziden bisher nicht berücksichtigt werden, sei das Fehlen von standardisierten Testmethoden mit aquatischen Pilzen als Testarten, so das IGB weiter. „Da sich die Möglichkeiten der Anzucht und Identifizierung von aquatischen Pilzen in wissenschaftlichen Labors kontinuierlich verbessern, könnten sich nun auch die Risikobewertungen stärker auf die Auswirkungen von Fungiziden auf diese Organismengruppen konzentrieren“, sagte IGB-Forscherin Prof. Justyna Wolinska, Leiterin der Arbeitsgruppe Evolutionäre Ökologie von Krankheiten.