So hätten das Elbe- und das Rhein-Niedrigwasser bereits drei Monate vor ihrem Eintreten zuverlässig vorhergesagt werden können, teilte das AWI mit. Mit herkömmlichen Methoden ließen sich die Wasserstände in deutschen Flüssen etwa sechs Wochen im Voraus vorhersagen. Aus diesem Grund habe der Dürresommer 2018 mit seinen extremen Niedrigwassern in Rhein und Elbe nicht nur die Binnenschiffer, sondern auch die meisten Verantwortlichen in Raffinerien, Stahlwerken und Chemiekonzernen entlang der Flussläufe überrascht. Viele der von Schiffstransporten abhängigen Firmen vermeldeten alsbald Lieferengpässe und Produktionsausfälle. Dieser wirtschaftliche Schaden hätte sich nach Darstellung des AWI durchaus verhindern lassen, wären damals moderne Vorhersagemethoden zum Einsatz gekommen.
Ende Mai Vorhersage für September
2015 sei der der AWI-Mitarbeiterin Monica Ionita gelungen, ein statistisches Berechnungsmodell zu entwickeln, mit dem sie auf Basis aktueller Meeres- und Klimadaten ziemlich genau abschätzen könne, wie viel Wasser künftig an verschiedenen Stellen eines ausgewählten Flusses fließen wird. Mithilfe ihres statistischen Verfahrens konnten Monica Ionita und Viorica Nagavciuc vom AWI die Entwicklung der Wassermengen in Elbe und Rhein über einen Zeitraum von bis zu drei Monaten treffend vorhersagen – auch die extrem niedrigen Pegel im Spätherbst 2018.
„In der Praxis sieht es so aus, dass wir bis Ende Mai eines Jahres sagen können, wie sich die Durchflussmengen und damit auch die Wasserstände bis Ende September desselben Jahres in etwa entwickeln werden. Wir können dann abschätzen, ob sie im Vergleich zu Vorjahren niedriger, ähnlich oder höher ausfallen werden. Die zu erwartende Wasserabflussmenge berechnen wir mittlerweile drei Monate im Voraus – das heißt, von diesem Zeitpunkt an nennen wir dann auch konkrete Zahlen“, erklärt die Wissenschaftlerin.
Globale Meeres- und Klimadaten als Grundlage der Analyse
Die Grundlage der Analyse bilden den Angaben zufolge globale Meeres- und Klimadaten aus fast sieben Jahrzehnten. In diesen Datensätzen suchen die beiden AWI-Wissenschaftlerinnen nach Zusammenhängen zwischen der Wassermenge im ausgewählten Fluss und entscheidenden Wetter-, Meeres- oder Bodenparametern wie der Oberflächentemperatur in bestimmten Meeresregionen und dem dort vorherrschenden Luftdruck. Eine wichtige Rolle spielen außerdem die Temperatur, der Niederschlag und die Bodenfeuchte im Quell- und Einzugsgebiet des jeweiligen Flusses.
Für die Wasserstände in Rhein und Elbe sei die Meeresoberflächentemperatur des Nordatlantiks der alles entscheidende Faktor. Sie beeinflusse das Wetter in Mitteleuropa maßgeblich und entscheide - vereinfacht gesagt -, auf welchen Bahnen Sturm- und Regengebiete ziehen werden.
Modell wird an die Jahreszeiten angepasst
Als „verlässlich“ identifizierte Zusammenhänge speisen die Wissenschaftlerinnen den Angaben zufolge als statistische Berechnungsgrundlage in ihr Modell ein – und das nicht für alle Flüsse auf einmal, sondern für jeden Einzelnen ganz individuell. Anschließend passen sie ihr Modell an die entsprechenden Jahreszeiten an, denn für ein und denselben Fluss könnten im Frühjahr völlig andere Einflussgrößen relevant sein als im Herbst.
Für konkrete Vorhersagen sammelten die AWI-Forscherinnen dann Echtzeitdaten aller relevanten Wetter- und Umweltparameter aus den zurückliegenden Monaten und lassen diese in das statistische Modell einlaufen. Per Computer berechnen sie dann, welche Menge Wasser im anvisierten Zeitraum an einer bestimmten Stelle im Fluss fließen wird. Auf Basis dieser Zahl können die Forscherinnen im Anschluss laut AWI die künftige Entwicklung der Wasserpegel abschätzen.