VGH: Urteil zum gemeindlichen Vorkaufsrecht in Gebieten vorbeugenden Hochwasserschutzes


Der VGH hat die Berufung der beklagten Gemeinde Maintal gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 17. Mai 2017 (AZ: 8 K 1666/16.F) zurückgewiesen. Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, und das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird nicht zugelassen. Streitgegenstand der Beteiligten war die Frage, ob die Beklagte nach den Vorschriften des Baugesetzbuches berechtigt gewesen ist, ihr gemeindliches Vorkaufsrecht auszuüben, geht aus den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes hervor.


Die Klägerin erwarb bereits im Jahr 2015 ein Grundstück in der Gemarkung Dörnigheim in der Stadt Maintal, das im Geltungsbereich der Verordnung über die Neufeststellung des Überschwemmungsgebietes des Mains in Maintal im Main-Kinzig-Kreis von 2002 liegt.


Die Gemeinde übte dann mit ihrem Bescheid vom 24. Juli 2015 das Vorkaufsrecht gem. § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 BauGB an dem Grundstück aus. Zur Begründung führte sie aus, das Grundstück liege innerhalb eines Überschwemmungsgebietes des Mains im Bereich von Dörnigheim und sei als Wohn- und landwirtschaftlicher Betrieb mit Pferdezucht klassifiziert.


Klägerin widersprach Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Gemeinde Maintal


Auf der Grundlage der Verordnung über die neue Feststellung des Überschwemmungsgebietes des Mains sei das betreffende Grundstück zur Gewährleistung des natürlichen Hochwasserschutzes von jeglicher Form der Bebauung freizuhalten, argumentierte die Gemeinde. Zusätzlich diene die Ausübung des Vorkaufsrechtes auch dem Wohl der Allgemeinheit. Das Vorkaufsrecht werde zu dem im Kaufvertrag genannten Kaufpreis von 38.000 Euro ausgeübt.


Hiergegen legte die Klägerin am 27. August 2015 Widerspruch ein – mit Verweis auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 2. Dezember 2014 (8 K 3767/13.F), mit dem dieses hinsichtlich eines dem streitigen Grundstück benachbarten Grundstücks Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Beklagte verneint hatte.


Gemeinde weist Widerspruch zurück


Mit Bescheid vom 29. April 2016 wies die beklagte Gemeinde den Widerspruch zurück und vertiefte ihre Ausführungen aus der angefochtenen Verfügung vom 24. Juli 2015. Das Wohl der Allgemeinheit gemäß BauGB werde durch die Verhinderung der Umsetzung des Maßnahmenplans des Landes Hessen in Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie beeinträchtigt und rechtfertige daher die Ausübung des Vorkaufsrechtes.


Gegen den am 2. Mai 2016 zugestellten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin schließlich am 24. Mai 2016 Klage erhoben. Sie vertritt weiterhin die Auffassung, der für die Ausübung eines Vorkaufsrechts gemäß BauGB zu fordernde städtebauliche Bezug werde nicht bereits durch die Festsetzung von Überschwemmungsgebieten nach dem Wasserrecht begründet. Die Ausübung des Vorkaufsrechts erfolge hier ohne jeden Bezug zu einer Bauleitplanung und sei daher aufzuheben.


VG Frankfurt am Main hebt Bescheid der Beklagten auf


Die Gemeinde Maintal beantragte nun, die Klage abzuweisen. Sie vertritt die Auffassung, die Voraussetzungen für das ausgeübte Vorkaufsrecht lägen vor. Eine bauplanungsrechtliche Festsetzung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des BauGB zu verlangen, werde dem nicht nur wasserrechtlich relevanten, sondern vor allem auch städtebaulich bedeutsamen Hochwasserschutz nicht gerecht.


Das Verwaltungsgericht (VG) Frankfurt am Main hat dann mit einem Urteil vom Mai 2017 den Bescheid der Beklagten vom Juli 2015 aufgehoben. Der VGH schließlich hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen, die Beklagte hat die Berufung begründet.


Beklagte sieht tatbestandliche Voraussetzungen des BauGB erfüllt


Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtes seien die tatbestandlichen Voraussetzungen des BauGB erfüllt und keine weiteren ungeschriebenen Tatbestandsmerkmale zu verlangen, stellt die Beklagte ihre Sicht dar.


Danach reiche es aus, dass das Grundstück in einem Gebiet liege, das „zum Zweck des vorbeugenden Hochwasserschutzes von Bebauung freizuhalten ist, insbesondere in Überschwemmungsgebieten“. Sie habe sich in dem angegriffenen Bescheid auf diesen Tatbestand gestützt, da das besagte Grundstück nahezu vollständig im Geltungsbereich des per Verordnung festgesetzten Überschwemmungsgebietes liege.


Die Beklagte erklärte, sie wolle als künftige Grundstückseigentümerin innerhalb des Überschwemmungsgebietes natürlichen Retentionsraum schaffen und die im Maßnahmenplan des Landes Hessen zur Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie festgelegten Maßnahmen zur Wiederherstellung eines natürlichen Zustandes des Mains und seiner Zuflüsse (hier vor allem des Braubachs) realisieren. Dieser Verwendungszweck diene nicht nur der Umsetzung anderen Fachrechts, sondern schütze bei Hochwasser die bebaute Ortslage der Stadt Maintal und anderer Anrainerkommunen vor Überschwemmungen und Hochwasserschäden.


Somit beantragte die Beklagte, die Klage der Klägerin abzuweisen und die Klägerin forderte, die Berufung zurückzuweisen, aus ihrer Sicht ist die Entscheidung der Vorinstanz nicht zu beanstanden.


VGH: Gemeinde muss Verwendungszweck des Grundstücks angeben


Der VGH erklärte nun, dass das Verwaltungsgericht den Bescheid der Beklagten zu Recht aufgehoben habe, ihr stehe ihr geltend gemachte gemeindliche Vorkaufsrecht gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 BauGB nicht zu. Gemäß § 24 Abs. 3 dürfe das Vorkaufsrecht nur ausgeübt werden, wenn das Wohl der Allgemeinheit dies rechtfertige. Bei der Ausübung des Vorkaufsrechts habe die Gemeinde den Verwendungszweck des Grundstücks anzugeben.


Vorkaufsrecht nur mit konkretem städtebaulichen Bezug


Entgegen der Auffassung der Beklagten stehe ihr ein gemeindliches Vorkaufsrecht gemäß BauGB allerdings nicht ohne konkreten städtebaulichen Bezug zu.


Diese Notwendigkeit ergebe sich aus gesetzessystematischen Gründen. Da das Vorkaufsrecht nach dem BauGB ein Instrument zur Verwirklichung städtebaulicher - nicht aber (spezifisch) wasserwirtschaftlicher - Zielsetzungen sei, könne es im Kontext des BauGB für das Vorliegen eines Gebiets im Sinne dieser Vorschrift nicht auf den Begriff des Überschwemmungsgebiets im wasserrechtlichen Sinn ankommen.


Das gelte auch dann, wenn ein wasserrechtliches Überschwemmungsgebiet nachträglich nach § 9 Abs. 6a BauGB in den Bebauungsplan übernommen wurde. Entscheidend sei, ob in dem entsprechenden Gebiet aus Gründen des Hochwasserschutzes ein Bauverbot bestehe, das der Verwirklichung städtebaulicher (nicht wasserwirtschaftlicher) Zielsetzungen diene, schreibt der VGH in den Ausführungen zu seiner Entscheidung.


Als städtebauliche Maßnahmen kommen laut VGH in diesem Zusammenhang nur bauleitplanerische Festsetzungen in Betracht, die bestimmte Flächen von Bebauung freihalten und dem imBauGB bezeichneten Zweck dienen. Diese entfalteten dann vorausgesetzte rechtliche Ausschlusswirkung, führt der VGH aus.


Aus dem Katalog der zulässigen Festsetzungen kommen von Bebauung freizuhaltende Flächen und ihre Nutzung sowie die speziellen Festsetzungen von Flächen für die Wasserwirtschaft, für Hochwasserschutzanlagen und für die Regelung des Wasserabflusses in Betracht, heißt es weiter. Zudem sei es nicht Sache der planenden Gemeinde, illegale Bauwerke in Hochwasserschutzgebieten zu beseitigen. Das obliege der Bauaufsicht bzw. den unteren Wasserbehörden, soweit sich Bauwerke im Bereich ausgewiesener Überschwemmungsgebiete befinden, es sei denn, diesen sei eine Ausnahme für die Errichtung von Seiten der unteren Wasserbehörde erteilt worden.


Gemeinden nicht befugt, Vorschriften des WHG zu vollziehen


Zwar hätten die Gemeinden bei der Aufstellung der Bauleitpläne die Belange des Küsten- oder Hochwasserschutzes und der Hochwasservorsorge, insbesondere die Vermeidung und Verringerung von Hochwasserschäden zu berücksichtigen und hierbei auch die Vorgaben des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) zu beachten. Hierdurch würden sie jedoch nicht befugt, die Vorschriften des WHG und der hierauf erlassenen Verordnungen zu vollziehen.


Eine Verschränkung mit den wasserrechtlich erlassenen Verordnungen folge ausschließlich durch städtebaulich begründetes planerisches Tätigwerden der Gemeinden und Städte. Hier habe die Beklagte die Aspekte des Hochwasserschutzes weder in einem Bebauungsplan noch in einem Flächennutzungsplan festgesetzt bzw. dargestellt, so dass dahinstehen könne, ob es insoweit einer differenzierten Betrachtung bedürfe.