Das haben Forschende zweier Helmholtz-Zentren in einer aktuellen Studie herausgefunden, teilte das Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) mit. Damit seien die Faktoren benannt, die den Grundstein für schwere sommerliche Hitzewellen und Dürreperioden legen.
Mitteleuropa sei in den zurückliegenden 20 Jahren sechsmal von diesen Extremereignissen getroffen worden. Eine Ursache für die wiederkehrende April-Trockenheit und die damit steigende Dürregefahr habe das Forscherteam identifiziert. So führen abnehmende Temperaturunterschiede zwischen der Arktis und den mittleren Breiten im April zu einer Verlagerung des Jetstreams und der Herausbildung eines blockierenden Hochdrucksystems über der Nordsee und Teilen Deutschlands. Dieses wiederum beschere Mitteleuropa viel zu warmes und trockenes Aprilwetter. Die Studie sei im Nature-Fachmagazin „npj Climate and Atmospheric Science“ erschienen.
Einfluss des Frühlings bislang unterschätzt
Die Extremereignisse richtig vorherzusagen, scheiterte bislang daran, dass der Einfluss des Frühlings unterschätzt wurde, erklärte Monica Ionita, Klimatologin und Expertin für Wettervorhersage am AWI. „Aus diesem Grund haben wir beschlossen, die Zusammenhänge zwischen den Wetterlagen im Frühling und im darauffolgenden Sommer genauer zu untersuchen – und zwar für den gesamten Zeitraum, in dem ausreichend Beobachtungsdaten vorlagen.“ Das seien die zurückliegenden 140 Jahre gewesen.
Für die Analyse nutzten Ionita und ihre Kollegen Klimamodellierungen sowie ein statistisches Verfahren, das die AWI-Forscherin selbst entwickelt hat und bereits erfolgreich für die Langfristvorhersage von Flusswasserständen anwendet, berichtete das Institut Die Ergebnisse hätten gezeigt, dass sich die Temperatur- und Niederschlagsentwicklung im Monat April in den zurückliegenden 14 Jahren grundlegend verändert habe. „Während es in den Monaten März und Mai kaum Veränderungen gab, war der Monat April im Zeitraum 2007 bis 2020 im Durchschnitt 3 Grad Celsius wärmer als im Vergleichszeitraum 1961 bis 1999. In extremen Jahren wie 2018 war der April sogar so warm, dass der im Winter gefallene Schnee im Frühling quasi direkt verdunstet ist und keine Chance hatte, in Form von Schmelzwasser im Boden zu versickern. Außerdem hat es seit 2007 in den meisten Regionen Mitteleuropas im April nur halb so viel geregnet wie im Vergleichszeitraum“, verdeutlichte Ionita.
Starke Verdunstung sorgt für hohes Feuchtedefizit in den Böden
Ausbleibende Niederschläge aber waren in den zurückliegenden 14 Jahren nur das eine Problem, führte das AWI weiter aus. Die zunehmende April-Wärme habe dazu geführt, dass im Boden gespeicherte Feuchtigkeit verdunstet ist, sagte Rohini Kumar, Hydrologe am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig und Ko-Autor der neuen Studie. „Infolgedessen wiesen die Böden in Mitteleuropa, vor allem aber in Deutschland, bereits im Frühjahr ein deutliches Feuchtedefizit auf. Dieses Minus konnte in der Regel bis zum Sommer nicht mehr ausgeglichen werden.“ Das bedeute, dass die sommerliche Dürresituation der Böden bereits im April vorprogrammiert wurde.
Zu den Ursachen der Frühlingstrockenheit erklärte Ionita, dass sich laut ihrer Analyse im April ein blockierendes Hochdrucksystem bilde, welches den Jetstream Richtung Norden ablenke und bis zu zwei Wochen lang für sonniges, niederschlagsarmes Wetter in Mitteleuropa sorge. Eine Phase mit ähnlich geringen Niederschlägen im April habe es schon einmal im Zeitraum von 1881 bis 1895 gegeben. Damals sei es aber nicht so warm gewesen, sodass weniger Bodenfeuchtigkeit verdunstete und die heutzutage beobachtete Langzeitwirkung ausblieb. „Die schwerwiegenden Folgen dieser Frühjahrstrockenheit sind also maßgeblich auf die steigenden Lufttemperaturen zurückzuführen“, betonte Ionita.
Ob das blockierende Hochdrucksystem auch in Zukunft das Aprilwetter in Mitteleuropa bestimmen wird, kann noch nicht eindeutig vorhergesagt werden, weil das Klima natürlichen Schwankungen unterliegt, hieß es weiter. Einen Antrieb aber hätten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihrer Studie identifizieren können: „Eine Ursache für die Entstehung des stabilen Hochdruckgebietes sind die abnehmenden Temperaturunterschiede zwischen der Arktis und den mittleren Breiten im Frühling. Der für Mitteleuropa wetterbestimmende Jetstream verläuft unter diesen Bedingungen auf einem Wellenkurs und erlaubt es dem Hochdrucksystem, sich über der Nordsee festzusetzen“, erläuterte Ionita.
Überschreitung des Pariser Klimaziels begünstigt blockierendes Hochdruckgebiet
Klimaszenarien zufolge werden diese Ausgangsbedingungen auch künftig gegeben sein. Allerdings werde das Hochdruckgebiet seltener entstehen, wenn es gelingt, das Pariser Klimaziel einzuhalten und die globale Erwärmung bis zum Jahr 2100 auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. „Steigen die Temperaturen über dieses Ziel hinaus, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich dieses Hochdruckgebiet bildet. Der Monat April wird dann in Mitteleuropa weiterhin viel wärmer und trockener ausfallen als noch vor 20 Jahren und damit die Weichen stellen für flächendeckenden Wassermangel und ausgedörrte Böden den ganzen Sommer lang“, warnte die AWI-Forscherin.
„Eine solche Entwicklung wird erhebliche Auswirkungen auf den Wasserhaushalt der Böden und ihre damit verbundenen Ökosystemleistungen haben“, sagte Kumar. „In den zurückliegenden Jahren haben wir in ganz Mitteleuropa eine Reihe von Sommerdürren erlebt – mit schwerwiegenden Folgen für das Pflanzenwachstum. Zu verstehen, unter welchen Voraussetzungen solche Trockenperioden entstehen, ist ganz entscheidend, um rechtzeitig Vorkehrungen oder Schutzmaßnahmen treffen zu können“, machte er deutlich.