„Durch die Klagerücknahme wird das Verfahren durch die kalte Küche beendet, kritisierte BDE-Präsident Peter Kurth: „Es ist sehr bedauerlich, dass das beklagte Finanzamt diesem Vorgehen zugestimmt und so die Klärung der Frage verhindert hat, ob die deutsche Steuerbegünstigung des Stadtwerkemodells zulässig ist.“ Aus Sicht des BDE sei das Ergebnis ein Pyrrhussieg, die Vertagung der Klärung der Rechtsfragen erhöhe die Unsicherheit nur. „Das Stadtwerkemodell steht auf tönernen Füßen.“
Beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) war seit März 2019 eine Vorlage anhängig, ob der deutsche Weg des „steuerlichen Querverbundes“ mit den EU-Beihilfebestimmungen vereinbar ist. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist es mit EU-Recht nicht vereinbar, wenn Kommunen ihre Betriebe, die dauerhaft Verlust erwirtschaften, in kommunale Eigengesellschaften wie beispielsweise eine Stadtwerke GmbH auslagern und dadurch Steuern sparen.
Im konkreten Fall hatte ein kommunales Energieversorgungsunternehmen aus Mecklenburg-Vorpommern in der Rechtsform einer GmbH gegen sein zuständiges Finanzamt geklagt. Da die Anteile der Klägerin zu 100 Prozent von einer Stadt gehalten werden, handelt es sich um eine sogenannte kommunale Eigengesellschaft. Aus dem Betrieb einer Schwimmhalle erwirtschaftete die Klägerin in den Streitjahren 2002 und 2003 Verluste. Diese Verluste wurden vom Finanzamt nicht steuermindernd anerkannt.
BFH: Dauerverluste führen zu verdeckter Gewinnausschüttung
Dabei hatte der BFH bereits in der Vergangenheit entschieden, dass die Hinnahme von Dauerverlusten im Interesse von Städten und Gemeinden bei kommunalen Eigengesellschaften regelmäßig zu einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) führt. Bisher lässt eine körperschaftssteuerliche Regelung eine Sonderstellung der öffentlichen Hand bei der vGA zu. Diese ermöglicht die steuerwirksame Verrechnung von Verlusten, etwa von Schwimmbädern oder Verkehrsbetrieben mit Gewinnen aus anderen Betätigungen, in der Regel der Energie- und Wasserversorgung.
Aus Sicht des BDE war die Vorlagefrage zu begrüßen. Kurth: „Hier geht es um den fairen Wettbewerb zwischen privater und öffentlicher Wirtschaft. Steuerliche Gleichbehandlung von privatem Wirtschaften einerseits und der wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand andererseits ist die Grundlage von einem fairen Wettbewerb. Gerade wenn sich die Kommunen immer mehr wirtschaftlich betätigen, ist es essenziell, dass dies dann auch nach den gleichen Spielregeln wie für die Privatwirtschaft erfolgt.“
Für den BDE besteht daher weiterhin rechtlicher Klärungsbedarf: „Wir haben mit Interesse den Hinweis der BFH-Richter gelesen, dass das Recht der Europäischen Kommission unberührt bleibt, von sich aus die Vereinbarkeit der Steuerbegünstigung mit dem Binnenmarkt zu prüfen. Wir werden die Kommission auffordern, die Steuerbegünstigung des sogenannten Stadtwerkemodells zu prüfen. Wir erwarten hier auch die Unterstützung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie.“
Unklar ist aus Sicht des BDE die Rolle des Bundesfinanzministeriums (BMF) bei der Klagerücknahme. Das BMF sei stets von der beihilferechtlichen Zulässigkeit des deutschen Sonderweges ausgegangen. Kurth: „Sollte auch das BMF die Entscheidung durch den EuGH nicht gewollt haben, wäre klar, dass auch im BMF große Zweifel bestehen und der steuerliche Querverbund wackelt. Andernfalls würde man sich ja nicht einer Entscheidung durch das oberste europäische Gericht entziehen. Den Kopf in den Sand zu stecken war aber noch nie eine gute Idee. Jeder Kämmerer einer deutschen Kommune ist seit der BFH-Vorlage alarmiert. Mit der Klagerücknahme bleibt es bei der Ungewissheit.“