Die klagende Grundstückseigentümerin wandte sich gegen die Allgemeinverfügung zur Löschwasserversorgung im ländlichen Raum der beklagten Gemeinde Kißlegg, so der VGH zum Sachverhalt. Bei ihren beiden Grundstücken handelt es sich um als Reitanlagen, Weide- und Grünland genutzte Außenbereichsflächen. Auf einem der Grundstücke befindet sich das Anwesen, das aus einem Wohnhaus, landwirtschaftlichen Gebäuden sowie offenen Stallungen nebst zugehöriger Frei- und Landwirtschaftsflächen besteht.
Vor dem Erwerb fragte die Klägerin im Mai 2005 schriftlich bei der Gemeinde an, ob irgendwelche Beschränkungen oder Auflagen bekannt seien, die das Objekt und seine Nutzung beträfen. Das Bürgermeisteramt der Beklagten schickte dieses Schreiben der Klägerin, versehen mit einer kurzen handschriftlichen Antwort, per Telefax Ende Mai 2005 an die Klägerin zurück. Die Frage nach Auflagen und Beschränkungen wurde dabei mit „nein“ beantwortet.
Löschwasserversorgung nicht sichergestellt
Auf dem Grundstück befindet ein Löschwasserteich, der vom Voreigentümer im Zuge von Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen des Wohngebäudes für die Löschwasserversorgung der Liegenschaft angelegt worden war. Die Baugenehmigung dafür war vom Landratsamt Ravensburg am im Juni 1997 erteilt worden. Sie sieht für den Löschwasserteich eine Fläche von ca. 190 m² und im zentralen Bereich eine maximale Tiefe von 1,50 m vor.
Die Beschickung des Löschwasserteichs mit Dach- und Oberflächenabflusswasser erfolgt nach der Baugenehmigung über eine Zuleitung vom etwa 90 m entfernten Anwesen der Klägerin. Bei maximalem Wasserspiegel soll der Teich ca. 148 m³ fassen, bei mittlerem Wasserspiegel ca. 103 m³. Auf den Grundstücken der Klägerin ist außerdem für die Hauswasserversorgung ein Bohrbrunnen mit Pumpe vorhanden, die nach dem Bericht des Landratsamts Ravensburg Umweltamt aus dem November 2011 mengen- und zeitmäßig die Löschwasserversorgung nicht sicherstellen kann.
Gemeinderat beschließt Übertragung auf Eigentümer
Die Grundstücke der Klägerin sind vom Feuerwehrhaus der Gemeinde Kißlegg etwa 2 bis 3 km Luftlinie entfernt, vom Ortsrand ca. 1,5 bis 2 km Luftlinie. Die Fahrtstrecke vom Feuerwehrhaus zum Anwesen beträgt etwa 4 bis 5 km, die Fahrzeit etwa 9 Minuten.
Im Jahr 1996 beschloss der Gemeinderat, dass die Grundpflicht der Gemeinde zur Sicherstellung der Löschwasserversorgung gemäß auf die Eigentümer oder Besitzer von abgelegenen Gebäuden übertragen werden solle. Ende 1999 veröffentlichte die Gemeinde in ihrem Amtsblatt eine Allgemeinverfügung ihres Bürgermeisters. Mit dieser wurden alle Eigentümer und Besitzer der einzeln aufgeführten Wohnplätze unter Anordnung des Sofortvollzugs verpflichtet, Löschwasservorräte ständig bereitzuhalten und dafür Löschwasseranlagen zu errichten und zu unterhalten.
Vorzuhaltender Mindestvorrat von 96 m³
Sofern die benötigte Löschwasserversorgung mit einer Lieferleistung von 800 Litern pro Minute und einem Druck von mindestens 1,5 bar nicht aus der öffentlichen Versorgungsleitung sichergestellt sei, betrage der vorzuhaltende Mindestvorrat 96 m³. Dabei müssten die vorgesehenen netzunabhängigen Oberflächengewässer ganzjährig eine Entnahme von 800 Litern pro Minute gewährleisten, und die Entfernung zu den Wasserentnahmestellen dürfe grundsätzlich 200 m nicht überschreiten.
Die netzunabhängige Bevorratung müsse über eine befestigte Zufahrt für Feuerwehrfahrzeuge erreichbar sein. Der Nachweis einer ausreichenden Löschwasserversorgung sei bis zum 29.09.2000 zu erbringen. Zur Begründung der Allgemeinverfügung wurde auf hohe Gestehungs- und Unterhaltungskosten der benötigten Löschwasserversorgung verwiesen, die für die Gemeinde bezüglich der Ersteinrichtung bei ca. 2,5 Millionen DM lägen.
Es sei sachgerecht, dass die Kostenlast von denjenigen getragen werde, in deren Interesse die Einrichtungen zu schaffen seien. Die Löschwasserversorgung sei auf den aufgeführten Wohnplätzen nicht gesichert, aber zum Schutz von Leben, Gesundheit und Eigentum unverzichtbar. In einer unter der Veröffentlichung der Allgemeinverfügung abgedruckten Information wurde den Betroffenen Beratung durch die Gemeinde und bei Bedarf eine Informationsveranstaltung angeboten.
Eigentümerin erhebt Widerspruch gegen die Allgemeinverfügung zur Löschwasserversorgung
Die Eigentümerin erhob Widerspruch gegen die Allgemeinverfügung zur Löschwasserversorgung, von der sie nach eigenen Angaben erstmals im Mai 2012 im Verfahren um den Löschwasserteich Kenntnis erlangt habe. Zuvor sei ihr die Allgemeinverfügung nicht bekanntgegeben worden. 2013 erhob die Eigentümerin Untätigkeitsklage, mit der sie beantragte, die Nichtigkeit der Allgemeinverfügung festzustellen oder diese Allgemeinverfügung, soweit sie ihr Anwesen betrifft, aufzuheben. Die Allgemeinverfügung sei auch deshalb nichtig, weil die Gemeinde keine Verfügung im Original vorgelegt habe. Die durchgeführte öffentliche Bekanntgabe sei unzulässig und daher nicht wirksam gewesen.
VVG Sigmaringen weist Klage ab
Das Verwaltungsgericht Sigmaringen wies die Klage Ende 2014 ab, da die Allgemeinverfügung nicht an schwerwiegenden Fehlern leide.
Die Berufung gegen dieses Urteil hat der VGH Baden-Württemberg zurückgewiesen. Der Verlust des Originals eines Verwaltungsakts führt dem Urteil zufolge nicht schon für sich gesehen zur Ungültigkeit der Verfügung. Zudem habe die Beweisaufnahme ergeben, dass dem Bürgermeister im November 1999 auch das Original der Allgemeinverfügung über die Löschwasserversorgung im ländlichen Raum zur Unterschrift vorgelegt wurde und er dieses Original mit vollem Namen unterschrieb.
Das Vorbringen der Klägerin, dass die Allgemeinverfügung rechtlich nicht existent sei, da die Beklagte mit einer unvollständigen Verwaltungsakte den ihr obliegenden Beweis, dass die Allgemeinverfügung im Original erlassen worden sei, nicht erbracht habe und dass die Beklagte insoweit gegen ihre Pflicht zur Führung, Aufbewahrung und Vorlage einer vollständigen Akte verstoßen habe, sei daher unbegründet.
Allgemeinverfügung ist öffentlich bekannt gegeben worden
Die Allgemeinverfügung sei auch öffentlich bekannt gegeben worden. Die öffentliche Bekanntgabe eines schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsaktes werde nach dem Landesverwaltungsverfahrensgesetz (LVwVfG) dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil ortsüblich bekannt gemacht wird. In der ortsüblichen Bekanntmachung sei anzugeben, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können.
Zwar fehlte hier der Hinweis, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können. Aber die Allgemeinverfügung sei nicht nur in ihrem verfügenden Teil, sondern im vollen Wortlaut mit Begründung und Rechtsbehelfsbelehrung im Amtsblatt veröffentlicht worden. Daher sei der Hinweis, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können, entbehrlich gewesen, stellt der VGH fest.
Bestätigt werde dies durch den Sinn und Zweck der Vorschrift. Der Zweck des Bekanntgabeerfordernisses sei es, zu gewährleisten, dass dem Bürger Pflichten nur auferlegt werden können, wenn er von ihnen in Kenntnis gesetzt wird. Es sei aufgrund des Rechtsstaatsprinzips geboten, dass Hoheitsakte erst dann gegenüber dem Bürger Rechtswirkungen entfalten können, wenn sie ihm persönlich oder in ordnungsgemäßer Form öffentlich bekanntgegeben worden sind.
Verhaltensbefehl soll zur Kenntnis gebracht werden
Gegenstand des Bekanntgabeerfordernisses sei jedoch nur der verfügende Teil des Verwaltungsakts; die Begründung und die Rechtsbehelfsbelehrung seien dagegen nicht Gegenstand des Bekanntgabeerfordernisses. Ausgehend von diesem begrenzten Gegenstand des Bekanntgabeerfordernisses, sei es dessen Zweck, dem Betroffenen den Verhaltensbefehl des Verwaltungsakts zur Kenntnis zu bringen. Bezogen auf die öffentliche Bekanntgabe nach dem LVwVfG bedeutet dies, dass die öffentliche Bekanntmachung des verfügenden Teils des Verwaltungsakts diesen Zweck bereits erfüllt. Zugleich habe die öffentliche Bekanntmachung des verfügenden Teils zusammen mit dem Hinweis nach dem LVwVfG Anstoßwirkung für den vom Verwaltungsakt Betroffenen, sich über den Inhalt der Begründung und im Hinblick auf Rechtsschutzmöglichkeiten über die Rechtsbehelfsbelehrung zu erkundigen.
Wirksamkeit hängt auch nicht von Unterschrift ab
Die Wirksamkeit der Bekanntgabe hängt dem Urteil zufolge entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht davon ab, dass sowohl der Verwaltungsakt im Original als auch ein Vermerk über die Bekanntgabe unterschrieben sind.
Weitergehende, hier nicht beachtete gesetzliche Anforderungen an die Bekanntgabe der Allgemeinverfügung ergeben sich daraus jedoch nicht, heißt es weiter. Werde die öffentliche Bekanntgabe – wie hier durch Veröffentlichung im Amtsblatt - bewirkt, mache ein Erfordernis, auf dem bekanntgegebenen Verwaltungsakt - oder in den Akten - den Tag der Bekanntgabe zu vermerken, inhaltlich keinen Sinn. Aus dem Amtsblatt selbst sei der Tag der Bekanntgabe klar ersichtlich. Eines unterschriebenen Vermerks über die Bekanntgabe bedürfe es daher nicht.