Durch die Abluft von Industriebetrieben können PFAS, die zum Beispiel in der Beschichtung von Kaffeebechern, für Outdoorjacken oder Löschschäume verwendet werden, in umliegende Böden und Gewässer verlagert werden, so das UBA. PFAS könnten auch an Partikel anhaften und so über weite Strecken in der Luft bis in entlegene Gebiete transportiert werden, deshalb seien sie auch in den Polargebieten und alpinen Seen zu finden, weit weg von industrieller Produktion und menschlichen Siedlungen. Über Regen und Schnee gelangten PFAS aus der Luft wiederum in Boden und Oberflächengewässer.
Eintrag über behandeltes Abwasser
Zusätzlich werden PFAS über das behandelte Abwasser in Gewässer eingetragen oder verunreinigen Böden durch die Verwendung von PFAS-haltigen Löschschäumen. Weil sie sich nicht abbauen, verbleiben PFAS in Wasser und Boden und reichern sich an. Auswertungen der Umweltprobenbank zeigen, dass z. B. Seehunde, Seeadler oder Otter stark mit PFAS belastet sind. Über das Wasser landen die Chemikalien in Fischen und so auch in Tieren, die sich von Fisch ernähren.
„Die Perfluorchemie hat wenig Zukunft“
Im Sinne einer sicheren Chemie gehörten diese Chemikalien auf den Prüfstand, sagte Messner. „Die Perfluorchemie hat für mich wenig Zukunft“. Nur Erzeugnisse und Materialien, die wirklich notwendige Leistungen etwa für den Gesundheitsschutz, z. B. für medizinische Geräte oder Schutzkleidung für Feuerwehren bereitstellen, sollten weiter genutzt werden dürfen. Aufgrund der Größe der Stoffgruppe sei das Verbot oder die Beschränkung von einzelnen Chemikalien nicht sinnvoll. Das UBA erarbeitet derzeit mit anderen Behörden aus Deutschland, den Niederlanden, Dänemark, Schweden und Norwegen ein weitgehendes EU-weites Verbot im Rahmen der EU-Chemikalienverordnung REACH für die gesamte Stoffgruppe.
Einige PFAS gelten unter REACH bereits als besonders besorgniserregende Stoffe (substances of very high concern, SVHC), da sie sehr langlebig sind, sich in Organismen anreichern und für Menschen schädlich sein können. Für besonders besorgniserregende Stoffe gelten im Rahmen der REACH-Verordnung besondere Auskunftspflichten, führt das UBA aus. So könne eine Zulassungspflicht entstehen, d. h. nur explizit zugelassene Verwendungen dürften weiter genutzt werden. Außerdem gelten für einige PFAS - z. B. für Perflouroctansulfonsäure (PFOA) inklusive der Vorläuferverbindungen - bereits Beschränkungen bei der Herstellung und bei der Verwendung – so darf PFOA ab Juli 2020 nicht mehr in der EU hergestellt werden. Für Verbraucherprodukte gelten strenge Grenzwerte für PFOA und Vorläuferverbindungen. Diese Regulierung zeige auch Erfolge: In der Umweltprobenbank des UBA lasse sich nachvollziehen, dass die Belastung der Menschen mit PFOA und PFOS im Zeitverlauf abnimmt.
Kinder und Jugendliche haben zu viele PFAS im Blut
Die Gefährdung durch die Stoffgruppe zeigt sich dem UBA zufolge auch daran, dass In Deutschland Kinder und Jugendliche zwischen 3 und 17 Jahren zu viele PFAS im Blut haben. Nach der Auswertung der repräsenativen Deutschen Umweltstudie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen (GerES V) habe in einem Fünftel der untersuchten Proben die Konzentration für Perfluoroktansäure (PFOA) über dem von der Kommission Human-Biomonitoring festgelegten HBM-I-Wert gelegen. Erst bei Unterschreitung des HBM-I-Wertes sei nach dem aktuellen Kenntnisstand eine gesundheitliche Beeinträchtigung auszuschließen.
Die Stoffgruppe der PFAS umfasst über 4.700 verschiedene Chemikalien. PFOS (Perfluoroktansulfonsäure) und PFOA (Perfluoroktansäure) - wurden in der GerES-Studie am häufigsten gefunden. Mit PFOS waren 100 Prozent aller Kinder in der Studie belastet. PFOA fand sich in 86 Prozent der insgesamt 1.109 untersuchten Blutplasma-Proben. Damit liegen die Werte teilweise über den von der Kommission Human-Biomonitoring (HBM) festgelegten Schwellen. 21,1 Prozent der Proben lagen über dem HBM-I-Wert für PFOA, 7,1 Prozent über dem HBM-I-Wert für PFOS. 0,2 Prozent der Proben überschritten den HBM-II-Wert für PFOS. Der HBM-II-Wert beschreibt eine Konzentration, ab der nach heutigem Kenntnisstand eine relevante gesundheitliche Beeinträchtigung möglich ist.
PFOS-Gehalte in Oberflächengewässern müssen gemessen werden
Das UBA weist darauf hin, dass PFOS-Gehalte in Oberflächengewässern von den Behörden gemessen werden müssen, da die Europäische Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) PFOS als prioritär gefährlichen Stoff definiert. Fische oder Muscheln würden auf PFOS untersucht, da sich die Chemikalie in Wasserorganismen anreichert, die als Nahrungsmittel dienen. Die Umweltqualitätsnorm von PFOS liegt den Angaben zufolge bei 9,1 μg/kg Fisch bzw. Muschel - ein Wert, der zum Schutz der menschlichen Gesundheit nicht überschritten werden dürfe. Bei Überschreitung müssten Maßnahmen zur Verminderung der PFOS-Gehalte im Gewässer ergriffen werden.
Da PFAS in Gewässern mehrerer EU-Mitgliedstaaten zu Problemen führten, habe die schlägt die EU-Kommission vorgeschlagen, in Zukunft weitere PFAS in Oberflächengewässern zu analysieren und die Einträge zu reduzieren.
Bislang keine Werte für das Grundwasser
Dem UBA zufolge gibt derzeit weder auf europäischer noch deutscher Ebene Schwellenwerte für PFAS für die Beurteilung des chemischen Zustands des Grundwassers. Eine Expertengruppe habe der EU-Kommission zehn PFAS vorgeschlagen, für die in der EU-Grundwasserrichtlinie EU-weite Schwellenwerte abgeleitet werden sollten. Zwei weitere PFAS sollten auf eine Grundwasser-Beobachtungsliste aufgenommen werden, da für diese Stoffe noch keine ausreichenden Monitoringergebnisse in den Mitgliedstaaten vorliegen, sie aber auch für regelungsrelevant gehalten werden.
In Deutschland haben die Bund-Länder Arbeitsgemeinschaften Wasser (LAWA) und Boden (LABO) Geringfügigkeitsschwellenwerte für das Grundwasser (GFS) abgeleitet, die eine Konzentration für das Grundwasser definieren, bis zu der keine relevanten schädlichen Wirkungen für Mensch und Umwelt auftreten können. Allerdings werde der aktuelle Kenntnisstand zu diesen gesundheitlichen Risiken der PFAS von der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA neu bewertet. Es sei deshalb zu erwarten, dass auch die GFS-Werte in Zukunft basierend auf den EFSA-Bewertungen angepasst werden müssten.