„Hitze- und Dürreperioden haben spürbare Auswirkungen auf die Branche“


Herr Dr. Merkel, welche Auswirkungen des Klimawandels bekommen die Wasserversorger aus Ihrer Sicht besonders hart zu spüren?


Insbesondere die aufgrund des Klimawandels zunehmend ausgeprägten Hitze- und Dürreperioden haben spürbare Auswirkungen auf die Branche. Der damit einhergehende Mangel an Niederschlägen hat zur Folge, dass den Versorgern weniger Ressourcen zur Verfügung stehen. Hinzu kommt, dass bei hohen Temperaturen der Wasserverbrauch signifikant ansteigt. Das führt zu zunehmenden Nutzungskonkurrenzen in den Gewinnungsgebieten und einer Maximalauslastung der Versorgungssysteme.


Ist die Wasserwirtschaft in Deutschland zu kleinteilig, um auf den Klimawandel wirksam reagieren zu können?


Die Wasserversorgung in Deutschland beruht auf der ortsnahen Versorgung plus einem entwickelten Fernversorgersystem in Gebieten mit regionalen Wasserengpässen. Durch den Klimawandel ändern sich die wasserwirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Das Zusammenwirken von „überregionalen Strukturen“ und „ortsnaher Versorgung“ und die dafür notwendige Infrastruktur muss analysiert und gegebenenfalls neugestaltet werden. Hierzu haben einige Bundesländer bereits regionale oder landesweite Versorgungskonzepte angestoßen, an denen große und kleine Versorger und der DVGW mitwirken.


Wie kann Ihrer Meinung nach die Resilienz des Wasserversorgungssystems bei Extremwetterereignissen erhöht werden? Ist der seit Jahren sinkende Wasserverbrauch in diesem Zusammenhang eher positiv oder eher negativ zu werten?


Vorweg: Wir beobachten in vielen Versorgungsgebieten in Deutschland seit 2-3 Jahren einen wieder steigenden Wasserbedarf. Um den zukünftigen Anforderungen an Extremwetterereignissen, allen voran hohen Temperaturen und längeren Trockenperioden, gerecht zu werden, sollten Länder und Kommunen unter Einbeziehung aller wassernutzenden Akteure regionale und lokale Zukunftsbilder für die nächsten Jahrzehnte entwickeln. Die Wasserversorger erarbeiten darauf aufbauend ihre spezifischen Versorgungs-, Vorsorge- und Krisenkonzepte. Zu diesen Aufgaben gehört es, regionale und überregionale Wasserangebote und Vulnerabilitäten herauszuarbeiten ebenso wie zukünftige Wasserbedarfe zu identifizieren und zu quantifizieren. Vorranggebiete für die Trinkwassergewinnung müssen gesichert oder als Reservegebiete neu etabliert werden. Ein nachhaltiges überregionales Wassermanagement erhöht die Resilienz, und die Produktions-, Transport- und Speicherkapazitäten müssen an den Klimawandel angepasst werden. Ebenso entscheidend ist auch, dass eine Bewusstseinsbildung und Kommunikation zu diesen Herausforderungen mit allen Beteiligten erfolgt.


Was muss getan werden, um den Vorrang der Trinkwasserversorgung vor anderen Wassernutzungen besser zu verteidigen?


Der Vorrang der öffentlichen Wasserversorgung ist zwar gesetzlich verankert; die rechtlichen Bestimmungen im Vollzug müssen künftig aber viel konsequenter als bislang angewandt werden. Das heißt, das Wasserrecht muss durch landesweit einheitliche klare Leitlinien für die Praxis ergänzt werden.


Die öffentliche Wasserversorgung muss Vorrang zur Nutzung der Ressourcen insbesondere gegenüber Landwirtschaft und Industrie haben, um einen höheren Wasserbedarf, zum Beispiel infolge der Klimaveränderung, auffangen zu können. Konkurrierende Nutzungsansprüche und langwierige Genehmigungsverfahren machen den Versorgern jedoch zunehmend zu schaffen. Dabei ist wichtig, dass die wasserrechtliche Bewilligung die prädestinierte Zulassungsform für die öffentliche Wasserversorgung ist. Dies wird dem gesetzlichen Vorrang gerecht und gibt der öffentlichen Wasserversorgung die benötigte Planungssicherheit.


Inwiefern schlägt sich das Thema „Klimawandel in der Wasserwirtschaft“ in der Verbandsstruktur des DVGW nieder?


Der DVGW ist die fachkundige Stimme des Wassers in Deutschland und entwickelt gemeinsam mit den Branchenexperten Lösungen für die heutigen und zukünftigen Herausforderungen der Wasserversorgung. Die Auswirkungen des Klimawandels sind mittlerweile ein fester Agendapunkt
in den Fachgremien, und Anpassungsmaßnahmen werden im technischen Regelwerk verankert. Einen strukturierten Ansatz verfolgt zudem das Expertenforum „Zukunftsbilder“ der fachpolitischen Dialogserie „Wasser-Impuls“, das Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Verbänden an einen Tisch bringt. Auch die kürzlich erfolgte Schaffung eines Vorstands-Ressorts „Wasser“ prägt die fachliche Expertise und strategische Ausrichtung mit Blick auf Ressourcen- und Zukunftssicherung im DVGW-Verbund.