Die Antragstellerin ist Eigentümerin eines Hausgrundstückes, auf dem sie mit ihrer Familie und in eine Pizzeria betreibt. Das Hausgrundstück befindet sich im südwestlichen Uferbereich eines Fließgewässers. Der Anbau des Gebäudes wurde von der Voreigentümerin als Gebäudeerweiterung im Überschwemmungsbereich unweit zur Uferböschung errichtet. Im November 2018 stellte die Eigentümerin des Hausgrundstückes bei der Gemeinde den Antrag, die Sicherung des nahe gelegenen Ufers vorzunehmen. Sie hatte Rissbildungen zwischen Anbau und dem Restgebäude festgestellt und führte diese auf das Gewässerufer zurück, das ihrer Auffassung nach infolge von Hochwasserereignissen schadhaft war.
Die Gemeinde lehnte den Antrag im Juli 2019 mit der Begründung ab, sie sei kraft Gesetzes ausschließlich für die Gewässerunterhaltung zuständig. In zwei Ortsterminen sei festgestellt worden, dass die von der Gemeinde durchgeführten Pflege- und Unterhaltungsmaßnahmen ordnungsgemäß durchgeführt worden seien. Die Ufer im Bereich der Liegenschaft seien intakt und unbeschädigt.
„Gewünschte Arbeiten haben nichts mit Gewässerunterhaltung zu tun“
Nach einem von der Eigentümerin vorgelegten Angebot einer Firma müsse ins Ufer insbesondere deshalb eingegriffen werden, um an die Fundamente und die Grundmauern des Gebäudes zu gelangen, um es abzudichten. Die von der Eigentümerin auf der Grundlage des Angebots gewünschten Arbeiten hätte daher mit Gewässerunterhaltung nichts zu tun, so die Behörde. Im Gegenteil würde das Unternehmen in das intakte Ufer eingreifen, um das Gebäude baulicherseits erreichen zu können.
In einem Baugrundgutachten, das die Gemeinde im Mai 2020 zu dem Bauschaden in Auftrag gegeben hatte, wurde die Schadensursache auf die durch Erosion veränderte Lage zu dem Gewässer begründet. Der Bach trage bei jedem Hochwasser Boden aus der Uferböschung ab, und durch gleichzeitige Suffosion – das Ausschlämmen von feinen Bodenteilchen - werde der Baugrund zusätzlich geschwächt. Die Böschung musste dem Gutachten zufolge bereits mit Steinblöcken, Beton und Sandsäcken vor dem kompletten Abrutschen gesichert werden.
Landkreis spricht Nutzungsverbot aus
Nach einem weiteren Ortstermin im Juni 2020 sprach der Landkreis ein Nutzungsverbot für den Anbau aus. Im September 2020 suchte die Eigentümerin um einstweiligen Rechtsschutz nach. Sie ist der Ansicht, die Gemeinde sei nach den Bestimmungen des Wasserrechts für die Gewässerunterhaltung verantwortlich. Dazu gehöre auch eine ordnungsgemäße Uferbefestigung. Das Gebäude der Antragstellerin sei akut gefährdet, der Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Abwendung weiterer Schäden zwingend erforderlich.
Das Verwaltungsgericht Kassel hat den Antrag abgelehnt. Die Gewässerunterhaltung sei eine öffentlich-rechtliche Verbindlichkeit, die allein in Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe und im Interesse der Allgemeinheit wahrgenommen wird, heißt es in dem Beschluss. Drittbetroffene hätten keinen Anspruch auf Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Unterhaltungspflicht und könnten daher grundsätzlich weder vom Träger der Unterhaltungslast noch von der Aufsichtsbehörde fordern, eine Unterhaltungsmaßnahme durchzuführen.
Führe die Verletzung der Unterhaltungspflicht aber zu einem Eingriff in das durch Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz geschützte Eigentumsrecht eines Dritten, so habe dieser einen öffentlich-rechtlichen Beseitigungsanspruch gegen den Unterhaltspflichtigen nach § 1004 BGB. Das Antragsbegehren sei im vorliegenden Fall nicht auf die Erfüllung der Unterhaltungspflicht an sich gerichtet, sondern es werde die Abwehr eines Eingriffs in das Eigentum der Antragstellerin aufgrund angeblich unzureichender Unterhaltung durch die Behörde geltend gemacht.
Gericht: Voraussetzungen eines Beseitigungsanspruchs liegen nicht vor
Die Voraussetzungen eines öffentlich-rechtlichen Beseitigungsanspruchs liegen hier nach der Einschätzung des Verwaltungsgerichts aber nicht vor. Es sei nicht ersichtlich, dass eine Eigentumsgefährdung kausal auf eine Verletzung der Unterhaltspflicht zurückzuführen sei.
Nach dem Hessischen Wassergesetz (HWG) obliege bei natürlichen Gewässern zweiter und dritter Ordnung den Anliegergemeinden die Pflicht zur Unterhaltung, führt das Gericht aus. Der Bach sei ein Gewässer zweiter Ordnung, so dass die Gemeinde auch unterhaltungspflichtig sei. Es sei in dem Fall aber nicht glaubhaft vermittelt worden, dass die geltend gemachte Eigentumsgefährdung durch eine Verletzung der Unterhaltungspflicht verursacht worden wäre. Dies lasse sich bei der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung auch nicht feststellen, heißt es indem Beschluss.
So sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass das Wasser auch bei Hochwasserereignissen infolge fehlender Unterhaltungsmaßnahmen nicht abfließen könne. Auch dass ein auf unzureichende Unterhaltung zurückzuführender Uferabbruch drohte, sei nicht glaubhaft gemacht worden.
Nach § 39 Abs. 1 Satz 2 WHG gehören zur Gewässerunterhaltung insbesondere - im konkreten Fall lediglich in Betracht kommend - die Erhaltung des Gewässerbetts, auch zur Sicherung eines ordnungsgemäßen Wasserabflusses, die Erhaltung der Ufer, insbesondere durch Erhaltung und Neuanpflanzung einer standortgerechten Ufervegetation, sowie die Freihaltung der Ufer für den Wasserabfluss.
Auf Fotos der Uferbefestigung im Bereich des Bachlaufes erscheine die Uferbefestigung am Grundstück der Antragstellerin, wie auch am Ufer gegenüber und im weiteren sichtbaren Flussverlauf, beanstandungsfrei und die Vegetation intakt, stellt das Gericht fest. Dass eine zusätzliche Ufersicherung erforderlich sei, sei nicht ersichtlich.
Abfluss auch bei Hochwasser gesichert
Auch habe der Bürgermeister der Gemeinde ausgeführt, dass der Abfluss des Wassers - auch bei Hochwasser - gesichert, die Uferbefestigung in Ordnung und die Bepflanzung intakt sei. Nichts habe auf Veränderungen, Unterspülungen, Abschwemmungen oder ähnliches hingedeutet. Eine ordnungsgemäße Unterhaltung habe auch der Landkreis in einem Schreiben an die Eigentümerin festgestellt. Die Sicherung und Abdichtung des Anbaus läge bei den Grundstückseigentümern. Da für eine solche Baumaßnahme ein Eingriff in den Uferbereich nötig sei, sei dafür ein Antrag auf wasserrechtliche Genehmigung zu stellen.
Dass ein Uferabbruch bzw. ein Abrutschen der Böschung kausal aufgrund unzureichender Unterhaltungsmaßnamen der Behörde drohte, ist für das Verwaltungsgericht nicht glaubhaft gemacht. Auch wenn eine weitere Sicherung des Ufers zur Stabilisierung des Baugrundes zur anschließenden Gebäudesanierung erforderlich sein sollte, ergebe sich daraus jedenfalls nicht, dass eine solche wasserrechtlich zur Erhaltung der Standfestigkeit des Ufers gegenüber dem Wasserfluss und zur Sicherung des Ufers gegen Abbruch notwendig war, mithin eine Pflichtverletzung der Behörde ursächlich für die Eigentumsgefährdung ist.
Wesentliche Umgestaltung nicht im Rahmen der Unterhaltungspflicht zu verlangen
Eine Umgestaltung der Uferbefestigung, um zu verhindern, dass sich der Bach bzw. Fluss durch Erosion näher an den Anbau heranschiebt, stellte sich im konkreten Fall auch als eine wesentliche Umgestaltung, mithin als ein Ausbau im Sinne von § 67 WHG dar. Gemäß § 67 Abs. 2 Satz 1 WHG ist Gewässerausbau die Herstellung, die Beseitigung und die wesentliche Umgestaltung eines Gewässers und seiner Ufer. Eine wesentliche Umgestaltung des Gewässers kann im Rahmen der Unterhaltungspflicht aber nicht verlangt werden.
Was als wesentliche Umgestaltung und damit nicht mehr als unterhaltende Entwicklung nach § 39 WHG, sondern als Ausbau gemäß § 67 Abs. 2 WHG zu fassen ist, bestimmt sich nach den Gegebenheiten im Einzelfall. Als Veränderungen im Gewässer im Rahmen der Unterhaltungspflicht würden z.B. Sedimentberäumungen, die routinemäßige Entfernung von Bewuchs zur Sicherung der Funktionsfähigkeit von Deichen und damit unbedeutende, ohne erheblichen Aufwand zu bewirkende Maßnahmen angesehen.
Von der Antragstellerin werde demgegenüber eine Uferbefestigung für notwendig gehalten, die nicht nur das Ufer gegen den Wasserfluss sichern, sondern auch geeignet sein muss, das Fundament für ihr Haus zu sichern bzw. dessen Tragfähigkeit zu erhalten, so der EuGH. Dies ergebe sich auch aus dem vorgelegten Angebot der Firma vom August 2020, wo beispielhaft von einer Ufermauer die Rede sei. Die Errichtung einer derartigen Befestigung stelle zum einen bereits vom Aufwand her keine unbedeutende Maßnahme mehr dar, zum anderen würde dadurch auch die äußere Gewässer- bzw. Ufergestalt nicht nur unerheblich verändert.
Den Streitwert hat das Gericht auf 15.000 EUR festgesetzt.