Die klagende GmbH & Co KG ist Eigentümerin mehrerer Grundstücke, auf denen von 1947 bis 1992 eine Uhrenfabrik betrieben wurde, heißt es in dem Beschluss zum Sachverhalt. Bei der Uhrenproduktion gelangte eine erhebliche Menge leichtflüchtiger halogenierte Kohlenwasserstoffe (LHKW) in den Untergrund. Diese Verunreinigungen gehen im Wesentlichen auf verschiedene Störfälle an einem LHKW-Tanklager in den Jahren 1976 bis 1978 zurück und wurden von den Behörden ab September 1989 auf dem Betriebsgelände der damaligen E-GmbH festgestellt. 1989 wurden alle Anteile der Uhrenfabrik an die klagende GmbH verkauft.
Klagende GmbH gilt als Handlungsstörerin
In einem Gerichtsverfahren wegen einer Anordnung des beklagten Landkreises Neu-Ulm zu Boden- und Grundwasseruntersuchungen auf dem Gelände hatte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit einem Beschluss (Aktenzeichen: 22 CS 91.2110 vom 31.01.1992) festgestellt, dass die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der Uhrenfabrik sei und damit als Handlungsstörerin für die während der Uhrenfabrikation verursachten Bodenverunreinigungen gelte.
Seit 1995 wurden an den vier Schadensherden auf dem ehemaligen Betriebsgelände Grundwassersanierungs- und Sicherungsmaßnahmen vorgenommen. Sie wurden aber im Jahr 2009 eingestellt, weil ihre Kosten im Vergleich zu ihrem Nutzen unverhältnismäßig hoch waren, so der VGH. Das Grundwasser sei auf dem ehemaligen Betriebsgelände und im Abstrom trotz der Sanierungsmaßnahmen immer noch erheblich belastet, nämlich im Quartärgrundwasser in der Größenordnung von einigen 100 µg/l, im Tertiärgrundwasser von über 10.000 µg/l.
Kläger und Beklagter uneins über weitere Pumpversuche
Im September 2015 einigten sich die GmbH und der beklagte Landkreis Neu-Ulm unter Beteiligung des zuständigen Wasserwirtschaftsamts auf ein Erkundungskonzept für das tertiäre Grundwasser, das die von der Klägerin beauftragte Firma 2015 erarbeitet hatte. Zu diesem Konzept gehörten auch auf mehrere Wochen angelegte Immissionspumpversuche (IPV) mit Probenentnahme und Analytik an Tertiärgrundwasser-Messstellen.
Ein solcher IPV wurde im April 2016 begonnen, an der ersten Messstelle aber wegen Überschreitung des Einleitungsgrenzwerts für das Kanalnetz vorzeitig abgebrochen, an einer zweiten Messstelle wiederholt, dort aber nach einer Woche durch die Klägerin abgebrochen, weil die Beladungskapazität der eingesetzten Filter erschöpft war. Weitere IPV wurden dann nicht mehr unternommen. Über die Notwendigkeit weiterer Pumpversuche waren Klägerin und Beklagter nicht einig.
Im März 2018 verpflichtete das Landratsamt die Klägerin per Bescheid, die Immissionspumpversuche (IPV) mit dem Ziel, ein Sanierungskonzept zu erstellen, fortzuführen und abzuschließen. Zudem wurde angeordnet, das hydrogeologische Modell der GmbH aus dem Oktober 2013 zu vervollständigen und bis spätestens drei Monate nach Vorlage eines Abschlussberichts dem Landratsamt vorzulegen. Die gegen den Bescheid erhobene Anfechtungsklage wies das Verwaltungsgericht Augsburg mit einem Urteil ab (Aktenzeichen: Au 9 K 18.650 vom 25.11.2019).
VGH lehnt Zulassung der Berufung ab
Den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil hat der VGH abgelehnt. Zu Unrecht beanstande die Klägerin die Begründung, mit der das Verwaltungsgericht die fachliche Bewertung des Beklagten bzw. des Wasserwirtschaftsamts als überzeugend angesehen hat, heißt es in dem Beschluss. Das Verwaltungsgericht hatte ausgeführt, dass der fachlichen Beurteilung durch das Wasserwirtschaftsamt, der nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung grundsätzlich ein wesentlich größeres Gewicht als Expertisen von privaten Fachinstituten zukomme, weil sie auf jahrelanger Bearbeitung eines bestimmten Gebiets beruhten, sei die Klägerin bzw. die von ihr beauftragte Fachfirma nicht überzeugend entgegengetreten.
„Wasserwirtschaftsamt bietet fundierte Analysen und Bewertungen“
Deren Einschätzung, die festgestellten Schadstoffwerte müssten von einem anderen Verursacher stammen, beruhten allein auf theoretischen Berechnungen und Vermutungen, denen das Wasserwirtschaftsamt fundierte Analysen und Bewertungen entgegengesetzt habe. Das Verwaltungsgericht sei aber auch nicht vorbehaltlos der fachlichen Einschätzung des Wasserwirtschaftsamts wegen des „größeren Gewichts“ dieser Einschätzung gefolgt und habe auch nicht die Einwände der Klägerin außer Acht gelassen. Vielmehr habe es im Ergebnis die fachlichen Ausführungen des Wasserwirtschaftsamts für überzeugender gehalten als diejenigen der Klägerin bzw. der von ihr beauftragten Fachfirma.
Die Vertreter des Wasserwirtschaftsamts haben nach Angaben des Verwaltungsgerichts in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt, dass das Fließverhalten des quartären Grundwasserstroms nicht mit dem Fließverhalten im Tertiär gleichgesetzt werden könne und die von der Klägerin gezogenen Schlussfolgerungen angesichts der fehlenden Datengrundlage bezüglich der Situation im Tertiär, die auch von dem Sachverständigen der Klägerin eingeräumt wird, nicht überzeuge.
Dieser fachlichen Beurteilung durch das Wasserwirtschaftsamt, der grundsätzlich ein wesentlich größeres Gewicht als Expertisen von privaten Fachinstituten zukomme, weil sie auf jahrelanger Bearbeitung eines bestimmten Gebiets beruhten, sei die Klägerin bzw. die von ihr beauftragte Fachfirma nicht überzeugend entgegengetreten. Deren Einschätzung, die festgestellten Schadstoffwerte müssten von einem anderen Verursacher stammen, beruhen allein auf theoretischen Berechnungen und Vermutungen, denen das Wasserwirtschaftsamt fundierte Analysen und Bewertungen entgegensetzte, so das Verwaltungsgericht.
Klägerin kann keine fehlerhafte Überzeugungsbildung des Gerichts aufzeigen
Nach Auffassung des VGH hat die Klägerin nicht aufzuzeigen können, inwiefern das Urteil auf einer fehlerhaften Überzeugungsbildung des Gerichts beruhe und daher auch ernstliche Zweifel daran bestünden, dass das Urteil im Ergebnis richtig ist. Denn das Gericht entscheide nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Die richterliche Überzeugung müsse aber auf rational nachvollziehbaren Gründen beruhen und insbesondere die Denkgesetze, die Naturgesetze sowie zwingende Erfahrungssätze beachten. Soweit eine fehlerhafte Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts gerügt wird, liegt der Zulassungsgrund nach der Verwaltungsgerichtordnung (VwGO) laut dem VGH nur dann vor, wenn die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts augenscheinlich nicht zutreffen oder beispielsweise wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft sind. Allein die Möglichkeit einer anderen Bewertung der Beweisaufnahme rechtfertige die Zulassung der Berufung nicht.
Vorwurf des Verfahrensfehlers dringt nicht durch
Die GmbH kann beim VGH auch nicht mit dem - sinngemäß erhobenen - Vorwurf durchdringen, dass das Verwaltungsgericht verfahrensfehlerhaft von der Einholung weiterer fachlicher Beurteilungen abgesehen habe. Die schriftliche und mündliche fachliche Beurteilung durch das Wasserwirtschaftsamt im vorliegenden Fall sei als Gutachten zu bewerten - ebenso wie die fachliche Beurteilung durch die von der Klägerin beauftragte Fachfirma. Ob eine Behörde oder das Gericht verpflichtet ist, zusätzlich zu schon vorhandenen Gutachten weitere gutachtliche Äußerungen einzuholen, hänge von der Überzeugungskraft der zu dem fraglichen Problembereich schon vorliegenden gutachtlichen Äußerungen ab, stellt der VGH fest.
Einen gutachtlich aufgehellten Sachverhalt weiter zu erforschen, müsse sich der Behörde grundsätzlich nur dann aufdrängen, wenn ein vorhandenes Gutachten unvollständig, widersprüchlich oder aus sonstigen Gründen nicht überzeugend ist, wenn es auf unzutreffenden tatsächlichen Annahmen beruht, wenn Zweifel an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des erstbeauftragten Sachverständigen bestehen, wenn ein anderer Sachverständiger neuere oder überlegene Forschungsmittel hat oder wenn die Erkenntnisse, die in dem vorliegenden Gutachten ihren Niederschlag gefunden haben, durch substantiierte Einwände eines Beteiligten oder durch die übrige Ermittlungstätigkeit der Behörde ernsthaft in Frage gestellt erscheinen, heißt es in dem Beschluss.
Für den VGH sind die Voraussetzungen, unter denen sich für das Verwaltungsgericht die Einholung eines weiteren Gutachtens hätte aufdrängen müssen, nicht gegeben. Namentlich hat die Klägerin nicht darzulegen vermocht, dass die fachliche Bewertung des Wasserwirtschaftsamts durch von der Klägerin und ihrem Gutachter erhobene substantiierte Einwände ernsthaft in Frage gestellt worden wäre.
Den Streitwert für das Zulassungsverfahren hat der VGH auf 100.000 Euro festgesetzt.