Verbreitung des Coronavirus über das Trinkwasser nahezu ausgeschlossen


Dies liege an dem seit Jahrzehnten eingeführten Multi-Barrieren-System, bestehend aus Ressourcenschutz, Wassergewinnung, Wasseraufbereitung und Wasserverteilung, teilte der DVGW mit. Gleichzeitig seien spezifische Methoden verfügbar, die für eine gezielte Kontrolle des Trinkwassers weiterentwickelt werden könnten.


Die Literaturstudie haben Wissenschaftler des DVGW-Technologiezentrums Wasser (TZW) erstellt. Hierfür haben sie über 300 Publikationen zu Vorkommen und Verhalten des Erregers im Wasser ausgewertet und zusammengefasst. Der Überblick über den aktuellen Wissensstand soll die Unternehmen der Branche mit wissenschaftlich fundierten Aussagen bei der Kommunikation in Sachen Corona unterstützen, erklärte der DVGW. Zudem hat die Studie zum Ziel, komplexe Fachinformationen mit klaren und allgemeinverständlichen Schlussfolgerungen und Interpretationsansätzen zu verschränken.


SARS-CoV-2 wird von einem hohen Prozentsatz infizierter Personen (ca. 40 Prozent) mit dem Stuhl ausgeschieden, heißt es in der Studie. Der molekularbiologische Nachweis erlaube jedoch keine Aussage über die Infektiosität der nachgewiesenen Viren. Bislang seien deutlich weniger Untersuchungen zum Nachweis von infektiösen SARS-CoV-2 in Stuhlproben und Abwasser durchgeführt worden. Im Abwasser wurden bislang keine infektiösen Viren nachgewiesen, hält das TZW fest.


Bislang nur eine Untersuchung zum Vorkommen von Coronaviren im Oberflächenwasser


Auch gebe es bisher sehr wenige Untersuchungen zum Vorkommen von Coronaviren im Oberflächenwasser. Nur eine Studie befasse sich mit dem spezifischen Nachweis von SARS-CoV-2 im Oberflächenwasser. Dabei wurden laut TZW molekularbiologische Signale von SARS-CoV-2, aber keine infektiösen Erreger (Zellkultur) detektiert. Die Befunde seien auf die Einleitung von unbehandeltem Abwasser bei einem Starkregenereignis zurückgeführt worden.


Der Nachweis der molekularbiologischen Signale von SARS-CoV-2 im Abwasser besitzt ein hohes Potential für ein integrales Monitoring der Infektionsraten in Einzugsgebieten im Sinne einer Abwasser-basierten Epidemiologie, betonen die Studienautoren. Wie berichtet, wurden SARS-CoV-2-Signale in einigen Untersuchungsgebieten im Abwasser detektiert, bevor die ersten COVID-19-Infektionen gemeldet wurden. Studien belegen zudem eine parallele Zu- und Abnahme der RNA-Kopien im Abwasser und der gemeldeten COVID-19-Fälle, so das TZW. Auch werde der Ansatz der Abwasser-basierten Epidemiologie in vielen Ländern verfolgt.


TZW empfiehlt Abwasserüberwachungskampagnen


Mit der Überwachung des Abwassers im Sinne der Abwasser-basierten Epidemiologie könnten wertvolle Informationen über die Prävalenz von Infektionen in der Gemeinschaft gewonnen werden, unterstreicht das TZW in seiner Studie. Eine kontinuierliche und systematische Überwachung des Abwassers könne Frühwarnsignale liefern und möglicherweise nicht-diagnostizierte Infektionen auf Bevölkerungsebene identifizieren. Es sollten landesweite und internationale Abwasserüberwachungskampagnen durchgeführt werden, um die zeitliche und räumliche Dynamik der Krankheitsprävalenz, die molekulare Epidemiologie und Entwicklung des Virus sowie die Wirksamkeit von Interventionen des öffentlichen Gesundheitswesens besser zu verstehen, raten die Autoren.


Des Weiteren kommt die Studie zu dem Schluss, dass sich die derzeit eingesetzten Methoden für den molekularbiologischen Nachweis erheblich unterscheiden. Ein quantitativer Vergleich von Ergebnissen sei somit nicht möglich. Insgesamt bestehe Bedarf für einen Abgleich und eine Harmonisierung der Methoden.


Das TZW geht in der Literaturstudie außerdem auf Daten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein. Demnach gibt es bisher keine Hinweise, dass das Coronavirus SARS-CoV-2 über den Wasserweg übertragen wird. Für andere Coronaviren, die SARS-CoV-2 ähneln, habe gezeigt werden können, dass Wasser kein relevanter Übertragungsweg sei.


Bei höheren Temperaturen sind Coronaviren weniger überlebensfähig


Bisherige Daten zum Verhalten von Coronaviren in aquatischen Systemen hätten darüber hinaus gezeigt, dass Coronaviren einer stärkeren Abnahme bei höheren Temperaturen unterliegen. So konnte in einer Studie SARS-CoV-2 in unterschiedlichen Wassermatrices bei 20 °C maximal zwei Tage lang nachgewiesen werden, wohingegen bei 4 °C ein Nachweis von länger als 14 Tagen möglich war. Mehrere Studien hätten die Temperatur-Abhängigkeit belegt.


In einer komplexen Matrix seien Coronaviren allerdings nicht stabil. Im Abwasser konnte die schnelle Inaktivierung eines humanen und eines tierischen Coronavirus beobachtet werden, während die Viren im Leitungswasser längere Zeit stabil waren, so das TZW. Im Umkehrschluss seien Coronaviren bei niedrigen Temperaturen und in sauberem oder wenig belastetem Wasser über längere Zeiträume nachweisbar und auch infektiös.


Bei der Bewertung einer möglichen Relevanz von SARS-CoV-2 für das Trinkwasser müsse jedoch berücksichtigt werden, dass das Virus im Abwasser schnell inaktiviert wird. Die Zahl der Viren werde durch die herkömmliche Abwasserbehandlung zudem deutlich reduziert. So konnte in zwei Studien SARS-CoV-2-RNA im Rohabwasser, aber nicht im behandelten Abwasser nachgewiesen werden. Coronaviren könnten durch die Behandlung mit Chlor, Ozon und UV-C wirksam inaktiviert werden. Generell seien Coronaviren Viren mit einer Membranhülle und damit empfindlicher als Viren ohne Membranhülle, wie z. B. Noroviren und Adenoviren, die heftige Durchfall-Erkrankungen verursachen. Die Trinkwasseraufbereitung sei dafür ausgelegt, diese unbehüllten Viren effektiv zu entfernen.


Hohe Kommunikationsrelevanz für die Trinkwasserbranche


Basierend auf der Literaturstudie ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass SARS-CoV-2 kein Problem für die Trinkwasserversorgung darstellt, so die Autoren. Allerdings handele es sich hierbei um eine theoretische Betrachtung. Messdaten zur Verbreitung von SARS-CoV-2 in der aquatischen Umwelt und modellhafte Untersuchungen mit behüllten Viren in der Aufbereitung seien derzeit nicht verfügbar. Insgesamt habe das Thema eine hohe Kommunikationsrelevanz für die Trinkwasserbranche. Da auch in der Zukunft mit einer verstärkten Diskussion der SARS-CoV-2-Exposition durch Trinkwasser zu rechnen sei, sollten wissenschaftlich fundierte Untersuchungen durchgeführt und verständlich kommuniziert werden, rät das TZW.