VGH bestätigt Änderung in Regionalplan zu „Vorbehaltsgebiet für Grundwasserschutz“


Der VGH hat mit dem Beschluss einen Antrag gegen die erste Änderung des Regionalplans Südhessen/Regionalen Flächennutzungsplans 2010 (RPS/RFP 2010) überwiegend abgelehnt. Den Charakter einer Außenrechtsvorschrift hätten die dadurch für die Fläche des früheren „Vorranggebiets für den Abbau oberflächennaher Lagerstätten, Planung“ südöstlich des Langener Waldsees nunmehr getroffenen Planaussagen „Vorbehaltsgebiet für den Grundwasserschutz“ sowie die Aufhebung der Festlegung „Vorranggebiet für den Abbau oberflächennaher Lagerstätten, geplant“ nicht. Ein Vorbehaltsgebiet sei eine regionalplanerische Zielausweisung, die bestimmte raumbedeutsame Funktionen oder Nutzungen verbindlich vorgibt.


Schutz des Grundwassers in Vorbehaltsgebiet von besonders hohem Stellenwert


Das Raumordnungsgesetz ordne Vorbehaltsgebiete den Grundsätzen und nicht den Zielen der Raumordnung zu, heißt es in dem Beschluss. Nach dieser Vorschrift können Festlegungen in Raumordnungsplänen auch Gebiete bezeichnen, in denen bestimmten, raumbedeutsamen Funktionen oder Nutzungen bei der Abwägung mit konkurrierenden raumbedeutsamen Nutzungen besonderes Gewicht beigemessen werden soll (Vorbehaltsgebiete). In diesem Sinne bestimmt der RPS/RFP 2010, dass zum Schutz des Grundwassers in qualitativer und quantitativer Hinsicht besonders schützenswerte Bereiche der Planungsregion Südhessen als „Vorbehaltsgebiete für den Grundwasserschutz“ ausgewiesen und in der Karte dargestellt sind. Der Schutz des Grundwassers hat in diesen Gebieten einen besonderen hohen Stellenwert bei der Abwägung gegenüber Planungen und Vorhaben, von denen Grundwasser gefährdende Wirkungen ausgehen können.


Vorrangebiet für Gewinnung von Kiessand ausgewiesen


Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit der ersten Änderung des Regionalplans Südhessen/Regionalen Flächennutzungsplans 2010 (RPS/RFP 2010) für die Stadt Langen über ein „Vorranggebiet für den Abbau oberflächennaher Lagerstätten, geplant“ aus dem Jahr 2015, führt der VGH aus. Die Antragstellerin betreibt auf dem Gebiet der Stadt einen Quarzsand- und Kiesabbau, der 1991 war durch einen wasserrechtlichen Planfeststellungsbeschluss genehmigt worden war. Nachdem das zuständige Bergamt festgestellt hatte, dass die abgebauten Sande und Kiese einen hohen Quarzgehalt enthielten, wurde der Betrieb 1993 der bergrechtlichen Kontrolle unterstellt. Durch Planfeststellungsbeschluss wurde 2008 ein bergrechtlicher Rahmenbetriebsplan zugelassen.

Der RPS/RFP 2010 enthielt die Zielfestlegung, dass zur kurz- und mittelfristigen Sicherung des Bedarfs an mineralischen Rohstoffen für die Rohstoffwirtschaft Vorranggebiete für den Abbau oberflächennaher Lagerstätten ausgewiesen würden. In den Vorranggebieten habe die Gewinnung von Rohstoffen Vorrang gegenüber anderen Nutzungsansprüchen.  Für die Gemeinde Langen wurde eine oberflächennahe Lagerstättenplanung für den Rohstoff Kiessand von 84 Hektar aufgeführt. In der Plankarte zum RPS/RFP 2010 ist eine entsprechende Fläche südöstlich des bisher von der Antragstellerin betrieben Abbaus ausgewiesen.


Mit einem Planfeststellungsbeschluss ließ das Regierungspräsidium Darmstadt im August 2013 die Südosterweiterung des Quarzsand- und Kiestageabbaus auf einer Fläche von 63,7 Hektar unter abschnittsweiser Rodung des dort befindlichen Waldes zu. Eine von der Antragstellerin darüber hinausgehend beantragte Erweiterung und Rodung in den Waldabteilungen 37 und 24 um weitere 19 Hektar wurde abgelehnt.


Änderung legt Vorbehaltsgebiet für Grundwasserschutz fest


Bereits Anfang Dezember 2011 hatte die Regionalversammlung Südhessen beschlossen, das Regierungspräsidium Darmstadt als Geschäftsstelle der Regionalversammlung zu beauftragen, ein Verfahren zur Änderung des RPS/RFP 2010 einzuleiten. Die Verbandskammer und anschließend die Regionalversammlung Südhessen fassten 2011 beziehungsweise 2014 entsprechende Beschlüsse. Durch die Änderung wurde die Festlegung „Vorranggebiet für den Abbau oberflächennaher Lagerstätten, geplant“ für den 84 Hektar umfassenden Bereich südöstlich der bisherigen Abbaufläche der Antragstellerin, in die Festlegungen „Wald, Bestand“ sowie „Vorranggebiet Regionaler Grünzug“ und „Vorbehaltsgebiet für den Grundwasserschutz“ geändert. Die aufgeführten 84 Hektar Kiessand in Langen wurden aus Text und Tabellen herausgenommen.


Dagegen stellte die die Kiesbau-Betreiberin Ende 2015 einen Normenkontrollantrag. Die Änderung des RPS/RFP 2010 sei unwirksam, da sie gegen das Abwägungsgebot, die im Bundesberggesetz verankerten Rohstoffsicherungsklausel sowie den Vorgaben des Raumordnungsgesetzes und des Landesentwicklungsplans verstoße, argumentierte die Antragstellerin.


Wirtschaftsministerium: Kein Anspruch auf Vorrang für Lagerstättenabbau


Das Hessische Wirtschafts- und Landesentwicklungsministerium zielte in dem Verfahren darauf ab, den Antrag abzulehnen. Soweit die Antragstellerin vortrage, eine Vielzahl der zu berücksichtigenden Belange sei nicht ordnungsgemäß ermittelt worden, überspanne sie die Anforderungen an die Ermittlungstiefe und die Abwägungsdichte, die auf der Ebene der Regionalplanung einzuhalten seien. Die Regionalversammlung müsse lediglich entscheiden, ob es aus regionalplanerischen Gründen sinnvoll sei, südlich des Langener Waldsees ein Vorranggebiet für den Abbau von Kiessand vorzusehen, so das Ministerium.


Ein Anspruch auf Festlegung bestimmter Vorrangflächen für den oberflächennahen Lagerstättenabbau ergebe sich aus den relevanten Rechtssätzen nicht. Ein Eingriff in die Planungshoheit der Stadt Langen sei nicht ersichtlich, da die Verbandskammer, deren Mitglied die Stadt Langen sei, der Planänderung zugestimmt habe.


VGH Hessen lehnt Antrag der Kiesabbau-Betreiberin ab


Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat den Antrag überwiegend abgelehnt. Unwirksam sei die Änderung des Regionalplans lediglich, soweit für die bisherige Fläche ein „Vorranggebiet Regionaler Grünzug“ festgelegt wird. Die Planaussage „Vorbehaltsgebiet für den Grundwasserschutz“ sei ausschließlich regionalplanerischer Natur, heißt es in dem Beschluss. Vorbehaltsgebiete wirkten als Gewichtungsvorgaben auf Abwägungs- oder Ermessensentscheidungen ein und dürfen - anders als Ziele der Raumordnung - durch öffentliche oder private Belange von höherem Gewicht überwunden werden. Ob der raumbedeutsamen Funktion oder Nutzung in einem Vorbehaltsgebiet der Vorrang gegenüber anderen Belangen zukommt, hänge somit stets von der konkreten Planungssituation ab. Wegen dieser Abwägungsoffenheit fehle es dem Vorbehaltsgebiet an der Verbindlichkeit, die es rechtfertigt und erfordert, den Begriff der Rechtsvorschrift im Sinne der VwGO auf planerische Festlegungen zu erstrecken, die nicht förmlich als Rechtsnorm beschlossen oder für verbindlich erklärt worden sind, so der VGH.


Aufhebung des Wasserschutzgebietes Zeppelinheim nicht unberücksichtig geblieben


Ein Abwägungsfehler folgt laut dem VGH auch nicht daraus, dass die Aufhebung des Wasserschutzgebiets Zeppelinheim nicht berücksichtigt worden sei. Im Abwägungsvorschlag des Regierungspräsidiums Darmstadt als Geschäftsstelle der Regionalversammlung werde die Empfehlung, von der Planänderung abzusehen, unter anderem damit begründet, dass vor dem Hintergrund der beabsichtigten Aufhebung des Wasserschutzgebietes Zeppelinheim eine Inanspruchnahme der Fläche für den Sand- und Kiesabbau aus wasserwirtschaftlicher Sicht möglich sei. Lediglich gegen einen kleineren Teil der Abbaufläche, das Wasserschutzgebiet Walldorf, bestünden weiterhin wasserwirtschaftliche Bedenken.


Damit ist nach Auffassung des VGH auch nicht davon auszugehen, dass die Regionalversammlung die Aufhebung des Wasserschutzgebiets bei ihrer Ergebnisfindung unberücksichtigt gelassen habe. Das könne insbesondere nicht daraus geschlossen werden, dass die Regionalversammlung dem Abwägungsvorschlag des Regierungspräsidiums nicht gefolgt ist, sondern an der Planänderung festgehalten hat. Die Ablehnung des Abwägungsvorschlags bedeute nicht, dass man sich den darin enthaltenen Tatsachen und Argumenten verschlossen, sondern dass man diese anders als der Vorschlagende gewichtet habe, heißt es in dem Beschluss.