Adressat von Löschwasser-Verfügung muss erkennen können, was von ihm verlangt wird


Die klagende Grundstückseigentümerin wandte sich gegen die Verpflichtung, die Versorgung ihrer Grundstücke mit Löschwasser im Falle eines Brandes sicherzustellen. Sie hatte im Jahr 2005 durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung zwei aneinander grenzende Grundstücke außerhalb des Bebauungszusammenhangs der beklagten Gemeinde Kißlegg erworben, so das BVerwG zum Sachverhalt. Ein Grundstück ist mit landwirtschaftlichen Gebäuden sowie mit einem Wohnhaus bebaut, das die Klägerin mit ihrem Ehemann bewohnt. Dort befindet sich ein Löschwasserteich, den der Voreigentümer im Jahr 1998 aufgrund einer Baugenehmigung angelegt hatte. In diesen Teich wird das Dach- und Oberflächenabflusswasser der Gebäude eingeleitet. Im Jahr 1993 bestimmte die Gemeinde nach Abstimmung mit den Fachbehörden und ihrer Feuerwehr Wohnplätze im Gemeindegebiet, für die im Falle eines Brandes die Versorgung der Feuerwehr mit Löschwasser nicht gesichert sei. Dazu gehörten die Grundstücke der Klägerin.


Gemeinde verpflichtet dazu, Löschwasservorräte bereitzuhalten


Im November 1999 verpflichtete der Bürgermeister der Gemeinde die Eigentümer und Besitzer von abgelegenen Gebäuden, ständig Löschwasservorräte bereitzuhalten. Die Versorgung könne durch Hydranten sichergestellt werden, sofern die Leitungen des Versorgungsnetzes eine Lieferleistung von mindestens 800 Liter pro Minute gewährleisteten und der Fließdruck am Eingang einer Feuerlöschpumpe den Wert von 1,5 bar nicht unterschreite. Das Löschwasser könne Oberflächengewässern entnommen werden, wenn ganzjährig eine Entnahme von mindestens 800 Litern pro Minute gewährleistet sei. Die Löschwasserversorgung könne durch einen Behälter oder Teich gesichert werden. Für einzelne Gehöfte oder Gebäudegruppen müsse ein Wasservorrat von mindestens 96 cbm, für Kleinsiedlungen und Wochenendhausgebiete von 50 cbm vorhanden sein.


Alle netzunabhängigen Wasserentnahmestellen müssten für Fahrzeuge der Feuerwehr über eine befestigte Zufahrt erreichbar sein. Der Nachweis der ausreichenden Löschwasserversorgung sei bis spätestens 29. September 2000 zu erbringen.


Zur Begründung der Allgemeinverfügung wurde auf hohe Gestehungs- und Unterhaltungskosten der benötigten Löschwasserversorgung verwiesen, die für die Gemeinde bezüglich der Ersteinrichtung bei ca. 2,5 Millionen DM lägen. Es sei sachgerecht, dass die Kostenlast von denjenigen getragen werde, in deren Interesse die Einrichtungen zu schaffen seien. Die Löschwasserversorgung sei auf den aufgeführten Wohnplätzen nicht gesichert, aber zum Schutz von Leben, Gesundheit und Eigentum unverzichtbar.


Eigentümerin: Bekanntgabe war unzulässig


Der vollständige Inhalt der Verfügung vom 25. November 1999 wurde in der Ausgabe des „Kißlegger Amtsblatts“ vom 9. Dezember 1999 veröffentlicht. Die Bekanntmachung enthielt keinen Hinweis, wo die Verfügung eingesehen werden konnte. Die Eigentümerin erhob Widerspruch gegen die Allgemeinverfügung, von der sie nach eigenen Angaben erstmals im Mai 2012 im Verfahren um den Löschwasserteich Kenntnis erlangt habe. 2013 erhob die Eigentümerin Untätigkeitsklage, mit der sie beantragte, die Nichtigkeit der Allgemeinverfügung festzustellen oder diese Allgemeinverfügung, soweit sie ihr Anwesen betrifft, aufzuheben. Die Allgemeinverfügung sei auch deshalb nichtig, weil die Gemeinde keine Verfügung im Original vorgelegt habe. Die durchgeführte öffentliche Bekanntgabe sei unzulässig und daher nicht wirksam gewesen.


VGH: Verfügung nicht nichtig


Das Verwaltungsgericht Sigmaringen wies die Klage Ende 2014 ab, da die Allgemeinverfügung nicht an schwerwiegenden Fehlern leide (Aktenzeichen: VG 4 K 2213/13 vom 12.12.2014). In seinem Berufungsurteil führte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg im Wesentlichen aus, der Verlust des Originals eines Verwaltungsakts führe nicht schon für sich gesehen zur Ungültigkeit der Verfügung. Die Verfügung habe gegenüber der Klägerin Wirksamkeit erlangt. Es stehe fest, dass der Bürgermeister eine Urschrift mit vollem Namen unterschrieben habe, so der VGH in seinem Urteil (Aktenzeichen: 1 S 450/17 vom 22.10.2019).


Die Verfügung sei auch nicht nichtig, weil ihr kein besonders schwerwiegender und offensichtlicher inhaltlicher Mangel anhafte, so der VGH. Das Verwaltungsgericht habe zutreffend angenommen, dass die Löschwasserversorgung des Wohnplatzes sichergestellt werden müsse, weil die Gebäude abgelegen seien. Der Bürgermeister habe die Voraussetzungen für die Entnahme von Löschwasser aus einem Gewässer, insbesondere die Entfernung der Entnahmestelle von nicht mehr als 200 Metern,sachgerecht festgelegt; von Willkür könne keine Rede sein. Gleiches gelte für die Festlegungen des Fassungsvermögens von Löschwasserbehältern und -teichen.


Zur Begründung ihrer vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision trug die Klägerin unter anderem vor, die Verfügung weise erhebliche Rechtsfehler auf. Die Gebäude des Wohnplatzes seien keinesfalls abgelegen. Auch könne das Löschwasser für aus nahe gelegenen Bächen herangeführt werden. Es könne nicht nachvollzogen werden, welche Erwägungen der Festlegung einer Entfernung von 200 Metern zwischen Wasserentnahmestelle und Gebäuden zugrunde lägen. Entsprechendes gelte für die Festlegung der für notwendig erachteten Vorratsmengen.


BVerwG: Bekanntgabe zunächst unwirksam, aber später wirksam geworden


Das Bundesverwaltungsgericht gibt dazu eine sehr differenzierte Beurteilung ab. So sei die öffentliche Bekanntgabe, anders als vom VGH dargestellt, zunächst durchaus unwirksam gewesen, weil sie nicht gesetzlich zugelassen gewesen sei, heißt es in dem Urteil des BVerwG. Die Verfügung sei aber trotzdem gegenüber der Klägerin wirksam geworden, weil diese am 31. Mai 2012 Kenntnis von dem vollständigen Inhalt der Verfügung erlangt habe. Dies kommt dem Bundesverwaltungsgericht zufolge einer Bekanntgabe gleich.


Allerdings verletze die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, die Anfechtungsklage sei unzulässig, revisibles, also juristisch anfechtbares, Recht. Die Verfügung sei gegenüber der Klägerin erst Ende Mai wirksam geworden, weil ihre danach erlangte Kenntnis von dem vollständigen Inhalt der Verfügung der Bekanntgabe gleichstehe. Davon ausgehend sei die Anfechtungsklage als Untätigkeitsklage zulässig: Die Klägerin habe gegen die Verfügung durch das Schreiben vom 31. Mai 2012 form- und fristgerecht, nämlich schriftlich innerhalb eines Monats nach der Bekanntgabe, Widerspruch eingelegt, über den nicht entschieden worden sei. Ein ausreichender Grund für diese Untätigkeit sei bereits bei Klageerhebung im August 2013 nicht erkennbar gewesen, so das BVerwG.


Eigentümer sollen Nachweispflicht anstelle der Gemeinde erbringen


Durch die zulässige Anfechtung der Verfügung vom 25. November 1999 habe die Klägerin einen Anspruch auf gerichtliche Prüfung der Rechtmäßigkeit der Verfügung erworben, soweit sie ihren Wohnplatz betrifft. Das könne das Bundesverwaltungsgericht nicht prüfen, weil die entscheidungserhebliche Bestimmung des Feuerwehrgesetzes Baden-Württemberg (FwG BW) dem irrevisiblen Landesrecht angehöre. Ihre Auslegung und fallbezogene Anwendung sei dem Verwaltungsgerichtshof vorbehalten, sodass die Sache in Bezug auf den Aufhebungsantrag an ihn zurückzuverweisen ist, stellt das Bundesverwaltungsgericht fest.


Das BVerwG betont, dass sich der Verwaltungsgerichtshof mit der Frage, ob die Betroffenen nach dem FwG BW verpflichtet werden dürfen, den Versorgungsnachweis zu erbringen, nicht befasst hat. Damit werde ihnen auferlegt, die für den Nachweis erforderliche Sachaufklärung anstelle der Gemeinde vorzunehmen. Auch zu der entscheidungserheblichen Frage, ob der Bürgermeister in der angefochtenen Verfügung die Anforderungen an die Eignung eines Gewässers für die Löschwasserversorgung eines Wohnplatzes ermessensfehlerfrei festgesetzt hat, enthalte das Berufungsurteil keine Ausführungen, stellt das Bundesverwaltungsgericht fest. Danach seien die Verfahrensrügen der Klägerin, die sich inhaltlich auf die materielle Rechtmäßigkeit der Verfügung vom 25. November 1999 beziehen, für die Entscheidung über die Revision unerheblich.


Keine konkrete Maßnahme angeordnet


Wie das Bundesverwaltungsgericht ausführt, hat die Verfügung keine konkrete Maßnahme für die Löschwasserversorgung angeordnet. Stattdessen habe sie drei Maßnahmen aufgezeigt, durch die der Versorgungsnachweis erbracht werden kann. So können die Betroffenen nachweisen, dass Löschwasser im Falle eines Brandes in ausreichender Menge entweder mit Hilfe eines Hydranten dem örtlichen Leitungsnetz oder einem Gewässer - Fluss, Bach, See oder Weiher - entnommen werden könne.


Als dritte Möglichkeit der Löschwasserversorgung hat die Verfügung die Errichtung und Unterhaltung eines Behälters oder eines Teichs mit einem mengenmäßig bestimmten Mindestfassungsvermögen festgelegt. Die Verfügung hat die Errichtung und Unterhaltung eines Behälters oder Teichs nicht angeordnet, heißt es in dem Urteil. Vielmehr obliege es Eigentümern und Besitzern, das Vorhandensein einer geeigneten Anlage nachzuweisen, wenn ihnen der Nachweis einer ausreichenden Versorgung aus dem Leitungsnetz oder aus einem Gewässer nicht möglich ist oder sie von einer solchen Möglichkeit keinen Gebrauch machen.