Gefahr durch Schadstoffe in Flusssedimenten wird bei Hochwasserereignissen unterschätzt


Die Schadstoffe, die von Umweltverschmutzungen vor Jahrzehnten oder Jahrhunderten herrühren, könnten nicht nur ökologische Schäden im Fluss verursachen, teilte die Goethe-Universität Frankfurt am Main mit, die an dem interdisziplinären Forschungsprojekt federführend beteiligt war. In Überschwemmungsgebieten könnten sich die Schadstoffe ablagern und Ackerpflanzen, Weidetiere und Menschen belasten. Die Arbeit ist im Journal of Hazardous Materials erschienen.


In der Hauptsache bestehen Sedimente aus Partikeln, die vom Erdboden abgetragen werden und irgendwann in Flussdeltas oder im Meer landen, so die Hochschule. Sedimente könnten jedoch auch für verhältnismäßig lange Zeit stabil bleiben und Schadstoffe binden, die zum Beispiel durch Bergbau- oder Industrieabwässer in die Flüsse gelangt sind. Entsprechend befänden sich in vielen Altsedimenten der Flüsse Schadstoffe als „chemische Zeitbomben“ wie zum Beispiel Schwermetalle oder schwer abbaubare Dioxine und dioxin-ähnliche Verbindungen. Diese könnten bei Hochwasserereignissen in den industriell geprägten Regionen Europas, Nordamerikas und Asiens infolge der hohen Fließgeschwindigkeiten aufgewühlt werden. Dabei würden regelmäßig die in ihnen gebundenen Schadstoffe auf einen Schlag freigesetzt.


Die Forscherinnen und Forscher zeigen in ihrer Studie unter anderem auf, welche Schadstoffbelastungen infolge verschiedener Überflutungsereignisse gemessen wurden, welche Testsysteme für verschiedene Schadstoffe entwickelt wurden und wie sich unterschiedliche Sedimente bei hohen Fließgeschwindigkeiten verhalten, teilte die Uni Frankfurt weiter mit. Die Gefahren für die Trinkwassergewinnung würden ebenso geschildert wie etwa der Einfluss der Temperatur auf die Schadstoffaufnahme durch Fische und Methoden zur Bewertung der mit der Remobilisierung von Schadstoffen verbundenen ökonomischen Kosten.


Bislang keine Untersuchungen zu den wirtschaftlichen Folgen


Dass die Schadstoffproblematik in Europa stark unterschätzt wird, könnte daran liegen, dass es bislang praktisch keine Untersuchungen zu den wirtschaftlichen Folgen dieses Problems gibt, erklärte Henner Hollert, Professor für Umwelttoxikologie an der Goethe-Universität Frankfurt und Seniorautor der aktuellen Publikation. Schadstoffbelastete Altsedimente seien eine tickende Zeitbombe, die mit jeder Flut hochgehen könne. „Wir brauchen jetzt flächendeckend ein gutes Management der Flüsse, das nicht nur unmittelbare Gefahren für Menschen, Tiere und Bauwerke in den Blick nimmt, sondern auch die langfristigen Folgen durch die Altlasten in den Flussbetten“, forderte er. So müssten etwa landwirtschaftlich genutzte Überflutungsgebiete auf flussspezifische Schadstoffe untersucht werden, damit diese nicht in die Nahrungskette gelangen.


Auch die aktuellen extremen Hochwasserereignisse in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen werden von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Goethe-Universität in Kooperation mit der RWTH Aachen, der University of Saskatchewan in Kanada, dem Helmholtz- Zentrum für Umweltforschung Leipzig, dem ISOE - Institut für sozial-ökologische Forschung, dem Senckenberg-Institut, dem LOEWE-Zentrum für Translationale Biodiversitätsforschung und weiteren Partnern in einem interdisziplinären Ansatz von den biologischen, ökotoxikologischen, ökologischen, geowissenschaftlichen, wasserbaulichen, aber auch sozialökologischen und ökonomischen Folgen untersucht, hieß es weiter. Diese Untersuchungen seien eingebettet in den neuen Forschungscluster RobustNature an der Goethe-Universität, der Robustheit und die Resilienz von Natur-Gesellschaftssystemen im sich veränderten Anthropozän untersucht und zur wissensbasierten Transformationsforschung an den Beispielen Biodiversität und Wasser beiträgt.