Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz fordert nach der Flutkatastrophe die Einführung einer verpflichtenden Elementarschadenversicherung für alle Hausbesitzer. „Da muss es Klarheit für ganz Deutschland geben. Wir haben Starkregenereignisse von Bayern bis Norddeutschland“, sagte der SPD-Landeschef der Deutschen Presse-Agentur in Mainz. „Es gibt für mich überhaupt kein Argument mehr gegen eine flächendeckende Einführung.“
„Die Versicherungswirtschaft muss die finanziell tragfähigen Bedingungen einer solchen Solidarversicherung berechnen, damit aus den Beiträgen aller Hausbesitzer auftretende Schäden möglichst abgedeckt werden können“, sagte Lewentz. „Wir haben es nach vorläufigen Erhebungen mit einem Schadensbild von über 20 Milliarden Euro zu tun - das entspricht ungefähr dem gesamten Landeshaushalt von Rheinland-Pfalz.“ Die Bewältigung der Folgen sei eine riesige Solidaraufgabe.
„Beim Wiederaufbau wollen wir dem Ahrtal weder etwas überstülpen, noch es alleine lassen“, betonte der Minister. „Der Aufbau muss in enger Abstimmung mit den Kommunalverantwortlichen erfolgen, diese dürfen nicht das Gefühl haben, dass über sie hinweg entschieden wird.“ Federführend für die Fragen der Wasserwirtschaft ist das Umweltministerium. Es werde Vorschläge für die Landesregierung zur Abstimmung mit den Kommunen erarbeiten, um den Wiederaufbau nach Hochwasserkriterien zu organisieren.
„Viele haben Angst, wieder nah am Fluss aufzubauen. Aber es kann auch nicht sein, dass wir unsere Fluss- und Bachtäler entvölkern. Daher müssen frühzeitig Rückhaltebecken eingeplant werden, alles, was zur Hochwasservorsorge dazugehört“, sagte Lewentz. „Dann kann das Ahrtal schließlich zu einer Modellregion werden für hochwasserangepasstes Bauen. So können die Dörfer wieder eine Zukunftsperspektive bekommen.“
Lewentz sagte, er sei fest davon überzeugt, dass diese Katastrophe im kollektiven Gedächtnis bleiben werde. „Es ist wichtig, dass wir die dabei gemachten positiven Erfahrungen wie die unglaublich große Solidarität annehmen und uns in welcher Form auch immer erhalten.“
Grüne Umweltministerin Spiegel unterstützt Lewentz’ Forderung
Die grüne Umweltministerin Anne Spiegel unterstützt Lewentz’ Forderung. „Wir brauchen eine verpflichtende Elementarschadenversicherung, da diese bei verheerenden Starkregenereignissen und Hochwasservorkommen für die Bürgerinnen und Bürger im Land zentral ist“, betonte sie. Das Umweltministerium habe sich dafür schon mehrfach auf Bundesebene eingesetzt und mit der Verbraucherzentrale und der Versicherungswirtschaft bereits 2013 eine Kampagne gestartet. In Rheinland-Pfalz seien dennoch nur rund 37 Prozent der Bürger gegen Elementarschäden versichert - 2013 waren es etwa 19 Prozent.
Justizminister Herbert Mertin vom Koalitionspartner FDP sieht den Vorschlag jedoch skeptisch und führt vor allem verfassungsrechtliche Gründe an. Durch eine verpflichtende Elementarschadenversicherung für alle „würde das Lebensrisiko eines abgrenzbaren Bevölkerungskreises auf die gesamte Versichertengemeinschaft verlagert, obwohl es derzeit für die allermeisten Eigentümer möglich wäre, sich individuell gegen entsprechende Elementarschäden zu versichern“, gab Mertin zu bedenken.
FDP: Hoher Verwaltungsaufwand und falsche Anreizsetzung
„Eine Pflichtversicherung für Elementarschäden würde zudem einen hohen Verwaltungsaufwand sowohl für die Versicherer als auch für den Staat bedeuten, der die Versicherungswirtschaft und die Eigentümer entsprechend beaufsichtigen müsste.“ Weiter führte Mertin an, dass eine verpflichtende Elementarschadenversicherung insbesondere Privaten, aber gegebenenfalls auch staatlichen Akteuren den wirtschaftlichen Anreiz nehmen würde, vorbeugend in den Hochwasserschutz zu investieren.
Die Justizministerkonferenz hatte zu dem Thema zuletzt im Juni 2017 einstimmig festgehalten, „dass die Einführung einer Pflichtversicherung nur unter engen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen möglich ist und nach den vorliegenden Daten eine Einführung - auch unter Berücksichtigung der Gefährdung durch Starkregenereignisse - ohne Veränderung des verfassungsrechtlichen Rahmens derzeit nicht gerechtfertigt ist“. Sie stellten aber auch fest: „Bei klimatischen Veränderungen oder Änderungen der Datenlage zum Versicherungsmarkt wäre eine andere verfassungsrechtliche Bewertung möglich.“
Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) hatte nach der Konferenz der Länderchefs mit der Kanzlerin am 10. August gesagt, es sei wichtig, erneut eine Pflichtversicherung für Elementarschäden zu prüfen, da in der Zukunft mit immer mehr Extremwetterereignissen gerechnet werden müsse. „Darüber solle sich die Justizministerkonferenz Gedanken machen.“ (dpa)