Sanierungskosten bis zu vorausgesehenem Herstellungstermin zu berücksichtigen


Die Antragstellerin wandte sich im Wege der Normenkontrolle gegen § 3 Abs. 10 der im Jahr 2012 beschlossenen Wasseranschlussbeitragssatzung (WBS 2012) des Zweckverbandes, heißt es in dem Urteil zum Sachverhalt. Sie war mit einem noch nicht bestandskräftigen Bescheid zur Zahlung eines Beitrags herangezogen worden.


Deckungsgrad des Beitragssatzes sollte 90 Prozent betragen


Der 1992 gegründete Zweckverband betreibt eine zentrale öffentliche Trinkwasserversorgungsanlage. Zur Refinanzierung seiner Aufwendungen für diese Anlage erhebt der Verband Herstellungsbeiträge und Benutzungsgebühren. Sein Sanierungskonzept sah Sanierungsmaßnahmen bis zum Jahr 2009 vor. Nach den Kalkulationsgrundsätzen des Versorgers zur Beitragskalkulation der öffentlichen Wasserversorgung sollte der Deckungsgrad des Beitragssatzes 90 Prozent betragen.


Ebenfalls im November 2010 erstellte der Zweckverband eine Kalkulation zur Erhebung eines Herstellungsbeitrages für die zentrale Trinkwasserversorgungsanlage, die von ging von umlagefähigen Anschaffungs- und Herstellungskosten in Höhe von 28,670 Mio. Euro und einer nutzungsbezogenen Grundstücksfläche von 30.354.808 m² ausging, woraus sich rechnerisch ein zulässiger Beitragssatz von 0,94 €/m² ergab.


Die März 2012 im Amtsblatt für den Landkreis Teltow-Fläming bekannt gemachte Beitragssatzung trat rückwirkend zum 1. Januar 2011 in Kraft. Der Beitragssatz wurde in dem angegriffenen § 3 Abs. 10 WBS 2012 auf 0,85 €/m² der mit dem Nutzungsfaktor vervielfachten Grundstücksfläche festgelegt.


Zusätzliche Sanierungskosten u. a. für Rohrleitungen bis zum Jahr 2030 in Kalkulation eingestellt


Im Mai 2014 beschloss die Verbandsversammlung eine „1. Fortschreibung der Trinkwasserkonzeption“; darin wurde bis zum Jahr 2030 ein Sanierungsbedarf in Höhe von mehr als 32 Mio. Euro für vor dem Jahr 1990 geschaffene Trinkwasserleitungen angegeben. Am gleichen Tag beschloss die Verbandsversammlung einen „Nachtrag zur Beitragskalkulation Trinkwasser 2010“, mit der zusätzliche Sanierungskosten, u. a. für Rohrleitungen bis zum Jahr 2030, in Höhe von 22,18 Mio. Euro in die Kalkulation eingestellt wurden.


Eigentümerin verweist auf vor 1998 fehlendes
Trinkwasserversorgungskonzept


Die Grundstückseigentümerin machte mit ihrem im Oktober 2012 gestellten Normenkontrollantrag u. a. geltend, der Beitragssatz sei überhöht festgesetzt worden. Bei seiner Ermittlung seien methodische Fehler begangen worden, die es unmöglich machten, festzustellen, ob gegen das Aufwandsüberschreitungsverbot bzw. gegen das Verbot der Doppelbelastung verstoßen worden sei. Da in der Zeit vor dem 1. Januar 1998 kein Trinkwasserversorgungskonzept des Antragsgegners existiert habe, seien die vor diesem Zeitpunkt getätigten Aufwendungen nicht beitragsfähig.


Zudem habe sich der Verband bis 1997 in einer desaströsen Lage befunden. So bestünden nach einem von der unteren Kommunalaufsichtsbehörde in Auftrag gegebenen Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO aus dem Jahr 1995 bestünden Bedenken an der sparsamen und wirtschaftlichen Führung des Zweckverbandes.


OVG: Bescheid verstößt gegen Aufwandsüberschreitungsverbot


Dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg zufolge verstößt der in der Wasseranschlussbeitragssatzung des Zweckverbandes geregelte Beitragssatz gegen das gesetzliche Aufwandsüberschreitungsverbot des Kommunalabgabengesetzes (KAG). Danach soll der Beitragssatz so kalkuliert werden, dass das veranschlagte Beitragsaufkommen die umlagefähigen Anschaffungs- und Herstellungskosten nicht übersteigt.


Die Einhaltung des Aufwandsüberschreitungsverbots sei durch eine methodisch korrekte und im Übrigen plausible Beitragskalkulation zu belegen, die spätestens im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen muss, erläutert das OVG. Gelinge es der Abgaben erhebenden Stelle nicht, die Erforderlichkeit der angesetzten Aufwendungen spätestens im Gerichtsverfahren zu begründen, dann gehe dies zu ihren Lasten, und es sei von der Ungültigkeit der entsprechenden Regelung auszugehen.


Weiterhin Kosten angesetzt, ohne Höhe zu begründen


Das sei hier der Fall. Der Verband habe seine Beitragskalkulation aus dem Jahr 2010 zwar im Laufe des Verfahrens ergänzt, aber auch danach seien auf der Aufwandsseite der Kalkulation Anschaffungs- und Herstellungskosten angesetzt worden, die hinsichtlich ihrer Höhe nicht begründet worden seien. Der satzungsmäßige Beitragssatz sei in einem Maß überhöht ist, das nicht mehr als unbeachtlich angesehen werden könne, stellt das OVG fest.


Zwar werde die Erforderlichkeit der Maßnahmen aus dem Zeitraum 1992 bis 1997 nicht dadurch in Zweifel gezogen, dass es für die Zeit vor 1998 noch kein förmliches Trinkwasserversorgungskonzept des Antragsgegners gegeben habe. Darauf kommt es dem OVG zufolge für die Rechtmäßigkeit des satzungsmäßigen Beitragssatzes nicht an. Die Beitragsfähigkeit von vor bzw. außerhalb eines Konzepts ausgeführten Maßnahmen bestimme sich vielmehr nach den allgemeinen abgabenrechtlichen Maßstäben, wie etwa der anlagen- und kostenbezogenen Erforderlichkeit.


„Indizwirkung eines fehlerfrei durchgeführten Vergabeverfahrens“ fehlt


Allerdings fehle es im Hinblick auf die kostenbezogene Erforderlichkeit der in Rede stehenden Maßnahmen „an der Indizwirkung eines fehlerfrei durchgeführten Vergabeverfahrens“, heißt es in dem Urteil. So seien  von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Mittelrheinische Treuhand für diesen Zeitraum erhebliche Verfahrensfehler bei der Ausschreibung und der Vergabe von Baumaßnahmen festgestellt worden.


„Anzunehmen, dass sich Verstöße nur auf Bereich Abwasser
beziehen, wäre lebensfremd“


Zwar beziehe sich ein Teil der Jahresabschlussprüfungen, nämlich die für die Jahre 1992 bis 1994 erstellten Berichte, nur auf den Geschäftsbereich Abwasserentsorgung. Die dort festgestellten strukturellen Mängel stehen aber in Übereinstimmung mit den übrigen Prüfberichten. Zudem wäre es lebensfremd anzunehmen, dass sich die wiederholt und fortlaufend festgestellten Verstöße gegen das Vergaberecht zeitweise auf den Abwasserbereich beschränkten, schreibt das OVG.


Auch sei es dem Verband nicht auf andere Art und Weise gelungen, zu begründen, inwiefern Maßnahmen aus den Jahren 1992 bis 1997 erforderlich waren. Dem OVG zufolge zählen auch Sanierungskosten zum beitragsfähigen Aufwand, wenn die Anlage des Zweckverbandes - einschließlich der sanierungsbedürftigen Teilanlagen - noch nicht den Anforderungen des Trinkwasserkonzeptes gemäß endgültig erstmalig hergestellt worden ist. Diese Voraussetzung sei hier erfüllt, denn nach dem fortgeschriebenen Trinkwasserkonzept sei ein erheblicher Sanierungsbedarf für die vor 1990 fertig gestellten wasserwirtschaftlichen Anlagen gegeben.


Kosten müssten schon zum
Zeitpunkt des Satzungsinkrafttretens vorhersehbar gewesen sein


Allerdings sei auch bei einer nachträglichen Rechtfertigung des Beitragssatzes auf die Verhältnisse und Erkenntnisse zum Zeitpunkt der Erstellung der Kalkulation bzw. des Inkrafttretens der Satzung - hier: Januar 2011 - abzustellen. Deshalb müssten die entsprechenden Kosten schon zum Zeitpunkt des Satzungsinkrafttretens vorhersehbar gewesen sein. Zu den Umständen, die nach früherer Sicht zu beurteilen seien, gehöre zudem die Bestimmung des voraussichtlichen Herstellungszeitpunkts der Anlage, denn auch dies sei ein kalkulationserheblicher Gesichtspunkt, der nicht nachträglich geändert werden kann, heißt es in dem Urteil.


Nur Sanierungskosten zu berücksichtigen, mit denen bis Ende 2013 zu rechnen war


Nach dem Bericht zur Kalkulation 2010 sei der Verband zum Zeitpunkt des Satzungsinkrafttretens von einem Herstellungszeitpunkt der Anlage zum 31. Dezember 2013 ausgegangen. Dementsprechend könnten auch die im Nachtrag zur Beitragskalkulation angeführten zusätzlichen Sanierungskosten nur bis zu diesen vorausgesehenen Herstellungszeitpunkt berücksichtigt werden. Damit seien nur Sanierungskosten zu berücksichtigen, mit denen bis Ende 2013 zu rechnen war.


Damit sind dem OVG zufolge letztlich weitere Sanierungskosten nur in Höhe von 1,88 Mio. Euro zu berücksichtigen. Addiert mit den in der Beitragskalkulation 2010 angegebenen umlagefähigen Anschaffungs- und Herstellungskosten in Höhe von 28.67 Mio. Euro ergebe einen Betrag von 30,55 Mio. Euro.


Bei einer nutzungsbezogenen Fläche laut Kalkulation von 30.354.808 m² ergäbe sich ein Beitragssatz von 0,51 Euro/m², wobei vom umlagefähigen Aufwand zusätzlich auch noch die gebührengedeckten Abschreibungen abgezogen werden müssten. Da der Verband bis zur letzten mündlichen Verhandlung keine plausible, den festgesetzten Beitragssatz rechtfertigende Kalkulation vorgelegt habe, sei die angegriffene Vorschrift als unwirksam anzusehen, heißt es in dem Urteil.