BDEW kritisiert Ausweisung der mit Nitrat belasteten Gebiete durch die Bundesländer


Die Vorgaben und die Ziele der EU-Nitratrichtlinie würden nicht erfüllt. Stattdessen wollten die Bundesländer die bestehenden Schutzgebiete sogar weiter reduzieren und ermöglichten damit eine noch umfangreichere Düngung landwirtschaftlicher Flächen als bisher. Hintergrund sei, dass die mit Nitrat belasteten Gebiete Roten Gebiete nicht mehr aufgrund der tatsächlichen Messwerte, sondern auf Basis einer Modellberechnung ausgewiesen werden. Grundlage für die Berechnung sind Standortfaktoren wie etwa Bodenart, Nitrateintragsrisiken und Witterungsverhältnisse. Tatsächlich berichten Länder über reduzierte Gebietskulissen in Folge der Umsetzung der AAV.


Nitrat gefährdete Flächen erheblich reduziert


„In der Praxis führt das zu erheblichen Reduzierungen der nitratgefährdeten Flächen“, sagte Martin Weyand, BDEW-Hauptgeschäftsführer Wasser/Abwasser. Schleswig-Holstein plane zum Beispiel eine Reduzierung seiner roten Gebiete um rund 50 Prozent (EUWID 50.2020) und Nordrhein-Westfalen um 23 Prozent - obwohl die Grundwasserbereiche nach der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) in schlechtem Zustand seien, so der BDEW.


Nitrat-Überschreitungen im Grundwasser „wegdefiniert“


Bisherige Nitrat-Überschreitungen im Grundwasser, die im Gegensatz zu den Modellierungsergebnissen stünden, würden „wegdefiniert“ oder als Ausreißer deklariert, kritisiert der Verband. So sei die steigende Nitratbelastung der Gewässer nicht in den Griff zu bekommen. Eine Verkleinerung von nitratgefährdeten Gebieten darf nach Auffassung des BDEW erst erfolgen, wenn die Nitratbelastung im Grundwasser tatsächlich gesenkt worden sei und die Grenzwerte eingehalten würden.


Auch Ausweisung von eutrophierten Gebieten mangelhaft


Auch die Ausweisung von eutrophierten Gebieten „Gelben Gebieten“ und daraus abzuleitenden Maßnahmen zur Reduzierung des Phosphateintrags seitens der Landwirtschaft, die viele Bundesländer nur sehr restriktiv handhaben wollten, stößt auf die Kritik des Verbandes. Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Bayern hätten eutrophierte Gebiete bisher noch nicht ausgewiesen, obwohl seit Jahren deutliche Hinweise auf überhöhte Phosphatbelastungen vorlägen. Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz lehnten die Ausweisung eutrophierter aufgrund fehlender oder unzureichender Messdaten sogar gänzlich ab. Baden-Württemberg hingegen gehe davon aus, dass der Anteil der Phosphoreinträge aus der Landwirtschaft erst 20 Prozent des Gesamtphosphoreintrags ausmachen müsse, bevor Ausweisungen und Maßnahmen geregelt würden. Weder die EU-Nitratrichtlinie noch die Oberflächenwasserverordnung sehen diese Ausnahmen vor, erläutert der BDEW. Eutrophierte Gebiete seien vielmehr vollumfänglich auszuweisen, auch zum Schutz von Nord- und Ostsee.


Hintertür durch umfangreiche Ausnahmeregelungen


Darüber hinaus versuchten zahlreiche Bundesländer mit umfangreichen Ausnahmeregelungen eine Hintertür für große Teile der Landwirtschaft offen zu halten, sagte Weyand. So plane Bayern über 80 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe pauschal von den Aufzeichnungspflichten zu befreien, selbst wenn sie in einem nitratbelasteten Gebiet liegen; und auch Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg wollen Ausnahmen zulassen und begründeten dies mit Bürokratieabbau.


„Grundwasser und sein Schutz sind nicht teilbar“


Weitere Ausnahmen seien geplant für belastete Gebiete, die zum Teil in Wasserschutzgebieten liegen. Hessen und Baden-Württemberg planten für nitratbelastete Wasserschutzgebiete, dass die landwirtschaftlichen Flächen nur dann als nitratbelastet gelten sollen, wenn ihre im Wasserschutzgebiet liegende, nitratbelastete Fläche über 50 Prozent beträgt. „Diese Ausnahmen widersprechen nicht nur der EU-Nitratrichtlinie, sondern auch dem logischen Menschenverstand: Das betroffene Grundwasser und sein Schutz sind nicht teilbar“, so Weyand.


Verordnungen müssen vollständig an  europäische Vorgaben angepasst werden


Um die Nitrateinträge effektiv zu reduzieren und den drohenden Strafzahlungen an die EU-Kommission zu entgehen, sei eine vollständige Anpassung der Düngeverordnungen an die europäischen Vorgaben und eine Transparenz über die Düngedaten erforderlich. Die Europäische Kommission könnte, wenn die Vorgaben weiter nicht eingehalten würden, das derzeit ruhende Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wieder aufnehmen und Strafzahlungen verhängen, warnte Weyand.