Bauliche Veränderungen in Flussauen spielen bei extremen Hochfluten eine große Rolle


Bei extremen Niederschlagsereignissen nehme die Bedeutung der Flächenversiegelung eher ab, da selbst offenporige Böden ab einem bestimmten Punkt kein Wasser mehr aufnehmen könnten, betonte Zielhofer. Auen seien besonders dynamische Landschaften und Kernzonen des Kultur- und Naturerbes Europas, aber auch weltweit Brennpunkte früher menschlicher Eingriffe in den Naturraum. Um Land zu gewinnen, Ressourcen zu nutzen und das Risiko etwa für Anwohner zu minimieren, seien die mitteleuropäischen Auen wegen ihrer großen Nutzungsmöglichkeiten radikal und grundlegend verändert worden. „Diese menschliche Überprägung kann so stark sein, dass Auen nicht mehr als solche erkennbar sind“, sagte Zielhofer.


Menschengemachte Faktoren stören natürliche Abflussverhältnisse


Stark betroffen von dieser Entwicklung seien Auenlandschaften in der Nähe von Ballungsräumen und Industrieregionen und in Regionen mit Tagebau. So würden die Überflutungsräume durch Deiche eingegrenzt, die Flussläufe begradigt oder verlagert, und die Sande und Kiese der Auen abgebaut. Auch der Braunkohle-Tagebau spiele bei der Verlagerung der Flussläufe eine große Rolle. Kämen mehrere dieser menschengemachten Faktoren in den Auen zusammen, seien die natürlichen Abflussverhältnisse oft nicht mehr gegeben. Extreme Hochfluten könnten dann Zielhofer zufolge selbst in den Auen von kleineren Flüssen wie aktuell an der Erft zu großen Schäden führen.


Fortschreitende Bebauung der Auenlandschaften als Gefahr


Am Fluss Erft sei es infolge der Flutung einer Kiesgrube zu rückschreitender Erosion gekommen. Je größerer die Höhenunterschiede in der Aue seien und je mehr Wasser fließe, desto stärker werde die rückschreitende Erosion. In natürlichen Auen kämen diese großen Höhenunterschiede so nicht vor, erläuterte Zielhofer. Besonders gefährlich sei auch die fortschreitende Bebauung der Auenlandschaften. Dadurch würden diese bei extremen Hochwässern immer schadensanfälliger. „Flüsse haben ein langes Gedächtnis. Bei extremen Hochflutereignissen finden sie häufig wieder zurück in ihren früheren Flusslauf und durchbrechen menschengemachte Barrieren“, sagte der Wissenschaftler. Statt jetzt nach Verantwortlichen vor Ort zu suchen, sollte aber vielmehr eine gesellschaftliche Debatte über die nachhaltige Nutzung von Auen geführt werden. Dabei müsse es darum gehen, wie den Flüssen ihre natürlichen Überflutungsräume zurückgegeben und der menschliche Nutzungsdruck auf die Auenlandschaften reduziert werden könne.


Zielhofer leitet aktuell gemeinsam mit Forschenden der Universität Tübingen und der TU Darmstadt das Schwerpunktprogramm „Auf dem Weg zur Fluvialen Anthroposphäre“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).