Urteil: Gemeinde kann sich auf Messergebnis eines nur geeichten Wasserzählers berufen


Aufbewahren muss die Gemeinde einen ausgebauten Wasserzähler für eine Befundprüfung nur dann, wenn eine solche Prüfung beantragt wurde, stellt das Gericht weiter fest. Aufzubewahren hat sie den Zähler auch dann, wenn – etwa aufgrund eines offensichtlich ungewöhnlich hohen Durchflusswerts – Anhaltspunkte für eine Fehlerhaftigkeit des Wasserzählers bestehen. Nur in derartigen Fällen ist die Gemeinde gehalten, den ausgebauten Wasserzähler so lange aufzubewahren, wie mit einem Antrag auf Vornahme einer Befundprüfung noch zu rechnen ist und eine solche noch sinnvollerweise durchgeführt werden kann, heißt es in dem Urteil.


In dem behandelten Fall wandte sich die Klägerin, Eigentümerin eines mit einem vermieteten Zweifamilienhaus bebauten Grundstücks im Gebiet der beklagten Gemeinde, gegen ihre Heranziehung zu Wasser- und Abwassergebühren. Ein Mitarbeiter der Stadtwerke wies die Klägerin darauf hin, dass eine Firma in ihrem Auftrag im Gemeindegebiet die Wasserzähler aus dem fälligen Turnuswechsel 2018 auswechseln werde. Der ausgebaute Wasserzähler ist inzwischen nicht mehr verfügbar.


Die Gemeinde zog die Eigentümerin im Februar 2019 zu Wassergebühren in Höhe von 819,62 Euro sowie Abwassergebühren in Höhe von 1.222,85 Euro, das heißt insgesamt zu 2.042,47 Euro heran. Für die gesamte Abrechnungsperiode weist der Bescheid eine Wasser- und Schmutzwassermenge von jeweils 340 m³ aus. In den beiden Vorjahresperioden belief sich die Wasser- und Abwassermenge auf 203 m³ (2017 / 365 Tage) beziehungsweise 232 m³ (2016 / 357 Tage).


Eigentümerin: Von Fehler bei Ablesung auszugehen


Die klagende Eigentümerin legte dagegen am im Februar 2019 Widerspruch ein. Es sei davon auszugehen sei, dass aufgrund des Zählerwechsels ein Fehler bei der Ablesung stattgefunden habe, beziehungsweise der Zähler defekt gewesen sein müsse, da sich die Verbrauchswerte im Vergleich zum Vorjahreszeitraum fast verdoppelt hätten. Falls es ihr nicht gelingen sollte, den tatsächlichen Nachweis des Verbrauchs mittels eigener geeichter Zählereinrichtungen zu erbringen, sei davon auszugehen, dass ein Ablesefehler von mindestens 100 m³ zu Gunsten der Gemeinde stattgefunden habe.


Landratsamt: Mehrverbrauch von 137 m³ kein exorbitant hoher Verbrauch


Das Landratsamt Neckar-Odenwald-Kreis wies den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Allein die Tatsache, dass der Wasserverbrauch in den Vorjahren geringer gewesen sei als die Wassermenge, die über die Wasseruhr gemessen worden sei, führe nicht dazu, dass bei der Gebührenfestsetzung von der gemessenen Wassermenge abgewichen werden könne.


Den öffentlichen Aufgabenträger treffe bei ausgebauten Wasserzählern keine Aufbewahrungspflicht, wenn keine Befundprüfung beantragt worden sei und auch sonst keine Anhaltspunkte für eine Fehlerhaftigkeit des Wasserzählers bestanden hätten. Ein Mehrverbrauch von 137 m³ stelle keinen exorbitant hohen Verbrauch dar, der den mit dem Zählerstand befassten Mitarbeiter der Gemeinde Anhaltspunkte für die Fehlerhaftigkeit des Wasserzählers hätte geben können.


Die Eigentümerin erhob Klage beim Verwaltungsgericht Karlsruhe. Zur Begründung trug sie unter anderem vor, dass die Ablesung ungeachtet ihrer inhaltlichen Richtigkeit schon deshalb rechtswidrig erfolgt sei, weil sie nicht durch eine amtliche Person, sondern von dem mit dem Zählerwechsel beauftragten privaten Unternehmen durchgeführt worden sei.


VG: Wassergebühren rechtlich nicht zu beanstanden


Das VG Karlsruhe hat die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Gemeinde sei zwar in formeller Hinsicht rechtswidrig, da er nicht unterschrieben ist. Die Klägerin könne aber allein deshalb nicht seine Aufhebung beanspruchen. Denn in materieller Hinsicht sei der angegriffene Bescheid in vollem Umfang rechtmäßig. Die Heranziehung der Eigentümerin zu Wassergebühren für das Jahr 2018 in Höhe von 819,62 Euro sei rechtlich nicht zu beanstanden.


Habe ein noch geeichter Wasserzähler eine bestimmte Durchflussmenge angezeigt und habe eine technische Befundprüfung keine Anzeichen für eine Fehlfunktion ergeben, so könne erfahrungsgemäß davon ausgegangen werden, dass tatsächlich insgesamt so viel Wasser durch den Zähler geflossen ist, wie angezeigt, heißt es in dem Urteil.


Dieser Anscheinsbeweis könne zwar durch den Nachweis von Tatsachen erschüttert werden, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit ergibt, dass der Wasserzähler doch falsch angezeigt hat. Dafür reiche es wegen der Überzeugungskraft des Erfahrungssatzes aber grundsätzlich nicht aus, dass sich aus der angezeigten Durchflussmenge eine ungewöhnlich hohe Verbrauchsmenge ergibt. Das Gericht müsse insoweit nicht von sich aus der Frage nachgehen oder Beweis darüber erheben, ob der gemessene höhere Verbrauch durch Verhaltens- oder Zustandsänderungen im Einflussbereich des Grundstückseigentümers bestätigt wird.


 Das Verwaltungsgericht Karlsruhe vertritt die Auffassung, dass sich die Gemeinde auf das Messergebnis eines lediglich geeichten Wasserzählers jedenfalls dann berufen kann, wenn der Anschlussnehmer zumindest die Möglichkeit hatte, von dem Messergebnis in zumutbarer Weise zeitnah Kenntnis zu erlangen und es trotzdem unterlassen hat, die Vornahme einer Befundprüfung so rechtzeitig einzufordern, dass diese noch sinnvollerweise hätte durchgeführt werden können.


Defekt des Wasserzählers ist unverzüglich mitzuteilen


Für diese Risikoverteilung spreche insbesondere die Wasserversorgungssatzung (WVS), der der Grundsatz zu entnehmen ist, dass für den Fall, dass der Anschlussnehmer davon ausgeht, dass ein Defekt des Wasserzählers aufgetreten ist und dieser deshalb nicht mehr ordnungsgemäß misst, es seine Sache ist, einen solch vermuteten Defekt der Gemeinde beziehungsweise dem Wasserversorgungsbetrieb unverzüglich mitzuteilen. Auch müsse der Anschlussnehmer  eine Befundprüfung des Wasserzählers durch eine Eichbehörde oder eine staatlich anerkannte Prüfstelle verlangen. Beantragt er eine solche Befundprüfung dagegen zunächst nicht und ist sie zu einem späteren Zeitpunkt aufgrund von Umständen nicht mehr möglich, so könne der Anschlussnehmer im Hinblick auf die Wassermenge eine fehlerhafte Funktion des Wasserzählers grundsätzlich nicht mehr einwenden.


Keine generelle und unbegrenzte Aufbewahrungspflicht für ausgebaute Wasserzähler


Dabei treffe die Gemeinde in Ansehung weder eine generelle und zeitlich unbegrenzte Aufbewahrungspflicht für ausgebaute Wasserzähler, noch sei ihr zur Vermeidung von Beweislastentscheidungen zu ihren Ungunsten in jedem Fall eine Aufbewahrung des ausgebauten Wasserzählers bis zur Bestandskraft des Gebührenbescheides zu empfehlen. Denn bei der Erhebung von Wassergebühren handle es sich um ein Phänomen der Massenverwaltung, heißt es in dem Urteil.


Dem Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität komme deshalb bei der Regelung der Gebührenerhebung besondere Bedeutung zu. Vor diesem Hintergrund sowie aus Kostengründen – und damit nicht zuletzt im Interesse der Gebührenpflichtigen selbst – habe die Gemeinde einen ausgebauten Wasserzähler nur dann zum Zwecke der Durchführung einer Befundprüfung aufzubewahren, wenn eine solche beantragt wurde oder – etwa aufgrund eines offensichtlich ungewöhnlich hohen Durchflusswerts – Anhaltspunkte für eine Fehlerhaftigkeit des Wasserzählers bestehen. Nur in derartigen Fällen sei die Gemeinde gehalten, den ausgebauten Wasserzähler so lange aufzubewahren, wie mit einem Antrag auf Vornahme einer Befundprüfung noch zu rechnen ist und eine solche noch sinnvollerweise durchgeführt werden kann.


Gemeinde durfte angezeigte Wassermenge zugrunde legen


Übertragen auf den vorliegenden Fall durfte die Gemeinde die von dem Wasserzähler angezeigte Wassermenge von 282 m³ ihrer Gebührenerhebung für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 18. September 2018 zugrunde legen. Denn der Wasserversorgungsbetrieb hatte der Klägerin rechtzeitig mitgeteilt, dass es zu einem Ausbau des Zählers und einer damit einhergehenden Ablesung kommen würde, so dass sie ohne weiteres die Möglichkeit hatte, hieran teilzunehmen und von dem gemessenen Durchflusswert in zumutbarer Weise zeitnah Kenntnis zu erlangen, so das Gericht. Wenn der Anschlussnehmer diese Möglichkeit nicht nutzt, sondern den Wasserversorgungsbetrieb beziehungsweise dessen Beauftragten stattdessen auf Dritte – etwa wie hier die Mieter – verweist, so gehe es grundsätzlich zu seinen Lasten, wenn diese den gemessenen Zählerstand nicht an ihn weitergeben und er von diesem deshalb nicht umgehend, sondern erst durch den später ergangenen Gebührenbescheid erfährt.


Bei Ablesung durch privaten Dritten handelt es sich um bloße „Verwaltungshilfe“


Entgegen der Auffassung der Klägerin bestand auch keine Notwendigkeit dafür, dass die Ablesung durch eine „amtliche Person“ hätte durchgeführt werden müssen. Bei der Ablesung durch einen privaten Dritten handelt es sich um eine bloße „Verwaltungshilfe“, das heißt eine Hilfstätigkeit, die im Auftrag und nach Weisung der Behörde erfolgt und als solche grundsätzlich zulässig ist.

Den Streitwert hat das Gericht auf 575,40 Euro festgesetzt.