Die Methodik zur Darstellung und Berechnung der Ergebnisse sei auf viele andere Studien übertragbar, teilte das HZG mit. Die Studie sei im Journal of Hazardous Materials veröffentlicht worden.
Jeden Tag transportiert die Elbe Schätzungen zufolge zwischen 300 Kilogramm und 1,2 Tonnen Kunststoffmüll in die Nordsee. Wissenschaftler des neu gegründeten Instituts für Umweltchemie des Küstenraumes am HZG, des Alfred-Wegener-Instituts – Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) auf Helgoland und des Leibniz-Instituts für Polymerforschung Dresden (IPF) haben Oberflächenwasser an der HZG-Messstation Cuxhaven untersucht, um verschiedene Verfahren zu vergleichen und die Menge der Mikroplastikpartikel zu bestimmen.
Schnell verstopfte Filter und geringe Wasservolumina beeinträchtigen Repräsentativität der Beprobungen
Die Verfahren, die bislang zur Beprobung von Partikeln eingesetzt wurden, brächten oft das Problem mit sich, dass die eingesetzten Filter zu schnell verstopfen und nur geringe Wasservolumina beprobt werden können, führte das HZG aus. Dadurch werde die Repräsentativität der Ergebnisse beeinträchtigt. Deshalb wurden die Proben in der aktuellen Studie - zusätzlich zu den genommenen Schöpfproben - erstmals mit Durchflusszentrifugen und Hydrozyklonen als alternative Techniken gewonnen.
„Durch die Gezeiten an der Nordseeküste haben wir relativ viele Schwebstoffe im Wasser“, sagte Lars Hildebrandt, Umweltchemiker und Erstautor der Studie. Deshalb mussten die Wasserproben zunächst von organischem Material und Sedimentpartikeln bereinigt werden. Anschließend seien einige der Proben mit spektroskopischen Mikroskopieverfahren am IPF und am AWI analysiert worden. „Durch das systematische Vorgehen wollten wir möglichst vergleichbare Ergebnisse erhalten“, erklärte Hildebrandt. Im Ergebnis haben die Wissenschaftler zwischen 200 und 2.100 Partikel Mikroplastik pro Kubikmeter Wasser gefunden. Das seien relativ hohe Konzentrationen im Vergleich zur offenen Nordsee, sagte der Forscher.
Bei den am häufigsten identifizierten Partikeln handelt es sich um Polypropylen, Acrylate, Polyvinylchlorid und Polyethylen, hieß es weiter. Grundsätzlich steckten die verschiedenen Kunststofftypen in ganz unterschiedlichen Produkten, was eine eindeutige Zuordnung gefundener Partikel schwierig mache. Polypropylen und Polyethylen seien typische Verpackungsmaterialien, während PVC (Polyvinylchlorid) in großen Mengen im Bauwesen eingesetzt werde. Acrylate seien in Lacken und Farben, aber auch in vielen Kosmetikprodukten zu finden.
Leitfaden stammt vom Internationalen Büro für Maß und Gewicht (BIPM)
In der Studie haben die Wissenschaftler erstmals den wichtigsten Leitfaden zur Erhebung von Messunsicherheiten für die Auswertung der Untersuchungen angewendet, und zwar den Guide to the Expression of Uncertainty in Measurement des Internationalen Büros für Maß und Gewicht (BIPM), der weltweit wichtigsten Behörde für „Maß und Gewicht“, berichtete das HZG weiter. Sie diene als Wächter über das Internationale Einheitensystem und alle Arten von Messungen. „Jede Art von Messung ist mit einer Unsicherheit behaftet, die zusammen mit dem gemessenen Wert als sogenannte Messunsicherheit angegeben wird“, erklärte Hildebrandt. Viele bereits veröffentlichte Studien zu Mikroplastikpartikeln wendeten die einschlägigen Leitfäden jedoch nicht an, wodurch in der Öffentlichkeit der Eindruck einer falschen Genauigkeit entstehen könne.
Auf die Ergebnisse aus der Elbe angewendet, zeige sich in der sogenannten Unsicherheitsbetrachtung, dass die Messwerte teilweise mit extrem hohen Unsicherheiten von etwa 25 Prozent bis zu 200 Prozent behaftet sind, machte das HZG deutlich. „Die Hauptquelle dafür ist bei uns und auch bei allen anderen Studien: Die Verteilung der Mikroplastikpartikel im Elbwasser ist nicht gleichmäßig - die Partikel verhalten sich fundamental anders als gelöste Substanzen“, erklärte Daniel Pröfrock, Leiter der Abteilung Anorganische Umweltchemie am HZG. Deshalb müssten Forscher die Messunsicherheit, die sich über die Inhomogenität hinaus auch aus dem verwendeten Probenahme- und Analyseverfahren ergebe, adäquat berechnen und bei der Veröffentlichung der Endergebnisse berücksichtigen. „Oftmals zeigt sich, dass sich die gefundenen Muster im Transport und in der Verteilung von Mikroplastik im Wasser innerhalb der Messunsicherheiten nicht signifikant voneinander unterscheiden“, betonte er.
Thema „Mikroplastik in Gewässern“ steckt in den Kinderschuhen
„Das Thema Mikroplastikpartikel in unseren Gewässern steckt wissenschaftlich gesehen in den Kinderschuhen“, sagte Umweltchemiker Tristan Zimmermann, Co-Autor der Studie. „Wir brauchen repräsentative Techniken zur Probenahme, um den Umweltzustand valide abzubilden. Diese Techniken müssen analytisch akkurat, nachvollziehbar und robust sein, einen hohen Automatisierungsgrad aufweisen sowie zeit- und kosteneffizient sein“, forderte er. Zukünftig sollten auch entsprechende Unsicherheitsbetrachtungen standardmäßig im Rahmen von Mikroplastik-Studien durchgeführt werden, um die Vergleichbarkeit von Daten zu verbessern und eine solidere Datengrundlage für daraus abgeleitete Entscheidungen zur Verfügung stellen zu können, rät das HZG.