Die Betreiber des Milchparks Hahnennest müssen demnach den Bau des Megastalls für 1.000 Kühe und 80 Kälber stoppen. Damit wird ein Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen aus dem vergangenen Jahr geändert (AZ: 5 K 3036/19 vom 27. März 2020).
Verwaltungsgericht verwies auf Grundwassermonitoring
Der VGH kritisiert, dass das zuständige Landratsamt Sigmaringen die Auswirkungen auf geschützte Lebensräume und ihre Artenvielfalt nicht ausreichend geprüft hatte, weil keine Umweltverträglichkeitsprüfung erfolgt war. Zur Begründung führt der VGH unter anderem aus, die durchgeführte allgemeine Vorprüfung zur Feststellung der Umweltverträglichkeitspflichtigkeit sei voraussichtlich rechtswidrig. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei diese Vorprüfung im gerichtlichen Verfahren zu überprüfen. Die Vorprüfung werde zwar grundsätzlich dadurch entlastet, dass im vorangegangenen planungsrechtlichen Verfahren bereits eine Umweltprüfung durchgeführt worden sei. Über Defizite einer solchen Umweltprüfung könne in der Vorhabenzulassung aber nicht hinweggegangen werden.
Die Vorprüfung dürfte nach Auffassung des VGH zu beanstanden sein, weil erhebliche nachteilige Auswirkungen des Vorhabens durch prognostizierte Stickstoffeinträge in ein nahegelegenes FFH-Schutzgebiet nicht nachvollziehbar ausgeschlossen worden und insbesondere auch die Emissionen einer an den Laufstall angegliederten Biogasanlage nicht in den Blick genommen worden seien. Auch seien erhebliche nachteilige Auswirkungen auf das schon grenzwertig mit Nitrat belastete Grundwasser nicht nachvollziehbar ausgeschlossen worden. Die Überwachung des Grundwassers alleine könne einer Gefährdung des Grundwassers nicht wirksam entgegenwirken.
Schaffung irreversibler Zustände droht
Im Übrigen sei dem Eilantrag des Umweltverbands auch unabhängig von den Erfolgsaussichten in einem Hauptsacheverfahren stattzugeben, denn es drohten irreversible Zustände geschaffen zu werden. Die vom Landratsamt Sigmaringen geltend gemachte Dringlichkeit sei dem VGH nicht einsichtig. Denn der Betrieb des Milchviehlaufstalles hänge von einer immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigung betreffend für die Biogasanlage ab, die bisher nicht worden erteilt sei.
VG Sigmaringen hatte Baustopp abgelehnt
Das Verwaltungsgericht Sigmaringen hatte im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens einen Baustopp für den Stall abgelehnt, in seinem Beschluss aber darauf hingewiesen, dass das Landratsamt ein besonderes Augenmerk auf die Entwicklung der Nitratmesswerte im Rahmen des durch Nebenbestimmungen zur Genehmigung angeordneten Grundwassermonitorings werde legen müssen und unter Beobachtung halten müsse, ob sich die „auf dem Papier“ dargelegte Abgabekapazität auch als dauerhaft real düngerechtskonform vorhanden erweise.
Widerspruch zu Unrecht abgelehnt
Die Beigeladene in dem Prozess, eine von vier Landwirten verfasste Gesellschaft bürgerlichen Rechts, betreibt in unmittelbarer Nähe zu dem Kuhstall eine Biogasanlage, in der sie die Rindergülle und den Rindermist des Stalles verfeuern will. Dazu beantragte sie eine immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung. Das Landratsamt hielt damals eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht für notwendig und erteilte es den Betreibern im Februar 2019 eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung. Dagegen erhob der BUND Anfang April 2019 Widerspruch. Das Verwaltungsgericht Sigmaringen lehnt seinen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ab – zu Unrecht, wie das VGH jetzt urteilte.
Zwar war aus Sicht des Verwaltungsgerichts in erster Linie die Ausbringung der Gärreste, die nach Einbringung der anfallenden Gülle in die benachbarte Biogasanlage verblieben, problematisch. Die Vorhabenträgergesellschaft habe aber hinreichende Abgabe- und Ausbringungskapazitäten nachgewiesen, hieß es in dem Beschluss.
BUND geht von Verbot auch im Hauptsacheverfahren aus
Der BUND brachte seine Erleichterung über den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs zum Ausdruck. Der VGH habe klargestellt, dass die Erteilung der Genehmigung zum Bau und Betrieb des Megastalls voraussichtlich rechtswidrig war und dass die Vorprüfung zum Stallbauvorhaben in Ostrach nicht sorgfältig erfolgte. Es dürfe nun keine weiteren Baumaßnahmen geben, so der BUND. „Nach den klaren Aussagen des VGH gehen wir davon aus, dass auch in der Hauptsache die Genehmigung keinen Bestand haben wird und der 1.000 Milch-Kühe nicht wie beabsichtigt gebaut werden kann“, sagte Sylvia Pilarsky-Grosch, die Landesgeschäftsführerin des BUND Baden-Württemberg. Mit dem Beschluss habe der VGH auch die Klagerechte der Umweltverbände gestärkt.
„Wir hätten uns gewünscht, dass Planer*innen, Genehmigungsbehörden und der Petitionsausschuss unsere Bedenken und Hinweise auf die rechtswidrige Planung viel früher ernst genommen und eine Umplanung erwirkt hätten – mit einem deutlich kleineren Stall und Maßnahmen zur Verbesserungen für Grundwasser und Biodiversität“, sagte Ulfried Miller, Regionalgeschäftsführer des BUND Bodensee-Oberschwaben.
Weitere Megaställe geplant
Der geplante Megastall in Ostrach ist dem BUND zufolge nicht der einzige in Baden-Württemberg. Mehrere Mängel, die der VGH in diesem Fall rügte, sind auch beim Kobeleshof bei Ellwangen und beim 8.000-Schweine-Stall in Langenburg-Nesselbach vorhanden. Gegen das Bauvorhaben des Kobeleshofes gehe der BUND juristisch vor. Der Umweltverband kritisiert die Haltungsbedingungen in solchen Ställen; zudem stiegen als Folge von Megaställen die Pachtpreise für landwirtschaftliche Flächen, und das Sterben von kleineren Höfen werde verursacht.