Der Antragsteller, Eigentümer eines Grundstücks, wandte ein, dass die Wasserversorgerin den Zähler-Wert des Vorjahres in Höhe von 231 m³ mit Stand 31. Dezember 2019 als Anfangsstand dem Bescheid nicht hätte zugrunde legen dürfen, so das OVG zum Sachverhalt. Er begründete dies damit, dass der Wert nur auf einer Schätzung des Verbrauchs beruhe, für die in der Satzung keine Rechtsgrundlage vorgesehen sei. Dies trifft dem OVG zufolge aber nicht zu.
Zwar erlaube die Satzung der Versorgerin Schätzungen nur in den Fällen einer fehlerhaften Anzeige des Wasserzählers oder der Schmutzwassermesseinrichtung. Insoweit sei es auch zutreffend, dass die Versorgerin in den vorangegangenen Bescheiden jahrelang, ohne durch die Satzung dazu ermächtigt gewesen zu sein, geschätzte Wasserverbräuche festgesetzt habe, weil die Mieterin des Antragstellers dem Frischwasserversorger trotz funktionsfähigen Wasserzählers keine Zählerstände mitgeteilt habe. Denn eine Schätzung sehe die Satzung bei den dem Grundstück aus öffentlichen Wasserversorgungsanlagen zugeführten und durch Wasserzähler ermittelten Wassermengen bei funktionstüchtigem Wasserzähler nicht vor.
Bescheid nicht rechtswidrig
Zur Rechtswidrigkeit des Bescheides führt dies entgegen der Auffassung des Antragstellers aber nicht, weil der Vorjahresbescheid vom 2. März 2020 bestandskräftig geworden sei, führt das OVG aus. Insoweit habe das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht in seinem Beschluss (Aktenzeichen: 4 B 39/20 vom 27.01.2021) ausgeführt, dass der Antragsteller dagegen keinen Widerspruch eingelegt habe. Daraus folgend habe das Verwaltungsgericht dann zutreffend angenommen, dass damit der darin aufgeführte Ablesewert des Vorjahres in Höhe von 231 m³ feststeht, so dass die Antragsgegnerin diesen Wert aus dem bestandskräftigen Vorjahresbescheid vom 2. März 2020 als Berechnungsgrundlage für den streitgegenständlichen Gebührenbescheid zugrunde legen durfte.
Der dem streitgegenständlichen Bescheid vorangegangene Gebührenbescheid vom 2. März 2020 leide nicht – wie der Antragsteller mit der Beschwerde rügt – an einem schwerwiegenden Fehler, sodass der Vorjahreswert dem nachfolgenden Gebührenbescheid nicht hätte zugrunde gelegt werden dürfen, so das OVG. Das bloße Fehlen eines Gebührenmaßstabes für die darin vorgenommene Schätzung führe nicht zur Nichtigkeit nach dem Landesverwaltungsgesetz (LVwG) und damit zur Unwirksamkeit des Bescheides.
Fehler muss „schlechterdings unerträglich“ sein
Wie das OVG ausführt, muss nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für eine Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes der dem Verwaltungsakt anhaftende Fehler diesen schlechterdings unerträglich, d. h. mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar erscheinen lassen. Die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes sei nicht schon deshalb anzunehmen, weil er einer gesetzlichen Grundlage entbehrt.
Der schwerwiegende Fehler müsse darüber hinaus für einen verständigen Bürger offensichtlich sein. Die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes sei daher nur dann anzunehmen, wenn die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen in so erheblichem Maße verletzt werden, dass von niemandem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich an zu erkennen, so das OVG.
Fehler wäre nicht offensichtlich
Ob daran gemessen das Fehlen einer Ermächtigungsgrundlage für die Schätzung des Verbrauchs mangels Übermittlung des Zählerstandes durch die Mieterin oder den Antragsteller einen besonders schwerwiegenden Fehler darstelle, könne dahinstehen. Denn der Fehler wäre nicht offensichtlich, stellt das OVG fest.
Für einen verständigen Durchschnittsbürger ist es dem OVG zufolge nicht offenkundig bzw. unzweifelhaft klar, dass die Verwaltungsbehörde den Wasserverbrauch nicht schätzen darf, wenn der Abgabenschuldner bzw. Gebührenpflichtige – insoweit müsse sich der Antragssteller das Verhalten seiner Mieterin zurechnen lassen und gegebenenfalls Schadensersatzansprüche aus dem Mietverhältnis geltend machen – den Zählerstand trotz Aufforderung nicht mitteilt. Es sei im Gegenteil ein üblicher Vorgang, Verbräuche bei fehlenden Angaben zu schätzen - insoweit finden sich in der Satzung auch zahlreiche Regelungen für Schätzungen des Verbrauchs, so das OVG. Aus diesem Grund und weil der Fehler nicht die Erhebung der Gebühr, sondern die Art und Weise ihrer Berechnung und damit den Gebührenmaßstab betrifft, habe auch die Wasserversorgerin die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen nicht in so erheblichem Maße verletzt, dass von niemandem erwartet werden könnte, den Verwaltungsakt als verbindlich an zu erkennen, heißt es in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts.
Den Streitwert für das Beschwerdeverfahren hat das OVG auf 1.162 Euro festgesetzt.