BDEW und VDMA: Wasserkraft-Regel im EEG 2023 „vom Tagesgeschehen abgekoppelt“


Die beiden Verbände fordern die Bundesregierung in einem gemeinsamen Papier zur Rolle der Wasserkraft dazu auf, kleine Wasserkraftanlagen weiterhin zu fördern und machen Vorschläge, wie die Potenziale von Wasserkraftanlagen und Pumpspeicherkraftwerken vor dem Hintergrund der aktuellen sicherheits- und energiepolitischen Geschehnisse besser ausgeschöpft werden können.


Kerstin Andreae, die Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, sagte, es sei unerklärlich, warum die Bundesregierung die kleine Wasserkraft aus gewässerökologischen Gründen nicht mehr fördern möchte. Die Wasserkraft trage seit vielen Jahrzehnten zu einer sicheren, wirtschaftlichen und nachhaltigen Stromversorgung bei - insbesondere im süddeutschen Raum und verdiene daher Unterstützung. Das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) und die Landeswassergesetze stellten einen hinreichenden Schutz für die Gewässer sicher. Dennis Rendschmidt, Geschäftsführer der VDMA Power Systems, erklärte, insbesondere Pumpspeicherkraftwerke spielten für die gesicherte Stromversorgung auch bei Störungen eine wichtige Rolle. Durch eine Entfristung der Netzentgeltbefreiung von Modernisierungen könnten hier zusätzliche Kapazitäten geschaffen werden.


Beitrag der Wasserkraftwerke und Pumpspeicherkraftwerke zur Stromversorgung noch wichtiger geworden


Wie es in dem Papier heißt, wird der Beitrag der Wasserkraftwerke und insbesondere der Pumpspeicherkraftwerke zur Stromversorgung in der derzeitigen herausfordernden Situation noch wichtiger. So könnten allein die Wasserkraftwerke in Deutschland durch die in den Schwungmassen der Turbinen und Generatoren gespeicherte kinetische Energie so viel Momentanreserve zur Verfügung stellen, dass dadurch ein plötzlicher Ausfall eines 500 Megawatt-Kraftwerks kompensiert werden kann. So sichere die Momentanreserve der Wasserkraftwerke die Stabilität der Stromnetze.


Pumpspeicherkraftwerke in Deutschland könnten insgesamt bis zu 40 GWh Strom zwischenspeichern und sogenannte Systemdienstleistungen erbringen. Bei einem Ausfall von konventionellen Kraftwerken etwa durch Störungen in der Brennstoffversorgung sichern Pumpspeicherkraftwerke die Stromversorgung zuverlässig ab und tragen zum Ausgleich volatil einspeisender Erneuerbarer Energien bei. Außerdem stünden Pumpspeicherkraftwerke bereit, um die Stromversorgung nach einem Blackout wieder aufzubauen. Für diese Aufgabe hätten die Übertragungsnetzbetreiber viele Pumpspeicherkraftwerke vertraglich gebunden.


Bestehenden Leistung ausschöpfen


Dem Papier zufolge haben Wasserkraftanlagen in Deutschland im Jahr 2021 rund 20 TWh Strom erzeugt und in das Netz eingespeist. Es bestehe ein weiteres Potential von rund einem TWh/a, das kurzfristig dadurch gehoben werden könne, dass bestimmte Hemmnisse und Auflagen angepasst werden. Dazu zähle etwa die Begrenzung der für die Stromerzeugung zur Verfügung stehenden Wassermenge an das Leistungsvermögen bestehender Wasserkraftanlagen. Dafür seien schnelle und pragmatische Genehmigungsprozesse und Anpassungen der zwischen den Konzessionsgebern und den Wasserkraftanlagenbetreibern geschlossenen Konzessionsverträgen durch die zuständigen Aufsichtsbehörden in den Ländern erforderlich, heißt es in dem Papier weiter.


Potenzial durch Modernisierung und Ausbau von bestehenden
Wasserkraftwerken zu steigern


Das Potenzial zur Steigerung der Stromerzeugung aus Wasserkraft erschließt sich den Verbänden zufolge vor allem aus der Modernisierung und dem Ausbau von bestehenden Wasserkraftwerken; bei Pumpspeicherkraftwerken seien auch Kapazitätserweiterungen und Neubauten mit vier bis acht GW Leistung möglich.


Die Politik könne die Erschließung dieser Potenziale unterstützen. Die Verbände verweisen darauf, dass der Koalitionsvertrag der Bundesregierung dazu einige Vereinbarungen enthält, die jetzt konkretisiert und umgesetzt werden sollten, etwa im Hinblick auf eine Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren, die Absicht, Speicher als eigenständige Säule des Energiesystems rechtlich zu definieren.


Abgrenzung zwischen EEG
und WHG beibehalten


Der BDEW und der VDMA-Fachverband Power Systems plädieren schließlich für eine Beibehaltung der klaren Abgrenzung zwischen der rechtlichen Ausgestaltung des Förderregimes des Erneuerbare-Energien-Gesetztes und den ordnungsrechtlichen Anforderungen des Wasserhaushaltsgesetztes (WHG), wie dies der BDEW der Verband in seiner Stellungnahme zum Entwurf der EEG-Novelle gefordert hatte (EUWID 13.2022). Für die Wasserkraft sei wie für andere erneuerbare Energien die besondere Bedeutung und das überragende öffentliche Interesse anzuerkennen.


LEE NRW: EEG-Entwurf für
Wasserkraft „völlig fehlgeleitet“


Als für die Wasserkraft „völlig fehlgeleitet" hat der Landesverband Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW) den vorliegenden Kabinettsentwurf zum EEG bewertet. „Diese völlig unerwartete Neuausrichtung der Wasserkraftförderung passt überhaupt nicht in die Zeit, in der jede regenerative Kilowattstunde zählt, um die Importabhängigkeit im Energiesektor zu senken", sagte der LEE NRW-Vorsitzende Reiner Priggen. „Sollte es im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren nicht gelingen, diese Änderungen rückgängig zu machen, droht der kleineren Wasserkraft hierzulande mittelfristig das Aus." Der LEE NRW fordert die komplette Streichung der vorgesehenen Verschlechterungen für die Wasserkraft in der EEG-Novelle sowie spürbare finanzielle Anreize für die Modernisierung von Bestandsanlagen und den Neubau überall da, wo es gewässerverträglich möglich sei.


Von den bundesweit circa 7.300 Wasserkraftwerken haben dem Verband zufolge rund 90 Prozent eine Leistung von weniger als 500 kW, in NRW liege deren Zahl bei rund 380 Anlagen. Nach vorliegenden Statistiken versorgen allein die kleinen Wasserkraftwerke mehr als eine Million Haushalte bundesweit mit sauberem Strom. Die meisten Betreiber setzten auf das Repowering von Anlagen, erklärt Priggen. In der Regel lasse sich durch eine Modernisierung rund 20 Prozent mehr Wasserkraftstrom erzeugen.


Die Regelungen des EEG 2023-Entwurfs zur Wasserkraft sind auch seitens des Bundesverbandes Deutscher Wasserkraftwerke (BDW) und der Vereinigung Wasserkraftwerke in Bayern (VWB) sowie des Wasserkraftverbands Mitteldeutschland auf Kritik gestoßen.