BVerwG: Entnahmeentgelt für die Hebung von Grubenwasser im Saarland rechtmäßig


Kläger in dem Fall ist der Eigentümer eines in Grundstücks in Halle (Saale), auf dem sich eine Fleischerei mit Verkaufsräumen befindet, heißt es in dem Urteil zum Tatbestand. Der Beklagten gehört das Nachbargrundstück; sie betreibt dort eine Zugwaschanlage. Etwa 60 cm von der Grundstücksgrenze entfernt verlief auf dem Grundstück der Beklagten ein aus Betonplatten gemauerter Abwasserkanal mit einem Querschnitt von ca. 70 cm x 70 cm. An der Einmündungsstelle in die öffentliche Kanalisation befand sich ein Abwasserrohr mit einem Durchleitungsquerschnitt von ca. 30 cm.


Querschnittsverengungen durch Wurzelbewuchs


Dieses Rohr wies durch Wurzelbewuchs teilweise starke Querschnittsverengungen auf. Betrieben wurde es von der Halleschen Wasser und Stadtwirtschaft GmbH (HWS), die im Auftrag der Stadt Halle die Abwasserentsorgung durchführt. Ende September 2010, als die Zugwaschanlage an einem Tag nicht in Betrieb war, trat nach lang anhaltendem Regen Wasser aus dem Abwasserkanal aus und floss auf das Grundstück des Klägers. Durch einen Lüftungsschacht trat das Wasser in die Lagerräume der Fleischerei ein. Zwischenzeitlich wurde der Abwasserkanal umgebaut und ein Drosselungsbauwerk errichtet.


Das Landgericht Halle wies die auf Schadensersatz in Höhe von 135.407,50 Euro gerichtete Klage ab. Auf die Berufung des Klägers hin erklärte das Oberlandesgericht Naumburg den Klageantrag zu 75 Prozent für gerechtfertigt und verwies das Verfahren wegen der Höhe an das Landgericht zurück.


Oberlandesgerichts Naumburg sieht Mitverschulden


Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Naumburg hat der Kläger gegen die Beklagte wegen des Wasserübertritts dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch, der wegen eines Mitverschuldens des Klägers um 25 Prozent zu kürzen sei. Die beklagte Grundstückseigentümerin habe den Abwasserkanal schuldhaft nicht so eingerichtet, dass Abwässer und andere Flüssigkeiten und damit auch Niederschlagswasser nicht auf das Grundstück des Klägers gelangten. Die Beklagte sei passivlegitimiert; dass sie bestreite, Eigentümerin des maroden Abwasserkanals zu sein, sei nicht relevant. Das Nachbarschaftsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt setze in Paragraf 33 lediglich Besitz oder Eigentum am Grundstück voraus. Etwas anderes ergebe sich nicht aus der Abwasserbeseitigungssatzung der Stadt Halle, nach der Grundstücksentwässerungskanäle zu den privaten Grundstücksentwässerungsanlagen gehörten.


Begründung des OLG hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand


Die  Begründung des OLG hält dem Bundesgerichtshof zufolge rechtlicher Nachprüfung nicht stand; so lasse sich ein Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte nicht bejahen. Der rechtliche Ausgangspunkt des OLG sei allerdings zutreffend: Der Eigentümer oder die Eigentümerin des Grundstücks hätten bauliche Anlagen so einzurichten, dass Tropfwasser, Abwässer oder andere Flüssigkeiten nicht auf das benachbarte Grundstück übertreten. Dazu zähle auch Niederschlagswasser. Rechtsfehlerhaft ist aber die Auffassung des Oberlandesgerichts, die Beklagte sei deshalb nach § 33 NbG LSA für den Abwasserkanal verantwortlich, weil sie am Schadenstag Eigentümerin des Grundstücks war, auf dem sich der Kanal befand, heißt es in dem Urteil.


Einwirkung auf bauliche Anlage rechtlich nicht möglich


Die Pflicht, bauliche Anlagen so einzurichten, dass Flüssigkeiten nicht auf das benachbarte Grundstück übertreten, setzt dem BGH zufolge voraus, dass der Grundstückseigentümer die Rechtsmacht hat, auf die bauliche Anlage einzuwirken. Bei baulichen Anlagen, die der Grundstückseigentümer selbst errichtet hat und die als wesentliche Bestandteile in seinem Eigentum stehen, sei das in der Regel unproblematisch. Anders verhalte es sich aber, wenn dem Grundstückseigentümer eine Einwirkung auf die bauliche Anlage rechtlich nicht möglich sei. Das sei der Fall, wenn die bauliche Anlage Bestandteil einer öffentlichen Abwasseranlage ist. Dafür sei der Grundstückseigentümer nicht verantwortlich.


Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Wasserhaushaltsgesetztes (WHG) ist Niederschlagswasser als Abwasser zu qualifizieren, führt der BGH aus. Nach § 56 des Wasserhaushaltsgesetztes (WHG) können die Länder bestimmen, unter welchen Voraussetzungen die Abwasserbeseitigung anderen als den in Satz 1 genannten Abwasserbeseitigungspflichtigen obliegt; in Sachsen-Anhalt sind das die Gemeinden.


In welchem Eigentum die Leitung
steht, ist nicht entscheidend


Nach § 151 Abs. 3 Nr. 1 LWG SA sind anstelle der Gemeinde die Grundstückseigentümer zur Beseitigung des Niederschlagswassers verpflichtet, soweit nicht die Gemeinde den Anschluss an eine öffentliche Abwasseranlage und deren Benutzung vorschreibt, weil ein gesammeltes Fortleiten erforderlich ist, um eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit zu verhüten. Von der einschlägigen Regelung hängt ab, für welche Leitungen der Grundstückseigentümer und für welche Leitungen die Gemeinde die Verantwortung trägt. In wessen Eigentum die Leitung steht, ist dem BGH zufolge grundsätzlich nicht entscheidend. Maßgeblich seien vielmehr die von den Gemeinden erlassenen Satzungen bzw. die mit dem Grundstückseigentümer vereinbarten Ver- bzw. Entsorgungsbedingungen.


Diese abwasserrechtlichen Regelungen wirkten sich auch auf die Haftung eines Grundstückseigentümers für Wasserschäden auf dem Nachbargrundstück aus. Befindet sich auf einem Grundstück ein Abwasserkanal und nimmt das Nachbargrundstück durch aus dem Kanal austretendes Wasser Schaden, scheidet eine Haftung des Grundstückseigentümers aus, wenn der Kanal zu einer öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage gehört, so der BGH.


Frage, in welchen Verantwortungsbereich
der Kanal gehört, zu klären


Ob der Abwasserkanal zu den öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlagen gehört, habe das Oberlandesgericht aber gar nicht geklärt. Das Berufungsurteil sei deshalb aufzuheben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückzuverweisen, da die Sache nicht entscheidungsreif sei. Den Parteien sei dabei Gelegenheit zur ergänzenden Stellungnahme zu der vorrangig zu klärenden Frage einzuräumen haben, ob der Abwasserkanal in den Verantwortungsbereich der beklagten Eigentümerin oder der Stadt Halle bzw. der von ihr mit der Abwasserbeseitigung beauftragten HWS fällt.