Die vom Bundesrat beschlossene Änderung der Direktzahlungen-Durchführungsverordnung des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL) sieht Ausnahmen von den Restriktionen für Vorrangflächen vor. Nach bisheriger Rechtslage dürfen diese nur sehr eingeschränkt temporär für die Beweidung mit Schafen oder Ziegen genutzt werden. Die Europäische Kommission hat den Mitgliedstaaten aber mit Beschluss vom 23. März 2022 erlaubt, ausnahmsweise Brachflächen zur Erzeugung von Lebens- und Futtermitteln freizugeben.
Hintergrund ist der erhebliche Anstieg der Agrar- und Futtermittelpreise infolge von Turbulenzen auf den internationalen Märkten - ausgelöst durch die russische Invasion in der Ukraine. Die Bundesregierung möchte nach eigenen Angaben nun das Potenzial an Grundfutter erhöhen, um einen Beitrag zur Verbesserung der Futtermittelversorgung zu leisten, zugleich aber die Biodiversität berücksichtigen.
Bundesweite Lösung erforderlich
Anders als in den Vorjahren, in denen mit einzelnen Länderermächtigungen auf lokale Engpässe zum Beispiel nach Dürren oder Hochwasser reagiert wurde, gibt es damit für 2022 eine bundesweite Ausnahmeregel, da die aktuellen Probleme ganz Deutschland betreffen, erläuterte der Bundesrat.
Die neue Verordnung definiert zwei Ausnahmen: Auf brachliegenden Flächen, die als ökologische Vorrangflächen ausgewiesen sind, ist in diesem Jahr bereits ab dem 1. Juli eine Beweidung durch Schafe, Ziegen und weitere Tierarten möglich, ebenso eine Schnittnutzung für Futterzwecke. Nach geltender Rechtslage müssen solche Flächen eigentlich grundsätzlich während des ganzen Antragsjahres brachliegen - frühestens ab dem 1. August dürfen Schafe oder Ziegen den Aufwuchs beweiden.
Auf ökologische Vorrangflächen mit Zwischenfruchtanbau oder Gründecke dürfen ebenfalls ausnahmsweise andere Tierarten neben Schafen und Ziegen weiden, während die Flächen mit einer bestimmten zulässigen Kulturpflanzenmischung bestellt sind. Auch hier ist im Jahr 2022 eine Schnittnutzung für Futterzwecke zulässig.
AöW und der DBVW gegen
Instrumentalisierung der aktuellen weltpolitischen Situation
Zuvor wandten sich die AöW und der DBVW gegen eine „Instrumentalisierung der aktuellen weltpolitischen Situation“ mit dem Ziel einer Intensivierung der Flächennutzung. Eine Krise gegen eine weitere auszuspielen, verbiete sich, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung des Deutschen Bundes der verbandlichen Wasserwirtschaft (DBVW) und der Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft (AöW).
Trotz des Krieges und seiner Auswirkungen dürfe der Schutz des Wassers nicht vernachlässigt werden, erklärte Franz-Xaver Kunert, Präsident des DBVW. Die lebensnotwendige Ressource Wasser müsse in Form des generationsgerechten Grundwasserschutzes ebenso im Fokus bleiben wie die Ernährung der Bevölkerung und die Energieversorgung. Hier dürfe es nicht zu einem Rückschritt kommen. Die Herausforderungen für den Grundwasserschutz als einer wichtigen Quelle der Trinkwasserversorgung müssten aufgrund der Qualitätsvorgaben der EU und des künftigen Klimawandels beherzt angegangen werden, so Kunert. Ernährungssicherheit könne durch angepasste Ausnutzung der vorhandenen Ackerflächen weiterentwickelt werden.
Die aktuellen Herausforderungen machten Umdenkungsprozesse erforderlich, dürfen aber nicht dazu führen, dass die Sicherung der Ressource Wasser für nachfolgende Generationen gefährdet wird.
„Der Krieg in der Ukraine ist vor dem Hintergrund unserer Werte unbegreiflich und die täglichen Bilder sind schockierend. Die deutsche Wasserwirtschaft versucht ihre Kolleginnen und Kollegen in der Ukraine zu unterstützen, damit die wichtigen Aufgaben der Daseinsvorsorge - die Wasserversorgung - und auch die Abwasserentsorgung aufrechterhalten werden können“, sagte AöW-Präsident Prof. Lothar Scheuer. In der Ukraine sei derzeit zu sehen, wie bedrohlich die Auswirkungen sind, wenn die Verfügbarkeit von sauberem Trinkwasser und funktionierender Daseinsvorsorge beeinträchtigt ist.
„Dem Schutz des Wassers muss Priorität zukommen“
Umso beunruhigender sei es, dass es aktuell Überlegungen gebe, zur Milderung der Auswirkungen des Ukraine-Krieges den Umweltschutz und damit auch Schutzmaßnahmen für die Trinkwasserressourcen aufzuweichen. „Tatsächlich erleben wir jetzt schon, dass die Märkte für Lebensmittel und Energiepreise überreagieren und Marktteilnehmer offenbar dies auch für ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen ausnutzen. Dies ist ein unakzeptabler Zustand, und hiergegen muss die Politik für den gesellschaftlichen Zusammenhalt zuvorderst angehen“, sagte Scheuer. Das Wasser als die Lebensgrundlage sei nicht für einzelne wirtschaftliche Interessen verzichtbar; dem Schutz des Wassers müsse Priorität zukommen.